Interview zum SPD-Kalender: "Im Freibad zeige ich mehr "

Zwölf SPD-Frauen aus Hessen haben sich für einen Kalender ausgezogen. Die Häme ist groß. Die Initiatorin Habermann meint, dass die Leute ironische Anspielungen nicht erkennen können.

Habermann als Januar-Frau im Kalender - auch eine Möglichkeit, auf SPD-Politik aufmerksam zu machen... Bild: dpa

taz: Frau Habermann, brauchen wir mehr Erotik in der Politik?

SCHULPOLITIK: Die CDU will am dreigliedrigen Schulsystem mit Haupt-, Realschule und Gymnasium festhalten. Die SPD strebt eine Gemeinschaftsschule bis zur zehnten Klasse an, die alle Schüler fördern soll.

ENERGIEPOLITIK: SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti hat das Thema Energie in den hessischen Wahlkampf gebracht. Sie will Hessen eine Wende zu erneuerbaren Energien verordnen - darunter die Windkraft. Vor allem gegen die Windkrafträder im Binnenland Hessen polemisiert die regierende CDU. Das alternde Atomkraftwerk Biblis soll am Netz bleiben.

FLUGHAFENAUSBAU: Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sieht die nach jahrelanger Diskussion erteilte Baugenehmigung für eine neue Landebahn als großen Erfolg. Die SPD will den Ausbau ebenfalls, sucht aber nach Wegen, wieder zu einem kompletten Nachtflugverbot zu kommen.

Heike Habermann: Nein, darum ging es uns nicht. Ich mache schon sehr lange Politik, und es ärgert mich, dass Fotos vom Hund eines Politikers stärker wirken als seine Aussagen. Wir wollten nun mit aufsehenerregenden Bildern dennoch unsere Themen präsentieren. Die stehen in den Begleittexten.

Ein Hund verweist auf das Privatleben, erotische Fotos aber auf das Intimleben. Das gehörte bisher selten in die Politik. Wollen Sie das mit Ihrer Aktion ändern?

Die Anziehungskraft eines Menschen spielt auch in der Politik eine Rolle. Wir haben uns sehr darüber gewundert, dass die Fotos als so erotisch wahrgenommen werden. Wenn ich in Offenbach ins Freibad gehe, sieht man schließlich mehr von mir.

Die Bilder in dem Kalender sind also gar nicht erotisch gemeint?

Nicht in erster Linie. Wir haben ja die roten Accessoires wie etwa Verkehrsschilder in den Vordergrund gestellt.

Rote Verkehrsschilder kann man durchaus erotisch interpretieren.

Wir spielen mit dem Thema Erotik. Es ist doch klar, dass Frauen von 27 bis 72 Jahren nicht gerade als Pin-ups posieren. Wir sind auch keine Schönheitsköniginnen. Wir wollten die Erotik als Verkaufstrick auf die Schippe nehmen. Und zugleich zeigen wir, dass auch normale Frauen, die nicht Models sind, ihre eigene Schönheit haben.

Bisher haben sich Frauenpolitikerinnen eher dagegen gewehrt, auf ihre erotischen Qualitäten reduziert zu werden. Ist das altmodisch?

Nein. Solche Projekte wie unser Kalender werden Einzelfälle bleiben. Eine ironische Darstellung ist auch etwas anderes als das, was Gabriele Pauli mit ihren Latexhandschuhen gemacht hat oder eine unserer Kolleginnen, die sich für die Aidshilfe in der Bild-Zeitung auf einem Bett hat ablichten lassen. Uns war sehr wichtig, dass wir selbst den Kontext bestimmen, in dem das erscheint.

Die Bild hat sämtliche Fotografien Ihres Kalenders veröffentlicht. Und zwar ohne Ihre politischen Erläuterungen.

Das geschah ohne unsere Zustimmung. Wir wollten dagegen vorgehen, aber die Juristen rieten uns ab. Denn was die Bild dann im Gegenzug schreibt, kann man nicht mehr kontrollieren.

In der Bild beurteilt Franz-Josef Wagner Politikerinnen generell nach ihrer erotischen Anziehung auf ihn. Sie spielen ihm mit Ihrem Kalender in die Hände.

Nein, wir weisen darauf hin, wie absurd dieser sexuelle Ausverkauf ist und wie sexualisiert unsere Öffentlichkeit schon ist. Ich gebe zu, wir haben die Wirkung in den Boulevardmedien unterschätzt. Wir haben gedacht, die deutsche Gesellschaft wäre schon weiter.

Die Reaktionen auf Gabriele Paulis Latex-Fotos kannten Sie aber doch.

Sie hat nur sich selbst dargestellt und keine politische Aussage. Ich hätte mich nicht mit Latexhandschuhen präsentiert.

Aber mit roten Verkehrsschildern. Da kann man auch an Rotlicht denken.

Das ist aber kein Rotlicht-Rot, sondern das original SPD-Rot.

Frau Pauli hätte nur das Frauenbild der Medien kritisieren müssen - dann wäre alles in Ordnung?

Nein, das muss schon überzeugend sein.

Frau Ypsilanti wollte sich vorsichtshalber nicht mehr zum Thema Nacktfotos äußern.

Frau Ypsilanti fand den Kalender gut. Sie wollte nur das Bett-Foto zugunsten der Aidshilfe nicht kommentieren. Das verstehe ich, meine Kollegin wirkt wie ein Objekt, während wir uns als Handelnde inszenieren.

Die CDU findet ihre Bilder frauenverachtend.

Da gibt es auch ganz andere Stimmen. Ein Vorstandsmitglied der hessischen Frauenunion hat sogar gleich drei Kalender bestellt. Was Frauenpolitik angeht, lasse ich mich von der CDU nicht belehren, da haben wir mehr zu bieten.

Dem Vorwurf der Frauenfeindlichkeit wären Sie entgangen, wenn sich auch Männer ausgezogen hätten.

Wir haben einige angesprochen, aber die wollten nicht.

Die wollten sich nicht lächerlich machen.

Oder sie waren nicht mutig genug. Jetzt wird oft beim dritten Bier gewitzelt, dass es demnächst einen Boy-Kalender geben muss.

Sie sind also noch nicht kuriert?

Wir werten die Aktion noch aus. Aber beim nächsten Mal würden sicher Männer dabei sein.

INTERVIEW: HEIDE OESTREICH

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