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Tod durch GiftspritzeChina will "humaner" hinrichten

In der Volksrepublik soll bald nur noch per Giftinjektion statt per Todesschuss exekutiert werden. Bisher bekamen meist privilegierte Todeskandidaten die Spritze.

"Es gibt in China keine Debatte wie in den USA": Chinese vor Hinrichtung im Jahr 2001 Bild: dpa

BERLIN taz Chinas Justiz will Todesstrafen bald nur noch per Giftinjektion vollstrecken. Dies erklärte der stellvertretende Vorsitzende des Obersten Volksgerichts, Jiang Xingchang, in der Donnerstagausgabe der englischsprachigen halboffiziellen Zeitung China Daily. Laut Jiang würden bereits die Hälfte der 404 mittleren Volksgerichte die 1997 eingeführte Todesspritze bei Exekutionen anwenden. "Sie wird als humaner angesehen und wird schließlich in allen Mittleren Volksgerichten angewendet werden", sagte Jiang, ohne einen Zeitpunkt zu nennen. In den anderen Fällen wird bisher per Kopfschuss exekutiert.

Laut Jiang wird das Oberste Gericht den Mittleren Kammern bei der Ausstattung und Ausbildung für eine fachgerechte Anwendung von Todesspritzen helfen. Giftinjektionen seien als Hinrichtungsmethode in allen Teilen der Bevölkerung positiv aufgenommen worden einschließlich der Todeskandidaten und ihrer Angehörigen, so Jiang.

An der Todesstrafe werde China aber festhalten, sagte der Oberste Richter Xiao Yang ebenfalls China Daily. Allerdings sei das Ziel, die Zahl der Todesstrafen zu reduzieren. Die Abschaffung der Todesstrafe oder ihre strenge Begrenzung sei ein globaler Trend, so Xiao: "China arbeitet auch in diese Richtung." Doch müssten dabei soziale Realitäten und die Sicherheit berücksichtigt werden. So könne die Todesstrafe selbst für gewaltfreie Verbrechen kurzfristig nicht abgeschafft werden, denn in der Bevölkerung dominiere die Haltung des "Auge um Auge, Zahn um Zahn", so Xiao.

Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen exekutiert China jährlich mehr Menschen als andere Staaten zusammen. Die tatsächlichen Hinrichtungszahlen sind unbekannt und gelten als Staatsgeheimnis. Amnesty international (ai) zählte aus frei zugänglichen offiziellen Quellen für 2006 mindestens 2.790 Todesurteile und 1.040 Hinrichtungen. Die tatsächliche Zahl dürfte laut ai "um vieles höher gewesen sein". 2005 sprach ein Delegierter des Nationalen Volkskongresses von 10.000 Exekutionen jährlich.

Seit 2007 müssen alle Todesurteile wieder vom Obersten Volksgericht überprüft werden, weshalb es kurz zuvor noch zu einer Hinrichtungswelle gekommen sein soll. Doch seitdem wird ein Rückgang der Hinrichtungszahlen vermutet, was auch intendiert war.

Laut Chinas Strafgesetzbuch von 1997 gilt die Todesstrafe für 68 Straftatbestände, darunter Korruption und andere Verbrechen ohne Gewalteinwirkung. "Es gibt in China keine Debatte wie in den USA darüber, wie human die Todesspritze wirklich ist", sagt der Pekinger Menschenrechtsanwalt und Todesstrafengegner Teng Biao der taz. "Denn wegen der Geheimhaltung haben wir keine Informationen von unseren Gerichten, wie sie wirklich funktioniert." In den USA sind Todeskandidaten wegen Fehldosierung eines sich lange hinziehenden qualvollen Todes gestorben. Das hat eine Debatte über diese Hinrichtungsmethode ausgelöst und zu einem De-facto Moratorium geführt.

In China werde die Giftspritze auch deshalb als Fortschritt angesehen, weil sie bisher meist bei privilegierten Todeskandidaten angewendet wurde, so Teng: "Bisher wurden so korrupte Kader und reiche Kriminelle exekutiert, während gemeine Kriminelle erschossen werden."

