Nach Motorrad-Kollision mit Polizeiauto: Schwere Krawalle in Pariser Vorort

Autos in Brand, Polizeistationen verwüstet, viele Verletzte: Nach dem Tod zweier Jugendlicher ist es im Pariser Vorort Villiers-le-Bel zu Ausschreitungen gekommen.

Ausgebrannt: Autos nach Krawallen in Villiers-le-Bel Bild: rtr

PARIS taz Déjà-vu in der nördlichen Banlieue von Paris: Nach einem Zusammenstoß zwischen einem Polizeiwagen und einem Mini-Motorrad, bei dem am späten Sonntagnachmittag ein 15- und ein 16-jähriger Junge ums Leben kamen, wüteten in der Nacht zu Montag hunderte von Jugendlichen stundenlang in Villiers-le-Bel und den Nachbargemeinden. Am Morgen danach kehrten gestern Müllmänner die Scherben vor mehreren Dutzend zerstörten Geschäften und Restaurants zusammen. Die Polizei zählte 25 Verletzte in ihren Reihen sowie eine ausgebrannte und eine zertrümmerte Wache. Dutzende Autos, Mülltonnen, Bushaltestellen und anderes städtisches Mobiliar waren verbrannt. Gestern Nachmittag suchte Innenministerin Michèle Alliot-Marie ein Gespräch mit Angehörigen der Toten, die beide aus Einwandererfamilien stammten. Unterdessen nahm die Polizei Ermittlungen wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung und unterlassene Hilfeleistung auf.

Über das, was am Sonntagnachmittag im Zentrum einer "heißen Cité" von Villiers-le-Bel geschehen ist, erklärt der zuständige Polizeipräfekt, dass der Streifenwagen mit 40 bis 50 Stundenkilometern und ohne Sirene unterwegs war, als es zu dem Zusammenstoß mit der Kawasaki-Mini-Cross kam. Keiner der beiden Motorradfahrer trug einen Helm. Beide starben am Unfallort. Anwohner erklärten, die Polizisten hätten nicht einmal versucht, den beiden Jugendlichen Hilfe zu leisten.

Nach sämtlichen Darstellungen war der Schauplatz schon wenige Momente nach dem Unfall von Jugendlichen und Anwohnern umzingelt und es kam zu Anschuldigungen gegen die Polizisten. Zweieinhalb Stunden später beobachten Journalisten 100 Jugendliche, die sich in 300 Meter Entfernung von der Unfallstelle versammeln: fast alle sind maskiert, viele haben Stangen, Bretter, Tränengas oder Flaschen dabei. Die "extrem Aggressiven" vertreiben die Journalisten und bewegen sich in Kleingruppen auf den nächstgelegenen S-Bahnhof zu. Sie skandieren "Mörder" und "Hurensöhne".

Nach den Jugendunruhen vom Herbst 2005 sind die Banlieues nie zur Ruhe gekommen. Im letzten Jahr zählte das "Observatoire de la Délinquance" 44.157 verbrannte Autos - mehrheitlich in der Banlieue. Im Frühling und Herbst 2007 kam es mehrfach zu stundenlangen Schlachten zwischen Jugendbanden und Polizei am Pariser Nordbahnhof. Im Oktober wüteten Jugendliche nächtelang in dem lothringischen Ort St-Dizier.

Ein Zusammenschluss von - rechten und linken - Bürgermeistern aus städtischen Problemzonen bemängelte Ende Oktober, dass der 2005 vom damaligen Innenminister Nicolas Sarkozy angekündigte "Marshallplan für die Banlieue" bis heute auf sich warten lasse. Der staatliche Rechnungshof zog in seinem Banlieue-Bericht im Oktober eine bittere Bilanz über die finanziell und politisch schwach ausgestattete Stadtpolitik. "Ihre Effizienz ist ungewiss."

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