Kommentar Umgang mit Saddams Funktionären: Versöhnung liegt in weiter Ferne

Iraks Parlament hat eine Korrektur des Ausschlusses der Ex-Baathisten aus dem Staatsdienst vorgenommen. Das Gesetz ist aber so konfus, dass von Versöhnung keine Rede sein kann.

Alte Wunden heilen langsam oder gar nicht. Zumindest der Irak bleibt fünf Jahre nach dem Sturz Saddam Husseins polarisiert. So lange dauerte es auch, bis das irakische Parlament nun ein Gesetz erlassen hat, das den Zugang ehemaliger Baathisten, also der einstigen Parteigänger Saddams, zum irakischen Staatsdienst neu regeln soll. Seit Monaten hat Washington ein solches "Versöhnungsgesetz" eingeklagt und feiert dessen Verabschiedung nun als Erfolg, das Land doch noch auf den richtigen Weg zu bringen.

Doch war es einst der amerikanische Besatzungsverwalter Paul Bremer, der wenige Monate nach dem Sturz ein Dekret erließ, das die Armee auflöste und ehemalige Baathisten - sprich einen großen Teil des damaligen Beamtenapparats - vom Staatsdienst ausschloss. Das klang zunächst logisch. Die Schergen Saddams sollten zur Rechenschaft gezogen werden. Daraus wurde allerdings eine Kollektivstrafe gegen ein ganzes Heer von Beamten, die oft aus opportunistischen Gründen ein Saddamsches Parteibuch besaßen. Der Zusammenbruch des irakischen Staats als Institution war endgültig besiegelt. Die Auflösung der Armee führte dazu, dass sich zehntausende militärisch gut ausgebildeter Soldaten den Aufständischen anschlossen. Da sich Saddams Parteiapparat weitgehend aus Sunniten rekrutierte, war im neuen Irak plötzlich eine ganze Bevölkerungsgruppe vom politischen System ausgeschlossen. Als die Amerikaner ihren Fehler erkannten, war es längst zu spät. Die neuen schiitischen und kurdischen Amts- und Würdenträger waren nicht mehr bereit, ihre neu erlangte Macht zu teilen.

So dauerte es Jahre, bis die Amerikaner mit viel Druck eine Korrektur einleiten konnten. Viel zu spät. Und im Detail ist nicht einmal klar, ob durch die verwirrenden vielen Regelungen des Gesetzes am Ende mehr ehemalige Baathisten im Staatsdienst zwangspensioniert als neu eingestellt werden. So konfus wie das Gesetz sind auch dessen Befürworter. Die wenigen Sunniten, die zugestimmt haben, hoffen auf eine Rehabilitierung, während die Schiiten das Regelwerk gar als Verschärfung interpretieren. Von einer erfolgreichen Versöhnung ist der Irak noch weit entfernt.

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Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)

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