Menschenrechtsgruppen verweisen darauf, dass Giftinjektionen Chinas Organhandel erleichtern. Für diesen gelten zwar strenge Regeln, doch werden sie wegen Korruption oft gebrochen. Mobile Hinrichtungsfahrzeuge mit Kühlkammern ermöglichen auch kleineren Gerichten Exekutionen und Organentnahmen unter klinisch reinen Bedingungen.

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4 Kommentare

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  • J
    Jenny

    Hallo Leute,

    ich schreibe im Moment an meiner Facharbeit über Menschenrechte in China.

    Es ist unfassbar, was ich dabei alles erfahren habe und nun bin ich hier auf dieses Forum gestoßen.

    Das mit der Giftspritze war mir neu und ich habe da mal eine Frage:

     

    Ihr sagt, das die Organe danach genutzt werden, aber ich frage mich, ob das mit der Einverständnis des Verurteilten geschieht oder ob danach garnicht erst gefragt wird.

     

    Außerdem wurde das auch schon gemacht bei den Kopfschüssen?

    Ich mein die Organentnahme???

     

     

    Bitte schnell zurückschreiben ende Februar muss ich meine Abreit abgeben =)

     

    Danke Jenny

  • X
    XI-Base

    Die Giftspritze wird nur eingesetzt, weil das die Organentnahme erleichtert. Die Hinrichtungsbusse werden übrigens bereits seit vielen Jahren in großem Umfang eingesetzt. Was heißt denn hier zu teuer, stevie? Manche Organe müssen sehr schnell entnommen werden und der Handel mit den Organen ist schließlich ein Milliardengeschäft, wofür sich "Investitionen" allemal lohnen.

     

    Die Einen nennen die Giftspritze "humaner" und bezeichnen die turnusmäßigen,leeren Versprechungen der Parteikader als "einen Schritt in die richtige Richtung" - Andere wiederum empfinden den schwunghaften Handel mit mehrheitlich Organen von Hingerichteten, welcher nach wie vor in China floriert, als "Neokannibalismus".

  • B
    blr

    Ich stimme stevie (kommentar zuvor) absolut zu.

     

    china entscheidung, ist ein wichtiger schritt in die richtige richtung. es werden noch viele notwendig sein, aber zumindest hat die entwicklung zum ziel begonnnen.

     

    mit diesem schritt, gibt china indirekt zu, dass die todesstrafe grausam ist. und schrittweise werden aenderungen gemacht!

     

    http://blr-news.blogspot.com/2009/06/die-todesstrafe-in-china-wird-humaner.html

  • S
    stevie

    Die "Hinrichtungsfahrzeuge" - bei denen ich bezweifle, dass solche groß zum Einsatz kommen werden (Kostengründe etc. - statt dessen wird die Hinrichtung in eine große Stadt verlegt), erschweren aber die Korruption bzw. den Organhandel. Jetzt finden die Hinrichtungen in den größeren Städten statt bzw. sind mehrere Personen von außerhalb bei den Hinrichtungen dabei. Die Einführung der Giftspritze ist meiner Meinung nach der zweite Große Schritt (nach der Gesetzesreform, die die Überprüfung von Todesurteilen auf höherer Ebene vorschreibt) um eine Kontrolle über die örtlichen Kader zu bekommen und die Anzahl der Todesurteile zu verringern und den illegalen Organhandel u. die Korruption zu bekämpfen. Anders gesagt es geht um eine Machtverlagerung aus der Perhipherie ins Zentrum um Sozialen Unruhen vorzubeugen und stellt einen wichtigen Schritt Richtung Rechtsstaat dar - Einschränkung der willkürlichen Handlungen von lokalen Kadern.

    Das einige Menschenrechtsorganisationen dies kritisieren, sagt viel über ihre China Kenntnisse aus. Gut, einige "Menschenrechtsorganisationen" lassen sich auch unbewusst (AI) oder bewusst (reporter ohne grenzen) von politischen Agenden missbrauchen.