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Wer wird neuer "Spiegel"-Chef?Die neuen Austs

Stefan Aust muss gehen, das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" bleibt. Wer wird sein Nachfolger? Wir stellen schon ein paar mögliche Kandidaten vor.

Wie wird es mit dem Spiegel weitergehen? Bild: dpa

Der Softe

Während der Spiegel kaltschnäuzig auf dem Titel fragt: "Wohin mit Oma?", macht die Zeit unter Giovanni di Lorenzo ein einfühlsames Stück über die Alten in der Gesellschaft. Oder sie fragt sich, wie sich so ein gut verdienender Manager fühlt, wenn er jeden Morgen in einem anderen Bett wach wird. Alle Gesellschaftsbereiche werden von di Lorenzos Zeit umkuschelt, und damit hat er der Auflage leicht nach oben geholfen. Für den Spiegel wäre diese frauenmagazinige und quasi-scientologische Art des Themenangangs Gift. Aber di Lorenzo wäre die erste Frau im Amt.

Der Spaßige

Seine Freundin Rebecca Casati hat Frank Schirrmacher schon mal vorgeschickt - die schreibt in Mathias Matusseks Popjournalisten-WG über Erfahrungen mit dem zweiten Ich im Internet. Auch Schirrmacher, der die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit herausgibt, würde als Spiegel-Chefredakteur Spaß verheißen. Es gäbe dann Sondernummern zum Beispiel zur Frage, warum Tom Cruise der beste Schauspieler der Welt ist, lustige Booklets mit altdeutschen Wörtern drin und Leitartikel in Dolby-Surround.

Der Ressortleiter

Thomas Kleine-Brockhoff ist der erste Name, der fiel, als über Austs Nachfolger spekuliert wurde: Spiegel-Geschäftsführer Mario Frank soll ihn gefragt haben, ob er interessiert sei. Allerdings gibt es hier und da doch Verwunderung darüber: Männer mit Ressortleiter-Format hat der Spiegel selbst. Falls er es aber doch wird - hier ein paar einordnende Sätze von Spiegel Online über den früheren Zeit-Korrespondenten: "Er versteht jede Menge vom Basketball, weil er selbst gespielt hat, sogar international. Er sagt von sich, er sei so ein Typ wie Ethan Thomas gewesen: ein Berserker, ein Rackerer, kein Filigrantechniker. Ab und zu packt es ihn und dann spielt er im Turtle Park um die Ecke mit den schwarzen Jungs."

Der Mann mit Rückgrat

Gerd Rosenkranz, 57, Leiter Politik bei der Deutschen Umwelthilfe, verließ den Spiegel aus Protest gegen Stefan Aust in dem Moment, als er 2004 den Kisch-Preis verliehen bekommen hatte. Rosenkranz konnte seine Recherche-Ergebnisse als einer der führenden Ökologie-Journalisten nicht mit den Inhalten zusammenbringen, die Windkraft-Hasser Aust in der Titelgeschichte "Der Windmühlenwahn" hatte publizieren lassen. Tenor: Windenergie sei "subventionierte Landschaftszerstörung". Kurz vor Rosenkranz ging aus demselben Grund Kollege Harald Schumann. Beide hatten eine ganz andere Windkraft-Geschichte recherchiert, die Aust ablehnte. Ein historischer Sündenfall? Falls man das beim Spiegel auch so sieht, sollte man die Beiden als neue Doppelspitze zurückholen.

Die Intellektuelle

Franziska Augstein ist das Kind von Spiegel-Gründers Rudolf Augstein. Im Herrschaftssystem des Spiegels qualifiziert sie das zwar im Prinzip als Austs Nachfolgerin. Sie hat aber das falsche Geschlecht. Zudem müsste sie sich erst mit ihrem Bruder Jakob sortieren. Dass der eine Flasche Schampus köpfte, wenn seine Schwester und nicht er. . ., nicht alle beim Spiegel halten das für wahrscheinlich. Und: Vielleicht wäre ihr der Job eh zu geistlos.

Der Einzige

Mathias Müller von Blumencron, Chef von Spiegel Online, hat es als einer der wenigen geschafft, neben Aust ein eigenes journalistisches Profil zu entwickeln. Versöhnte Aust Fernsehen mit Print, ist nun das Internet die Herausforderung. Blumencron hat dafür gesorgt, dass der Spiegel heute das einzige Medium ist, das einen ernstzunehmenden Online-Ableger hat. Er hat verstanden, wie sich der Print-Journalismus unter dem Demokratisierungseffekt des Internet wandeln muss, um nicht den Anschluss zu verlieren. Blumencron ist zudem im Grunde das Gegenmodell zu Aust. Mit dem autokratischen Führungsstil, der aus der Redaktion einen mutlosen Haufen gemacht hat, kann er nichts anfangen. Intern würde der Spiegel also nach links rücken. Taktieren kann er offenbar auch: Über die Ablösung Austs hat Müller von Blumenkrons Spiegel Online vorsichtshalber nichts berichtet (siehe mehr zum Thema).

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2 Kommentare

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  • M
    mitleser

    von der taz hätte ich anderes erwartet. giovanni di lorenzo als "erste frau" - und erst die scientologen-nummer. ich bitte euch! was soll dieser billige scheiss? sind führungspersonen weicheier, wenn sie einen anderen stil pflegen, als den, der in dieser zeitung üblich ist? wobei auch dieser zeitung etwas mehr führung vielleicht eher gut tun würde um gewisse kultivierte umgangsformen untereinander zu etablieren! mit vorzüglichen grüßen!

  • TD
    Thomas Dapper

    Ganz großes Tennis! Die Personalie der Nach-Aust-Ära des journalistischen Flaggschiffes aus Hamburg wird hier so kenntnisreich beschrieben, dass die Vermutung erlaubt sein darf, einige KollegInnen aus dem Spiegel-Verlag verfügten über besonders gute Kontakte zur taz. Dürfte ich den Aust-Nachfolger mitwählen, erhielte meine Stimme mit Gerd Rosenkranz ein ehemaliger Redakteur der taz. Eine Nebensächlichkeit, die in Ihrer Beschreibung verschwiegen wird. Warum?