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Fernsehpreis BambiEin Medienfürst hält Hof

Die Bambis wurden verliehen - Hubert Burdas Medienpreise. Tom Cruise hielt eine groteske Rede, Frank Schirrmacher erging sich in Neonationalismus. Wir blicken zurück auf ein bizarres TV-Ereignis.

Danke, Hubsi Burda! Selbst Scientology-Thetan Tom Cruise ist Teil der glücklichen Bambifamilie. Bild: reuters

A llein die Deutsche Presse-Agentur schickte - allein am Donnerstagabend - zwei Dutzend Texte von der Bambi-Verleihung über die Nachrichtenticker. 5,87 Millionen Zuschauer (Marktanteil: 20,5 Prozent) sahen zu, als die ARD am Donnerstag von 20.15 Uhr an die Verleihung des Fernsehpreises Bambi in Düsseldorf übertrug, der seit 1948 vergeben wird. Sie hatten teil an einem bemerkenswerten Fernsehereignis, moderiert von Harald Schmidt, dem man viel zugutehalten kann - aber irgendwann ist echt mal Schluss.

Eine Nachlese in drei Teilen.

Erstens: Frank Schirrmacher zieht eine Art Schlussstrich.

Tränenreich und kitschig war es die ganze Zeit gewesen: Als Henry Maske den Preis für das beste Comeback bekam und noch einmal seiner Abschieds-Hymne "Time To Say Goodbye" lauschen durfte, live gesungen von Sarah Brightman und Andrea Bocelli. Als die Ärzte den Bambi erhielten, die sich für verletzte Kinder in Afghanistan einsetzen. Als schließlich der juristisch bis in die höchsten Gerichte umkämpfte Contergan-Film ausgezeichnet wurde. Doch dann kam FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher und setzte auf den Kitsch und die Tränen noch seinen Neonationalismus mit Tendenz zum Schlussstrich unter die NS-Vergangenheit - eine Kombination, die wir aus seiner Lobeshymne für den Schriftsteller Martin Walser in der Paulskirche irgendwann im letzten Jahrtausend schon kennen.

Schirrmachers Werkzeug war dieses Mal - wie vor kurzem in einem langen Feuilletontext - der Scientology-Thetan Tom Cruise, der in Berlin den ebenfalls nicht besonders demokratisch motivierten Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg spielte. In einem Film wohlgemerkt, der noch gar nicht angelaufen ist, von Schirrmacher aber schon jetzt als endgültiger Schlussstein für das Ende des international schlechten Rufs der Deutschen wegen Holocaust und Weltkrieg gepriesen wurde. Weshalb Cruise auch gleich einen Bambi wegen besonderen Mutes, "Courage" genannt, erhielt.

Der Gepriesene bedankte sich dafür in einer langen, ausgesprochen wirren und gleichwohl offenbar auswendig gelernten Rede - und krönte seine Ansprache mit den letzten Worten Graf Stauffenbergs unmittelbar vor dessen Erschießung im Berliner Bendlerblock am 20. Juli 1944: "Es lebe das heilige Deutschland!" PHILIPP GESSLER

Zweitens: Die ARD wirbt stundenlang für Professor Doktor Hubert Burda nebst Gattin.

War da mal was? Angepisst war Zeitschriftenverlegerpräsident Hubert Burda von den geplanten Aktivitäten der ARD im Internet. Den "Bestand einer freien und vielfältigen Presse" sah man gefährdet, Tischtücher wurden zerschnitten. Aber die ARD ist nicht nachtragend, und so durften sich Krethi und Plethi wieder zur besten Sendezeit im Ersten ganz herzlich bei "Professor Burda" mit für die nette Sause ums herzige Rehlein bedanken. Ein Medienfürst hielt Hof.

