bummelstreik und erosion von WIGLAF DROSTE
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Eigentlich ist das Volk an allem schuld. Mitte September wurde es an die Wahlurnen getrommelt, und dann wählte es nicht richtig. Schon am Wahlabend ging das Gemeckere los über die schwierige Lage, in die das Volk die Politik gestürzt habe. Der Wähler als solcher sei zu dumm, man könne ihm die Verantwortung nicht länger überlassen. Da konnten sogar Brechts schon halb zu Tode zitierte Verse von 1953 noch einmal in Präzision und Gültigkeit strahlen: „Wäre es da / Nicht doch einfacher, die Regierung / Löste das Volk auf und / Wählte ein anderes?“

Dass es sich bei ihnen um gewählte Volksvertreter handelt, um Personal also, ist den arroganten Langeweilern, die sich zum Regieren anbieten, längst nicht mehr bewusst. Die designierten Vorgänger der künftigen Regierung ziehen sich pampig in ihre Privathöllen zurück, was ihnen nach- und hinterherrückt, ist eher drollig.

Franz Müntefering steht nach seinem Abschied als SPD-Vorsitzender plötzlich im Ruf, ich zitiere Mitglieder seiner Partei, „eine Lichtgestalt“ gewesen zu sein. Wenn Jupiter Staubsaugervertreter war, kommt das hin. Auch ein anderer großer Vorsitzender, der als Edmund bin Loden nach dem Himmel über Berlin griff, fühlte sich verschmäht und lief heulend wieder nach Hause, wo man ihn aber auch nicht vermisst. Die so genannten ersten, zweiten und dritten Reihen sind gähnend leer, und alles fragt sich bitterlich, wen man, und sei es mit Hängen und Würgen, noch ins Rennen schicken könnte.

Das Personal, das sich selbst großtuerisch „die politische Klasse“ nennt, ist in einer Mischung aus Erosion und Bummelstreik zu erleben. Die muffige, leberwurstige Beleidigtheit, mit der die eigene Unfähigkeit auf die Wähler geschoben werden soll, auf Leute, die so unglaublich großmütig waren, sich für das angebotene Flaschenpfand überhaupt noch zu interessieren, kann nur als Entlassungsgesuch betrachtet werden.

Auch die künftige Opposition ist so beschaffen, dass sie gleich wieder mitmachen könnte. Der Grüne Bütikofer stellt sich öffentlich vor Mikrofone und versucht, einen deutschen Satz zu sprechen. Er sagt „Äääh … äääh … äääh“, mehr kann er einfach nicht. Zu was, außer zum Chefredakteur vielleicht, taugt der Mann? Es ist schon lustig, dass die Grünen, einst auch wegen der Berufsverbotepolitik gegründet, durch ihr Personal Berufsverbote sinnvoll erscheinen lassen.

Zurück in die Zukunft: Unsere stark nach Hosenträger klingenden „Hoffnungsträger“ lassen sich schwerfällig und halb abwehrend zum Jagen tragen. Alles, was dem Volk seit Jahren gehirnwäscheartig vorgeworfen wird – dass es nämlich immerzu jammere, nicht arbeite, im Gegenteil sogar sich bediene und dabei auch noch Ansprüche stelle –, gilt im Gegenteil für die politische Luschenriege und ihre meutejournalistischen Hetzer.

Wie jeder Erkenntnis wohnt auch dieser etwas Befreiendes inne: Man muss sich die Namen all der Kandidaten, mit denen man beworfen wird, nun wirklich nicht mehr merken. Ihre Halbwertszeit ist zu gering, und das Leben ist viel zu schön, um es mit den Personalien von Leuten voll zu stopfen, an die sich schon morgen zu Recht niemand mehr erinnert.