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Kommentar TarifstreitBahn frei - ohne Mehdorn

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Die Bahn müsste sich im Tarifstreit bewegen anstatt den Konflikt zu befeuern. Es wird Zeit, den Weg frei zu machen für eine neue Bahn-Kultur - ohne Konzernchef Mehdorn.

D er bisher größte Eisenbahnstreik in Deutschland ist vorbei. Verändert hat er erstaunlich wenig: Die Wirtschaft ist nicht zum Erliegen gekommen, und obwohl viele Züge ausgefallen sind, ist die Stimmung unter den Fahrgästen gut. Anders als vielfach erwartet genießen die Lokführer noch immer viele Sympathien. Überhaupt nicht verändert hat sich auch die Haltung der Bahn. Und das überrascht besonders. Denn eigentlich muss dem Bahn-Vorstand klar sein, dass er in diesen Konflikt nicht gewinnen kann.

taz

Malte Kreutzfeldt ist Leiter des Ressorts Ökologie und Wirtschaft bei der taz.

Die Gerichte haben den Lokführern das Streiken erlaubt. Die Mehrheit der Bevölkerung hält höhere Löhne für angemessen. Die von Bahn und Gewerkschaft gemeinsam eingesetzten Moderatoren haben das Anliegen der Lokführer im Wesentlichen unterstützt. Und die kämpferische Stimmung an der Basis garantiert, dass die Gewerkschaft keinesfalls nachgeben wird. In dieser Situation müsste sich die Bahn bewegen und alles versuchen, um einen Kompromiss zu erreichen.

Doch das Gegenteil passiert: Indem Bahn-Chef Hartmut Mehdorn die Gewerkschaft auf Schadenersatz verklagt, lässt er den Konflikt weiter eskalieren. Zudem versucht er mit ganzseitigen Zeitungsanzeigen, die Bevölkerung gegen die Lokführer-Gewerkschaft aufzuhetzen. Dass er darin die Bezahlung von Überstunden und mehr Geld bei längerer Arbeitszeit als großzügige Angebote preist, ist nicht nur unseriös, sondern bestärkt die Lokführer erst recht in ihrer Wut. Der Vorwurf, dass die Lokführer das ganze Land als Geisel nehmen, fällt auf Mehdorn zurück. Denn indem er sich weigert, einen Schritt auf die Lokführer zuzugehen, trägt vor allem er die Verantwortung dafür, wenn es in der nächsten Woche zu einem weiteren, möglicherweise unbefristeten Streik kommt.

Eine Lösung ist nur möglich, wenn die Bahn den Lokführern entgegenkommt und tatsächlich mehr Geld und mehr Rechte anbietet. Doch Nachgeben ist für Mehdorn ein Fremdwort. Schon bei der Bahn-Privatisierung hat er gezeigt, dass er auf Mehrheiten und Argumente keine Rücksicht nimmt, sondern stur an seinem Kurs festhält. Es wird Zeit, den Weg frei zu machen für eine neue Bahn-Kultur. Das geht nur ohne Mehdorn.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

2 Kommentare

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  • HR
    Heiner Rennings

    viel schlimmer als Mehdorn ist Herr Schell. Seine Forderungen sind nicht akzeptabel und als Persönlichkeit ist er unqualifiziert, eine derartige Verantwortung zu übernehmen. Wie der bisherige Verlauf und seine Kommentare belegen.

  • CG
    C. Gund

    Nachdem Piloten und Ärzte dieses vorexerziert haben, fordern nun auch die Lokomotivführer ihre Extrawurst. Die Entwicklung von Deutschland hin zu einem Land, in dem immer wieder einzelne Berufssparten das Land erpressen, wie wir das aus Frankreich kennen, halte ich für wenig erstrebenswert. Dem ist Einhalt zu gebieten. Es ist daher angebracht, die GDL jetzt ausbluten zu lassen, selbst wenn dies sehr schmerzhaft sein wird, anstatt bei den nächsten Tarifverhandlungen zusätzlich noch die Streiks der Stellwerkfahrer und des Wartungspersonals, die dann ebenfalls glauben werden, zu kurz gekommen zu sein, zu ertragen. Insofern kann ich im Gegensatz zu Herrn Kreutzfeld die Haltung von Herrn Mehdorn nur begrüßen. Darüber hinaus sollte jeder, der sich mit den Lokomotivführern solidarisiert, überlegen, woher nachher das Geld kommen wird, um die gesalzenen Lohnaufschläge zu bezahlen.