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Kosovo im SicherheitsratEU verzweifelt an Serbien

Der UN-Sicherheitsrat diskutiert über Kosovos Zukunft. Belgrad bleibt stur. Die Blockade stärkt Serbiens Nationalisten. Sollten die bei den Wahlen im Januar siegen, droht wieder Krieg.

Auch Demonstranten für ein unabhängiges Kosovo heizen die Stimmung auf. Bild: dpa

SARAJEVO taz Wenn am Mittwoch der UN-Sicherheitsrat in New York über den künftigen Status des Kosovo debattiert, werden festgezurrte Positionen aufeinanderprallen. Russland lehnt als Verbündeter der serbischen Regierung in Belgrad eine Unabhängigkeit des Kosovo ab und möchte trotz 18-monatigem Verhandlungsmarathon weitere Gespräche zwischen den Konfliktparteien. Die USA und die Mehrheit der EU jedoch glauben, dass zwischen Albanern und Serben alles gesagt ist und eine Unabhängigkeitserklärung der Kosovo-Albaner unausweichlich ist.

Die EU versucht momentan verzweifelt, Serbien zum Einlenken zu bewegen, damit es doch dem vorliegenden Plan des UN-Vermittlers Martti Ahtisaari einer von der EU überwachten Unabhängigkeit des Kosovo zustimmt. Am letzten Freitag stellten die EU-Außenminister Serbien beschleunigte Verhandlungen in Aussicht, die über die Ratifizierung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens hinausgehen sollen. Unter der Hand soll sogar die bisherige Bedingung weggefallen sein, die beiden noch vom UN-Jugoslawien-Tribunal gesuchten Kriegsverbrecher Radovan Karadþic und Ratko Mladic auszuliefern.

"Es ist schon zum Verzweifeln", bekannte ein hoher westlicher Diplomat, "die serbische Führung will nicht sehen, was sie da auf dem Tablett serviert bekommt. Miloðevic schlug schon 1999 das Verhandlungsangebot in Rambouillet aus und hätte damals nur einer erweiterten Autonomie des Kosovo zustimmen müssen. Die Zeiten haben sich nach der Nato-Intervention und dem Aufbau der UN-Mission im Kosovo geändert. Heute kann Belgrad keine erweiterte Autonomie mehr für Kosovo fordern, sondern muss dem Ahtisaari-Plan zustimmen, der immerhin der serbischen Minderheit viele Privilegien bietet. Mehr als Ahtisaari ist nicht drin."

Am gleichen Freitag gaben die EU-Außenminister grünes Licht für die im Ahtisaari-Plan geforderte, von Russland aber als "illegal" bezeichnete EU-Polizeimission im Kosovo. 1.800 EU-Polizisten, Verwaltungsexperten und Berater warten schon auf ihren Einsatz. Nur wenige Stellen sind noch unbesetzt. Am Wochenende wurde zudem ein mit internationaler Hilfe erstellter Verfassungsentwurf vorgestellt. Demnach wird Kosovo eine "parlamentarische Republik" mit einem "starken Präsidenten".

Der Zug in Richtung Unabhängigkeit rollt also - auch wenn es von Zypern, Griechenland, der Slowakei und Rumäniens noch Bedenken und die Forderung eines förmlichen Beschlusses des Weltsicherheitsrates gibt.

Serbien droht mit Gegenmaßnahmen. Die diplomatischen Beziehungen Belgrads zu allen Ländern, die Kosovo diplomatisch anerkennen wollen, sollen abgebrochen werden. Aber damit schnitte sich Serbien ins eigene Fleisch. Denn dann wären ja auch alle Annäherungen an die EU infrage gestellt.

Beobachter in Belgrad bezweifeln aber, dass die EU noch die Kraft hat, die Mehrheit der Bevölkerung in Serbien von einer EU-Perspektive zu überzeugen. Die Präsidentschaftswahlen Ende Januar werden nach Ansicht vieler Analytiker zu einem Sieg des rechtsradikalen Bewerbers Tomislav Nikolic führen. Und damit wäre den nationalistischen Kräften in Serbien der Weg geebnet, im Kosovo aktiv zu werden. Nikolic bräuchte sich an das Versprechen der jetzigen Regierung, in Kosovo Ruhe und Ordnung zu wahren, nicht mehr gebunden fühlen. Wenn die Albaner die Unabhängigkeit ausrufen, werden die Serben in dem von ihnen beherrschten Nordteil des Kosovo das Gleiche tun, erklärte der kosovoserbische Politiker Oliver Ivanovic. Die von Belgrad prognostizierte "gefährliche Entwicklung" wäre dann gegeben.

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7 Kommentare

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  • J
    Jan

    Welche Anforderungen stellt die EU an Kosovo? Wenn ich mich recht erinnern kann ist der Ministerpräsident Kosovos ein ehemaliger UCK-Kämpfer und auch auch der Liste der Kriegsverbrecher des Tribunals in Den Haag (so wie einige albanische Politiker die im Kosovo durchaus politisch aktiv sind) Hier hat man weggeschaut, um die "junge Demokratie" nicht zu destabilisieren. Albaner haben in den letzten 8 Jahren etliche nationale Minderheiten (nicht nur Serben sondern auch Roma z.B.) vertrieben und momentan kann von Achtung der Menschenrechte keine Rede sein. Zunächst war die Parole "Standards vor Status" - nun heißt es "Unabhängigkeit geht vor". Albaner werden de facto mit Unabhängigkeit für Ihr rabiates, kompromissloses Verhalten belohnt.

