Guatemala vor der Wahl: Ein General ballt die Faust
Bei der Stichwahl um die Präsidentschaft ist der Exmilitär Pérez Molina Favorit. Sein Slogan: "Harte Hand" gegen die Gewalt. Doch sein Wahlsieg könnte ein Schritt Rückschritt sein.
GUATEMALA-STADT taz Es geschah auf einem Parkplatz im Zentrum von Guatemala-Stadt. Aura Salazar und Valerio Castañón wollten gerade ins Auto steigen, da fuhr ein anderer Wagen vor. Der Mann auf dem Beifahrersitz zog eine Pistole, zielte und schoss. Aura Salazar brach tot zusammen. Es war einer von durchschnittlich zwölf Morden, die jeden Tag in Guatemala-Stadt begangen werden. Doch es war ein besonderer Mord: Die Frau, die am 8. Oktober um 7.30 Uhr auf dem Parkplatz starb, war die Privatsekretärin von Otto Pérez Molina, dem Favoriten bei der Stichwahl um die Präsidentschaft Guatemalas am kommenden Sonntag. Der General im Ruhestand wirbt mit nur einem Programmpunkt für sich: "Harte Hand" gegen das Verbrechen. Sein Signet: geballte Faust auf rotem Grund.
Der Mord an seiner Sekretärin war wie eine zusätzliche Wahlwerbung für Pérez. Am Tatort gab er eine Pressekonferenz und wusste auch, wer der Täter war: "Dahinter steckt die Drogenmafia." Und die finanziere seit über zehn Jahren seinen Gegner in der Stichwahl, den liberalen Textilunternehmer Álvaro Colóm. Beweise für seine Anschuldigung hat Pérez nicht. Aber das macht nichts. Es gibt genügend Guatemalteken, die so etwas für möglich halten. Und dass die Drogenmafia heftig mitmischt in der Politik und dabei nicht nur besticht, sondern auch schießt, das weiß jeder. Mehr als 50 Politiker wurden in den letzten Monaten ermordet - der blutigste Wahlkampf in der Geschichte Guatemalas.
Kandidat Colóm bewegt sich aus Angst vor einem Hinterhalt auf irgendeiner Landstraße nur im Helikopter von Veranstaltung zu Veranstaltung und hat immer einen Arzt dabei, der auf Schusswunden spezialisiert ist. Sein Wahlkampfleiter José Carlos Marroquín trat zwei Tage nach dem Mord an der Sekretärin von Pérez zurück - angeblich wegen Todesdrohungen.
Zwischen 60 und 90 Prozent des für die USA bestimmten kolumbianischen Kokains werden durch Mittelamerika geschleust. Guatemala mit seinem weiten und dünn besiedelten Hinterland hat dabei die Rolle eines Zwischenspeichers. Für die Kartelle war es leicht, sich Helfer unter Politikern, Militärs und Polizisten einzukaufen. Allein in diesem Jahr mussten zwei Polizeichefs zurücktreten, weil hohe Beamte bei blutigen Auseinandersetzungen zwischen Drogenkartellen mitgemischt hatten. In den vergangenen sechs Monaten wurden 2.244 Polizisten entlassen, weil sie an Morden, Entführungen oder Erpressungen beteiligt waren.
Bei der Parlaments- und Bürgermeisterwahl, die am 9. September zusammen mit der ersten Runde der Präsidentschaftswahl stattfand, hat die Drogenmafia zum ersten Mal richtig mitgemischt. Nie zuvor wurde so viel Geld für Wahlkampf ausgegeben, nie so viele Kandidaten gewaltsam aus dem Weg geräumt. Wie viele Mitglieder des neuen Parlaments von den Kartellen bezahlt werden, weiß niemand. Die Schätzungen schwanken zwischen 20 und 30 Prozent. Verdachtsmomente gibt es viele, Beweise keine.
In diesem Umfeld der Gewalt ist Pérez mit seiner "harten Hand" stetig in der Wählergunst gestiegen. Vor einem halben Jahr gaben ihm Umfragen um die 15 Prozent der Stimmen. Bei der ersten Wahlrunde landete er mit 23,5 Prozent hinter Colóm (28,2 Prozent) auf dem zweiten Platz. Kurz vor der Stichwahl liegt er in Umfragen zwischen zwei und neun Prozentpunkten vor seinem Gegner. Er hat angekündigt, er sei bereit, Bürgerrechte außer Kraft zu setzen, wenn dies der Verbrechensbekämpfung diene.
Das würde zu seiner Geschichte passen: Der 56-Jährige wurde in Panama an der "School of the Americas", der von den USA betriebenen Folterschule für lateinamerikanische Militärdiktatoren, ausgebildet. In den dunkelsten Jahren des Bürgerkriegs (1960 bis 1996) war er Militärchef in der Provinz Nebaj, wo die Armee mindestens drei Massaker an der Zivilbevölkerung anrichtete. Später war er Chef der gefürchteten Präsidentengarde und des militärischen Geheimdienstes. 2000 ging er in den Ruhestand, lässt sich aber immer noch gerne mit "General" ansprechen. Die "Patriotische Partei", für die er antritt, hat er selbst gegründet.
Der hagere Colóm wirkt gegen den bulligen Draufgänger blass und unsicher. Er verspricht ein bisschen Armutsbekämpfung, ein bisschen Bildung und vor allem "Hoffnung", denn so heißt seine Partei: "Nationale Einheit für die Hoffnung". Colóm will es allen recht machen, der ehemaligen Guerilla genauso wie dem Unternehmerverband. Mit dieser Unentschiedenheit hat er schon zwei Präsidentschaftswahlen verloren.
Auf dem Land ist Colóm beliebter als in den Städten, denn dort wütete im Krieg die Armee. 200.000 Menschen wurden ermordet; die allermeisten waren Zivilisten. Auf dem Land weiß man, was es bedeuten kann, wenn ein General eine "harte Hand" verspricht. In den Städten hat Pérez Populismus mehr Erfolg, denn dort ist die Kriminalitätsrate mehr als doppelt so hoch wie auf dem Land. Die Mehrheit der Guatemalteken lebt in Städten.
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