piwik no script img

E-Book-Reader für Buch und ZeitungAmazon setzt auf elektrisches Lesen

Nach langer Entwicklung bringt Amazon ein Lesegerät namens "Kindle" heraus. Der E-Commerce-Riese hat genug Marktmacht, so etwas durchzusetzen - und bietet sogar Zeitungsabos an.

Bald Schluss mit Schleppen und Packen? Bild: dpa

BERLIN taz Seit Monaten schon geistern Gerüchte durch das Internet, dass Amazon, größter E-Commerce-Anbieter der Welt und seit längerem eine enorme Macht im Buchmarkt, ein eigenes Lesegerät für elektronische Bücher auf den Markt bringen will. Inzwischen steht der Ankündigungstermin endlich fest: Am heutigen Montag soll das kleine Gadget, "Kindle" genannt, im noblen New Yorker "W"-Hotel vorgestellt werden, melden renommierte US-Medien. Amazon-Firmenchef und Internet-Pionier Jeff Bezos soll vor Ort sein und die Einführung persönlich übernehmen.

Der Name des E-Book-Readers ist dabei Programm: "Kindle" bedeutet auf Deutsch so viel wie "Anzünden" oder auch "Anfachen". Ein Anfachen und Anzünden hat der Markt für elektronische Bücher auch bitter nötig. Zwar verkaufen sich Titel im PDF-Format, die dann direkt auf Desktop-PC oder Laptop gelesen werden können, besonders im Fachbuchsegment immer besser (siehe "frühere Artikel" in der rechten Spalte). Doch der eigentliche Traum vom elektronischen Buch, das man überall hin mitnehmen kann und das Druckwerken nur wenig nachsteht, hat sich trotz zahlreicher Versuche noch längst nicht erfüllt.

Dabei ist die Technologie langsam da, wo sie sein sollte: So genannte elektronische Tinte, "E-Ink" genannt, gestattet ein angenehmes, von der Schärfe her papiernahes Leseerlebnis. Die Geräte sind inzwischen sehr kompakt und haben eine akzeptable Akkuleistung. Aktuelle Flash-Speichertechnik gestattet es zudem, hunderte Werke in der Westentasche zu transportieren. Die Spezifikationen des "Kindle", die bereits durchgesickert sind und in Newsweek und Wall Street Journal vorab publiziert wurden, klingen denn auch interessant. Das 400 Dollar teure Gerät ist so groß wie ein Paperback, bringt einen 6-Zoll-Bildschirm in E-Ink-Technik mit, fasst ohne zusätzliche Speicherkarte bereits 200 Bücher, bietet eine Tastatureingabe und kann Lesestoff nicht nur per WLAN empfangen, sondern auch über das Mobilfunknetz EVDO, das in den USA in städtischen Regionen schneller Daten übertragen kann als UMTS in Europa. Und: Der eingebaute Akku des "Kindle" soll bis zu 30 Stunden durchhalten.

Doch diese technischen Raffinessen werden wohl kaum viele Nutzer anlocken - sind sie doch in ähnlicher Form bereits zumindest zum Teil bei der Konkurrenz wie Sonys "Reader" zu haben. Viel wichtiger ist das Inhalteangebot, das bislang immer der Pferdefuß der E-Book-Branche war. Hier hat Amazon wegen seiner guten Verbindungen zu Verlagen und Vertrieben gute Chancen, von Anfang an mit einem ordentlichen Portfolio aufzutreten - allerdings anfangs nur in den USA. Laut Newsweek werden vom Start weg fast 90.000 Titel angeboten, die mit 10 Dollar recht preisgünstig sind. Der Einkauf der Bücher erfolgt direkt auf dem Gerät, ein PC ist nicht notwendig. Dank der Tastatur kann man gekaute Titel auch gleich bewerten und sich neue Empfehlungen holen.

Amazon-Chef Jeff Bezos und sein "Kindle". Bild: ap

Neben den Büchern will Amazon auch Zeitungen auf das Gerät bringen - es soll so zu einer Art Allzweckunterhaltungswaffe für den modernen Pendler werden. Verträge wurden mindestens mit der New York Times, dem Wall Street Journal, der Washington Post und der Le Monde geschlossen - es könnten aber noch deutlich mehr Verlage sein, die auf den "Kindle" drängen. Auch einige Magazine sollen angeboten werden, darunter The Atlantic. Aber auch Unterhaltungs- und Fachzeitschriften könnten auf dem Gerät landen - es hat allerdings nur einen Schwarzweiß-Bildschirm mit vier Graustufen, was bunte Blätter unattraktiv macht.

Zusätzlich werden Internet-Dienste unterstützt - so kann man vom "Kindle" aus etwa in Wikipedia oder Google nachschlagen und Weblogs abonnieren. Amazon-Chef Bezos sagte der Newsweek, das Unternehmen E-Book sei "die wichtigste Sache, die wir je getan haben". Es sei enorm ambitioniert, so eine derart fortgeschrittene Kulturtechnik wie das Buch zu nehmen und es zu verbessern. "Und vielleicht ändern wir ja auch die Art, wie die Leute lesen." Ob dies gelingt, hängt nicht zuletzt von der Benutzerfreundlichkeit ab - so ärgerten sich viele Nutzer bei E-Books zuletzt mit unterschiedlichsten, inkompatiblen Kopierschutzformaten herum. Wie offen Amazon hier sein wird, ist bislang unklar.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!