     

    Sind das Signale, welche EU an Serbien schickt? Immerhin hat Serbien (noch) eine proeuropäische Regierung und bis auf zwei Kriegsverbrecher (die sich verstecken und kein politisches Amt haben!) sind weitestgehend die meisten ausgeliefert.

     

    Eine weitgehende Autonomie für Kosovo (also ein Staat im Staat) wie das Serbien anbietet, ist auch das Maximum, was jeder normale Staat anbieten kann. Ich verstehe nicht, wo man hier noch weiteres Einlenken erwarten soll?

     

    Wenn sich Serbien von der EU abwendet und spätestens wenn man ein Problem mit Albanern in der EU selbst hat - in Griechenland ist die Zahl der Albaner ähnlich wie im Kosovo sprunghaft angestiegen(im Kosovo waren Serben einst die Mehrheit), wird man nicht mehr der Herr der Geister sein, die man gerufen hat.

  • UR
    Uwe Radzug

    Rathfelder war die Ursache meiner Kündigung des Tazabos. Gut ist es, dass man immer mal wieder ins Netz schauen kann, um fest zu stellen, dass er noch immer bei der taz an Bord ist.

    Hysterische Serbenfresserei unter konsequenter Außerachtlassung grundlegender journalistischer Sorgfaltpflichten. Alles wie gehabt.

    Nun ja, wer es mag, weiß ja wo er es findet.

  • AT
    Andreas Thomsen

    Kleines Thema für einen Schulaufsatz:

     

    Vergleichen Sie:

     

    Welche Haltung nimmt die EU ein zu

     

    Serbien und Kosovo-Albanern

    Türkei und Kurden

    Russland und Tschetschenen

    Zypern und zyprischen Türken

     

    Schließen Sie daraus auf die Prinzipien, die der EU-Politik zugrunde liegen!

     

    MfG

     

    A. Th.

  • AV
    Alban Vica

    Die EU macht wiedermal einen Fehler, indem sie Serbien den beschleunigten Kandidatenstatus in Aussicht stellt und dabei dies nicht mit der Auslieferung von Kriegsverbrechern und anderen Maßnahmen konditioniert. Man vergisst häufig die Ursache und Wirkung. Es war die Politik des serbischen Staates, die für Tausende Tote und Vertrieben in Gebieten des Ex-Jugoslawien sorgte. So lange in Serbien selbst kein Aufklärungsprozess über die eigene Verantwortung und Handlungen im Namens des serbischen Volkes beginnt, kann man nicht erwarten, dass dieses Staat für eine EU-Mitgliedschaft bereit ist. Hinsichtlich des Kosovos ist zu betonen, dass Serbien ihren Anspruch über dieses Territorium bereits in den 80er verspielt hat, nämlich als sie die Autonomie Kosovas gewaltsam außer Kraft setzte. Man kann nicht erwarten, dass die Albaner des Kosovos (über 90% der Bevölkerung) loyale Bürger eines Staats sind, welcher sie massenhaft töten, vertrieben und foltern ließ.

  • IS
    Isa Sin

    Lieber Herr Rathefelder,

     

    die Informationen von Diplomaten, "die nicht namentlich genannt werden wollen", haben Sie sich doch - wie bereits des Öfteren in den letzten Jahren, selber ausgedacht. Damit gefallen Sie Ihren Geldgebern und Drogenbaronen (Herr Thaci und Mitkämpfer) am meisten...wieviel davon bekommt Frau Mika ab?

  • AE
    Andreas Eckl

    Ich hätte wirklich gern einmal eine konkrete Antwort auf die Frage, welcher andere europäische Staat im Tausche für eine EU Mitgliedschaft 15% seines Territoriums hergeben würde oder hergegeben hätte. Das sich derzeit so weit aus dem Fenster lehnende Sarkozystan (Korsika, Baskenland) sicherlich nicht. Und Großbritannien (Schottland, Nordirland) auch nicht. Den Kosovoalbanern wird derzeit seitens Serbien eine substantielle und weitreichende Autonomie zugestanden, eine Autonomie, die eine freie (innen)politische, wirtschaftliche und kulturelle Entfaltung erlaubt. DIESES Angebot abzulehnen ist irrational, nicht das diffuse Anbiedern der EU.

  • SM
    Steffen Mateja

    In Ihrem Artikel wird ein westlicher Diplomat mit den Worten zitiert "Es ist schon zum Verzweifeln, die serbische Führung will nicht sehen, was sie da auf dem Tablett serviert bekommt. Milosevic schlug schon 1999 das Verhandlungsangebot in Rambouillet aus und hätte damals nur einer erweiterten Autonomie des Kosovo zustimmen müssen."

    Die jugoslawischen Teilnehmer der Konferenz auf diesem Schloss hatten sehr wohl alle 10 Grundsätze der Autonomiebedigungen akzeptiert. Die Verhandlungen scheiterten an der übertriebenen Forderung, tausende NATO Soldaten im Kosovo zu stationieren und diesen sogar zu erlauben, sich innerhalb Jugoslawiens frei bewegen zu dürfen. Eine internationale Präsenz im Kosovo wurde von der jugoslawischen Delegation von vornerein nicht einmal abgelehnt. Auch wenn die o. g. Aussage nicht direkt von Ihrer Zeitung stammt, so bekommt sie doch den Anschein, sie sei richtig. Schade, dass der "westliche Diplomat" nicht mit Namen zitiert wird, der die Presse absichtlich oder unabsichtlich mit falschen Informationen versorgt.