Nur ein paar ganz Mutige auf der Bühne dankten bloß dem "Doktor Burda". Dafür hatte das Protokoll einigen bemitleidenswerten Gestalten noch einen Extradank an Bunte-Chefredakteurin Patricia Riekel (Burda Verlag) verordnet. Brrrr. Der Rest war Burda-Werbung, mehr als 60 Minuten Überziehung inklusive, über drei Stunden: Burda, Burda, Burda. Mit dem Konzernherrn als gütigem Little-Grinse-Buddha mittendrin. Als dann auch noch der Zuschauer-Bambi an Burdas Gattin Maria Furtwängler für "Die Flucht" ging, blieb nur selbige. Doch lange klangs im Tale noch: Hubsi Burda lebe hoch! STEFFEN GRIMBERG

Drittens: Sabine Christiansen reagiert erstmals kritisch.

Laut dpa trat Gudrun Landgrebe auf dem roten Teppich auf Sabine Christiansens Kleid. Die reagierte erstmals in ihrer Karriere kritisch: "Jetzt ist es durch. Dankeschön!" Bei der After-Show-Party trat Frauke Ludowig noch einmal auf Christiansens Kleid. Gut gemacht. KLAUS RAAB

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11 Kommentare

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  • A
    Albrecht

    Kommentar zur Bambi-Verleihung in der Kategorie Mut an Tom Cruise von einer Scientology-Aussteigerin (8-jährige Zugehörigkeit):

     

    Deutschland lässt sich vorführen und bedankt sich mit 48 Mio. Filmförderung aus Steuergeldern, einem Bambi und "standing ovations" für die Belehrung in Sachen Bürgerrechten durch einen Aktivisten einer totalitären Ideologie-Bewegung, deren Gründer gemäß eigener Aussagen (s. belegte Zitate im Internet) es als ideal ansah, nur nicht-aberrierten Menschen - sprich: auditierten Scientologen, Bürgerrechte zu gewähren!

     

    Tom Cruise, hoher Scientology-Propagandist (OT VII) und Ehrenpatron (1 Mio. US-$ Spende an die sog. Scientology-"Kriegskasse"), bestand darauf, Stauffenberg in Deutschland zu drehen, um Widerstand gegen die Verfolgung religiöser Minderheiten im heutigen Deutschland demonstrieren zu können, das von der Scientology-Zentrale in USA wegen Nichtanerkennung als Religion mit Hitler-Deutschland verglichen wird. ?

    Hier ist jedoch Cruise der Vertreter einer totalitären Ideologie-Bewegung und unsere Regierung die eigentliche Widerstandskämpferin, die einen Preis für Mut verdient, als wehrhafte Demokratie, trotz Vorwürfen, man sei gegen Religionsfreiheit, diese im Jahre 1954 aus purem Opportunismus gegründete Zweck-Kirche (s. Internet) zu enttarnen. ?

    Anstatt Cruise für seinen Mut (oder eher Sektenfanatismus?), den Film trotz Protesten gedreht zu haben, zu ehren, hätte man sich auch intensiv über die Gründe dieser Proteste informieren sollen. Das Internet beinhaltet Eidesstattliche Erklärungen von Sektenaussteigern und sehr gute Recherchen, die ernst genommen werden müssen, wenn vermieden werden soll, dass hochrangige Meinungsträger unserer Gesellschaft sich aufgrund mangelnden Wissens zu Fürsprechern für Aktivisten einer totalitären Ideologie-Bewegung machen.

     

    Außerdem: Wenn es Mut bedeutet, sich des Themas Stauffenberg anzunehmen und diesen zu spielen, warum hat denn nicht Sebastian Koch, Hauptdarsteller des deutschen TV-Films "Stauffenberg" aus dem Jahre 2004 (Regisseur Jo Baier), einen Bambi für die gleiche Heldentat erhalten? - Dieser Film von Dr. Jo Baier ist übrigens in meinen Augen sowohl für das Drehbuch, die Regie und hervorragende schauspielerische Leistungen Oscar-reif. -

  • CP
    C. Polke

    Zunächst habe ich leider die taz-Ausgabe verpasst, in der unmittelbar und kritisch auf diesen furchtbaren Bambi-Abend reagiert wurde. Wie schön, dass ich jetzt noch etwas passendes gefunden habe.

     

    Was sich Frank Schirrmacher da geleistet hat, ist ein starkes Stück. Propaganda pur, genau so funktioniert sie, und genau auf diese Propaganda hat Tom Cruise reagieren können und natürlich wirkt das wie Werbung für seine Sekte. Er sprach von Religionsfreiheit - Scientology ist aber keine Religion. Der Abend hat bestimmt so einige Tatsachen verwischt.

