Konflikt um Republika Srpska: Bosnische Serben pfeifen auf die EU
Tausende bosnische Serben demonstrierten für die serbische Teilrepublik. Anlass ist ein Vorschlag des Hohen EU-Repräsentanten, die Verwaltung Bosniens zu vereinfachen.
Montag nachmittag versammelten sich Tausende von Serben in der Hauptstadt des serbischen Teilstaats in Bosnien und Herzegowina Banja Luka. Die Demonstranten zeigten Bilder des russischen Präsidenten Putin und riefen lautstark zur Verteidigung der "Republika Srpska" auf, die sie durch die Politik der internationalen Gemeinschaft bedroht sehen. Am Abend wollte das serbisch-bosnische Parlament sogar darüber entscheiden, ob die serbischen Parteien noch in den Institutionen des mit Bosniaken und Kroaten gebildeten Gesamtstaates bleiben wollten oder nicht. Es kam jedoch nicht zur Abstimmung. Auslöser
für die Proteste war ein Zehnpunkte-Plan des Hohen Repräsentanten der
Internationalen Gemeinschaft, des Slowaken Miroslav Lajcak vom 19.
Oktober, der darauf abzielt, die Arbeit der gemeinsamen Regierung, des
sogenannten Ministerrates, zu vereinfachen. Bisher hatten die Vertreter
der drei "konstitutiven" Nationen, Bosniaken, Serben und Kroaten, die
Möglichkeit, jeglichen Beschluß zu sabotieren, was von serbischer Seite
oftmals geschehen ist. Mit der Reform sollten die Verfahrensweisen
vereinfacht werden, ohne jedoch die Rechte der einzelnen nationalen
Gruppen grundsätzlich in Frage zu stellen. Trotzdem erhob sich gleich
nach Bekanntwerden des Plans von serbischer Seite ein Sturm der
Entrüstung. Der Ministerpräsident der Republika Srpska, Milorad Dodik,
attackierte Lajcak in beleidigender Form, der Premierminister Serbiens,
Vojislav Kostunica, nannte Bosnien sogar in einem Atemzug mit dem
Kosovokonflikt. Die Internationalen Mächte wollten Serbien nicht nur
Kosovo wegnehmen, sondern auch den Serben Bosnien und Herzegowinas ihrer
Rechte berauben, erklärte er.
Die Lage in Bosnien sei so gefährlich wie seit Beendigung des Krieges
1995 nicht mehr, schätzen verschiedene ausländische Diplomaten die
aktuelle Lage in dem Land ein. Und auch in den Hauptstädten macht sich
Unmut breit. Deutlich wurde gestern zum Beispiel der deutsche
Aussenminister Frank-Walter Steinmeier, als er Milorad Dodik
aufforderte, er solle sich lieber konstruktiv an der Lösung der zu
bewältigenden Aufgaben beitragen, als sich allen Reformen in Bosnien und
Herzegowina entgegenzustellen, die den Menschen dienten.
Seit Anfang 2006 sind die Auseinandersetzungen zwischen den Volksgruppen
tatsächlich schärfer geworden. Milorad Dodik gewann in der serbischen
Volksgruppen die Wahlen im Herbst 2006 mit der Parole, er werde niemals
die serbische Teilrepublik aufgeben. Vorausgegangen waren Debatten über
eine neue Verfassung, die mit Blick auf die Integration in die EU die
Institutionen des Zentralstaats, wie das Parlament und den Ministerrat,
stärken und die Macht der Teilrepubliken einschränken sollte. Seither
verhinderte Dodik sogar eine von Polizeiexperten und der EU
vorgeschlagene Polizeireform.
Die internationale Gemeinschaft regierte mit Druck. Mehrmals drohte
Lajcak in den letzten Wochen an, die sogenannten Bonnpowers anzuwenden,
die es ihm ermöglichen, obstruktive Politiker abzusetzen und Gesetze zu
oktroyieren. Offenbar mit einer gewissen Wirkung. Am letzten Sonntag
erklärte sich Dodik bei einem Treffen mit den Parteiführern aus allen
Volksgruppen in Mostar bereit, eine Absichtserklärung über die
Polizeireform zu unterschreiben. Er distanzierte sich jedoch nicht von
der von serbischen Parteien geschürten nationalen Hysterie. Dodik
erhalte Rückenstärkung aus Belgrad und auch aus Moskau, hieß es aus
diplomatischen Quellen. Kostunica laviere zwischen der Perspektive EU
und einer Anbindung Serbiens an Rußland.
Extreme serbische Nationalisten fordern seit langem die Vereinigung der
serbischen Teilrepublik in Bosnien mit Serbien. Nach Umfragen zieht die
Mehrheit der serbischen Bevölkerung in Bosnien dabei mit. Die EU
Perspektive ist danach für sie weniger attraktiv als der Erhalt der
serbischen Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina.
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