Streit in Österreichs Koalition: Pflegemisere in der Verlängerung

Seit dem 1. Januar muss privates Pflegepersonal in Österreich angemeldet werden. Die Koalition streitet über weitere Regelungen.

Rund 40.000 Pflegekräfte aus Osteuropa haben bisher schwarz in Österreich gearbeitet Bild: dpa

WIEN taz Soziale Kälte gegen menschliche Wärme. So stellt die ÖVP die Debatte um die Pflegeamnestie dar, die mit Jahresende in Österreich ausgelaufen ist. Seit dem 1. Januar muss privates Pflegepersonal angemeldet und versichert werden. Rund 40.000 vorwiegend weibliche Pflegekräfte aus den östlichen Nachbarstaaten haben bisher im Graubereich des Wegschauens gearbeitet. Damit ist nun Schluss. Ein Pflegemodell, das für die meisten Betroffenen teurer wird, liefert Konfliktstoff für die ohnehin auf Konfrontationskurs fahrenden Koalitionsparteien.

Im Wahlkampf 2006 brachte die Debatte über den Pflegenotstand die siegesgewisse ÖVP ins Schlingern. Der damalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel leugnete die Existenz der Misere. Dann musste er zugeben, dass auch er für seine Schwiegermutter die Dienste einer schwarzarbeitenden Osteuropäerin in Anspruch genommen hatte.

Die Lage war ähnlich wie in Deutschland: Private Pflege für bettlägerige oder demente Menschen zu Hause ist für Normalverdiener nicht leistbar. Außer die Arbeitskräfte kommen aus Billiglohnländern und verzichten auf soziale Absicherung. Binnen weniger Jahre entstand ein blühender Markt. Die einen bekamen erschwingliche Pflege, die anderen ein Einkommen, von dem sie zu Hause gut leben konnten. Der Nachteil: Es war illegal. Da der Politik keine tauglichen Lösungen einfielen, wurde das Wegschauen verlängert.

Die ÖVP verlor die Wahlen und vor einem Jahr trat die SPÖ-geführte große Koalition an. Das vom zuständigen Sozialminister Erwin Buchinger, SPÖ, vorgestellte Modell fand die Zustimmung des Koalitionspartners. Es sieht zwei Optionen vor: Die Pflegekraft kann vom Dienstgeber oder einer Vermittlungsagentur angestellt werden oder sich als Selbstständige anmelden. In jedem Fall sind Sozialversicherungsbeiträge fällig. Damit die Kosten nicht explodieren, schießt der Staat bis zu 800 Euro im Monat zu. Allerdings erst ab Pflegestufe drei. Weitere Voraussetzung ist Mittellosigkeit: Mehr als 7.000 Euro Vermögen - Eigenheim nicht mitgerechnet - schließt die Subvention aus. Eine Übergangszeit bis Jahresende sah Straffreiheit für alle vor, die in die Legalität wechseln wollten.

Im Dezember verkündete Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP), in seinem Bundesland werde die Amnestie um drei Monate verlängert. Nicht ganz zufällig bis zu den Regionalwahlen, bei denen Pröll seine absolute Mehrheit verteidigen muss. In Niederösterreich und Vorarlberg will man zudem auf die Vermögensgrenze verzichten. Obwohl die ÖVP das Gesetz mit beschlossen hat, wettert sie jetzt gegen den "sozial kalten" Sozialminister. Selbst in der SPÖ plädierten einige Bundes- und Lokalpolitiker bereits für Daueramnestie.

Der Streit hat in der Slowakei Verunsicherung ausgelöst. In Kosice hat die Agentur Fisyo die Vermittlung von Pflegekräften nach Österreich im Dezember eingestellt. Buchinger eilte nach Bratislava, um die Wogen zu glätten. Bis zum Sommer verspricht er sich Klarheit, ob seine Lösung angenommen wird.

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