    Schön, dass auch jemandem aufgefallen ist, was es für ein Nonsens ist, einen Preis für einen noch nicht gezeigten Film zu verleihen. Der Trailer zum Film ist jedenfalls schon peinlich. Und jetzt ist man schon couragiert, wenn man durchsetzt an Originalschauplätzen einen Nazi-Blockbuster zu drehen.

    Vermutlich hat Tom Cruise einen Preis bekommen, weil er während der Dreharbeiten in Deutschland mit den richtigen Leuten essen war. Traurig alles.

     

    Mitdenken ist immer erlaubt.

  • R
    R.König

    Amen!

     

    Lassen wie doch einfach unsere kritische Nörgelei und bewundert aus dem Schatten (und aus der Untersicht) diese glänze Medienwelt, die sich mit inhaltleeren Preisen lobhudelt und eine Gutmenscherei feiert, bei der mir ehrlich gesagt die Kalle hockommt! Frau Furtwängler bekommt regelmässig Preise von ihren Angestellten, das kent man schon.. Und mit Cruise feiert diese selbsternannte "Elie" sich gern als das bessere Deutschland das abseits der 68er gern Nationalismus aufpoliert...

     

    Wir werden noch öfter solch wunderschöne Veranstaltungen ertragen müssen, aber nörgeln sollte erlaubt sein!

  • D
    David-Christopher

    Man kann uns Deutsche einfach nicht zufrieden stellen. Ein Volk von ewigen Nörglern und Besserwissern. Eine unausstehliche Arroganz, welche mich anwidert.

    Kann man Tom Cruise nicht einfach als Schauspieler sehen und auch beurteilen. Die Sichtweise ist gar nicht so tiefgründig. Er spielt einen Helden in einer schlimmen Zeit. Das Stauffenberg kein perfekter Mensch war ist doch klar...aber unter der ganzen Nazis war er doch noch ein großer Lichtblick, oder sollen wir ihn wegen seiner antidemokratischen Einstellung auch noch schlecht machen? Sind denn die Kritiker bessere Menschen, hätten sie ihr Leben riskiert?

    Ich versteh die heftige Kritik an Tom Cruise und Frank Schirrmacher überhaupt nicht. Kümmert euch doch lieber um wirklich schlechte Menschen und kritisiert fair.

    Was war überhaupt wirr an seiner Rede?

    Ich schlage vor, dass man den Film einfach ansieht und sich nicht allzuviele Gedanken macht über Scientology.

    Tom Cruise war doch ein netter Gast. Er hat uns doch einen Gefallen getan. Er wird doch das Interesse der Menschen vielleicht an der Geschichte des Widerstands wecken. Ausserdem freue ich mich auf Popcorn und Kino im Sommer, das ist alles ihr ewigen Nörgler. Kann man euch überhaupt zufriedenstellen?

  • CS
    Carlo Sartorius

    Zu der Veranstaltung und dem Kommentar kann man unterschiedliche Auffassungen haben. Einige Punkte halte ich für treffend beobachtet. Leicht dümmlich ist aber der Satz, der Tom Cruise Dankesrede als offenbar auswendig gelernt bezeichnet. Ein Rede wird nämlich ganz in der Regel nicht aus dem Stehgreif gehalten. Natürlich kann man mal ein paar Worte des Dankes aus dem Stehgreif finden. Da endet aber die Redekunst bei den meisten Menschen mit dem Intelligenzniveau eines durchschnittlichen Journalisten. Der Kommentar hätte vielleicht lauten sollen, Tom Cruise habe seine Dankesrede glänzend, seine Überlegenheit fast zur Schau stellend vorgetragen.Ich hätte auch verstanden, wenn Sie an Herrn Cruise Geisteszustand gezweifelt hätten, oder eine sonstige Beobachtung zu diesem Thema gemacht hätten. Herr Cruise hielt seine Dankesrede meines Erachtens in einer Form, die an inteellektuelle, fast herabsetzende Arroganz grenzte. Versuchen Sie mal unter ihren Mitarbeitern einen zu finden, der die Dankesrede des Herrn Cruise hält. Das ist eine kleine intellektuelle Übung, die nicht schaden kann. Das Ergebnis wird ihre Sichtweise von Dankesreden, so vermute ich, ändern.

