die wahrheit: Denkmal mit Kotzsockel

"Die letzten Zeichnungen" von F. K. Waechter. Eine Ausstellung in Frankfurt am Main.

"Hört endlich auf, zu behaupten, F. K. Waechter sei tot. Es ist einfach nicht wahr." So steht es im Gästebuch zur Ausstellung der "letzten Zeichnungen" in Frankfurt am Main. In diesem November wäre der große Künstler siebzig Jahre alt geworden, und die Ausstellungsmacher der Caricatura präsentieren im Historischen Museum seine Zeichnungen, Cartoons und Bildergeschichten aus den vergangenen acht Jahren.

In dem kleinen muffigen Museumsraum öffnet sich dem Betrachter Waechters unendlich große Welt aus kühnen Strichen, Collagen und holzschnittartigen Bildgeschichten. Da ist die Serie mit dem lamentierenden Schwein "Ebi Eberle", die Waechter für das FAZ-Magazin schuf. Auf einem Bild steht Eberle grinsend und gebückt hinter einem Tisch, auf dem eine geöffnete Weinflasche steht. Die Hose hängt dem Schwein ziemlich herunter und auch sonst scheint Eberle etwas derangiert. "Sie wollen wissen, wie ich die Flasche entkorkt habe?", fragt die Sau mit Waechters unverwechselbaren Schriftzügen. Vom Eberlehintern Richtung Bildrand ringelt sich ein Korkenzieherschwänzchen. "Praktisch, gelt?"

Komisch ist auch das Bild eines Künstlers in Schwarzweiß, der sich ziemlich verrenkt, um mit zwei rosafarbenen Stiften gleichzeitig eine nackte Frau um sich herum zu zeichnen. "Mit zunehmendem Alter erschien mir das zweihändige Zeichnen immer notwendiger", steht darüber.

Aber längst nicht alle ausgestellten Zeichnungen sind lustig. Der Tod taucht oft auf. Und im "Höllenhund"-Titelmotiv, das die Ausstellungsmacher als Plakat gewählt haben, sieht man, gerade noch so erkennbar, einen Menschen mit weit von sich gestreckten Armen auf einem Bein schwankend, vor einer riesigen schwarzen Fläche, die im Begriff ist, den Menschen völlig zu verschlucken.

Kaum vorstellbar, wie Waechter am Ende noch die Kraft hatte, gleichzeitig so viel Schönes und Leichtes zu schaffen. Da ist das zum Träumen schöne Bilderbuch "Vollmond", und da sind die Bildgeschichten seiner Theaterstücke "Steinhauers Fuß" und "Prinz Hamlet", die bei Diogenes erschienen sind. "Prinz Hamlet" besteht aus Collagen, die man stundenlang betrachten und bewundern kann. Ein Kasper und ein Teddybär bewegen sich durch die Geschichte, während Tapetenstücke, Schnipsel, Paketpapier und alles mögliche andere im Hintergrund kunstvoll zusammenfindet.

"Ich bin der Größte", hieß Waechters erstes Buch, das 1966 erschien. Seitdem erschienen Bücher, Illustrationen, Theaterstücke und Opern, die immer wieder Staunen hervorriefen über den Erfindungsreichtum, die Fantasie und die Schaffenskraft dieses Zeichners. Bei vielen seiner Bilder ist es müßig, darüber zu grübeln, ob sie nun für Kinder oder Erwachsene gemacht wurden. Jeder kann sich an Waechters Kunst erfreuen.

Wie wäre es mit dem Denkmalentwurf des Künstlers? Zu sehen: Ein Mann, der recht elegant mit ausgestreckten Armen über den Straßen einer Stadt fliegt. Doch aus seinem Mund ergießt sich eine gewaltige Kotz-Fontäne, die bis zum Boden reicht, wo sie eine Art Sockel bildet. So scheint der Mann eher festgemacht an der Spitze des eigenen Brechbergs. Als Inschrift für dieses Denkmal schlägt Waechter vor: "Ein Traum war wahr, Ernst Kullmann konnte fliegen. Doch Ernst vertrug das Fliegen nicht."

F. K. Waechter hat die komische Kunst immer weiterentwickelt. Hat sein literarisches und bildnerisches Können zusammengebracht. So wurden Cartoons zu Stücken und Theatertexte wiederum zu Bildgeschichten. Gemeinsam mit F. W. Bernstein und Robert Gernhardt verfasste Waechter die berühmte Kolumne "WimS - Welt im Spiegel" für die Satirezeitschrift Pardon. Mit dem Buch "Die Wahrheit über Arnold Hau" wurden die drei bekannt. Als 1979 das neue Satiremagazin Titanic ausgeheckt wurde, gehörte Waechter selbstverständlich zu den Mitgründern. Dort zeigte er fortan der gesamten Zunft, was wahre Zeichenkunst sein kann. Zum Beispiel, dass Witze ohne Worte nicht der Gipfel der Komikproduktion sein müssen, sondern Cartoons und Bildgeschichten gewinnen können, wenn sie mit Sprachwitz kombiniert werden.

Bald müssen die Schätze der Waechterschen Kunst nicht mehr im historischen Museumsbunker gezeigt werden. Das neue Museum im Frankfurter Leinwandhaus nimmt unter der Regie des Caricatura-Chefs Achim Frenz langsam Gestalt an. Dort wird man Waechters großartige Kunst dauerhaft betrachten können. Und wer Augen hat, der wird sehen, dass F. K. Waechter lebt. MATTHIAS THIEME

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