  • RE
    Rainer E. klemke

    Es ist nahezu unglaublich, dass Burda Tom Cruise einen "Courage"-Preis verleiht, weil dieser als Schauspieler und Produzent mindestens 50 Mio. an einem Film verdient und öffentlich für Scientologie Reklame machen darf. Noch unglaublicher ist es, dass Herr Schirrmacher von der FAZ sich als Laudator für diese Farce hergibt und daher schwätzt, dass "Cruise Stauffenberg sein Gesicht gegeben hat". Dieser wird sich dafür im Grabe umdrehen!

    Richtig ist, dass Stauffenberg Deutschland sein Gesicht gegeben hat und dafür sein Leben gelassen. Er und die Welt braucht nicht das Gesicht von Herrn Cruise!

  • PG
    Peter Gabriel

    ...dann war`s wohl zu lang. Das Kleid. Von Frau Burda. ;)

  • P
    Philipp

    Wunderbar

  • ES
    Ernst Steinberger

    Als Scientologe perfekte Besetzung für Stauffenberg

     

    Das FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher die Laudatio auf Tom Cruise als Dank für dessen Entscheidung, Graf Stauffenberg sein Gesicht zu leihen, hält, outet ihn als potentiellen Anhänger diktatorischer Regime.

     

    Als Scientologe scheint Tom Cruise die perfekte Besetzung für Stauffenberg. Zahlreiche Kritiker im deutschsprachigen Raum werfen Scientology die Verbreitung einer totalitären Ideologie mit antidemokratischer Stoßrichtung vor. War das nur eine Rolle die Tom Cruise spielte oder identifiziert sich der Scientologe inzwischen wirklich mit einem deutschen Wehrmachtoffizier? Sein Auftritt anlässlich der Bambi Verleihung lässt dies vermuten. Und ist die Entscheidung, Cruise den Bambi für Mut zu verleihen, eine mutige Entscheidung oder nicht vielmehr ein billiger Versuch einer unstatthaften Rehabilitation? Viele der Verschwörer hatten Hitlers Machtergreifung etwa als Mitglieder der reaktionären Harzburger Front unterstützt und ihnen schwebte keineswegs eine parlamentarische Demokratie vor. Erst angesichts der abzusehenden Niederlage bekamen die Stauffenbergs & Co 1944 plötzlich Gewissensbisse, wohl, da sie eine Bestrafung befürchteten. Im besten Fall versuchten sie zu retten, was zu retten war.

     

    Claus Schenk Graf von Stauffenberg schrieb noch am Anfang Kriegs in einem Brief an seine Frau Nina aus dem 1939 durch die Wehrmacht besetzten Polen: "Die Bevölkerung ist ein unglaublicher Pöbel, sehr viele Juden und sehr viel Mischvolk. Ein Volk, welches sich nur unter der Knute wohlfühlt. Die Tausenden von Gefangenen werden unserer Landwirtschaft recht gut tun."

     

    Der Großteil der Verschwörer lehnte die parlamentarische Demokratie ab, so auch Stauffenberg. Andererseits forderte er die Aufnahme von Sozialdemokraten in die neu zu bildende Regierung. Stauffenberg schwebte also ein politisches diktatorisches System ähnlich dem der DDR vor, nur dass freilich in Stauffenbergs Welt nicht den Konservativen die Blockflöten Rolle zugekommen wäre, sondern den Sozialdemokraten.

  • K
    karinsmann

    Was der Fürst kann, darf der Ochse noch lange nicht.

  • VD
    vom dorp

    vielen dank für ihren artikel über des königs neue

    kleider und das durstige, nach liebe und anerkennung hechelnde gehabe seiner hofnarren.

    wie man sah hat deutschland seine zukunft bereits hinter sich.

    es lebe die revolution (des geldes).

    ein verehrer ihrer hoffentlich noch lang währenden unabhängigkeit.