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Nürnberger Zoodirektor EnckeLiebslingstier Mistkäfer

Der Zoodirektor Dag Encke wuchs selbst im Zoo auf. Er plädiert für artgerechte Aufzucht von Wildtieren. Sein Flascheneisbär soll Kommunikator im Klima-Kampf sein.

Bild: ap

Manche nennen den Chef des Nürnberger Zoos am liebsten Bärentöter oder Direktor herzlos. Denn nachdem sich Dag Encke wochenlang geweigert hatte, aus drei Eisbärenbabys flaschengefütterte PR-Bärchen zu machen, geschah das, worauf die Boulevardpresse nur gewartet hatte: Bärenmutter Vilma fraß zwei Junge auf. Doch Encke denkt gar nicht daran, seiner Philosophie von Wildtierhaltung im Zoo abzuschwören. "Ich hätte heulen können", dass er Eisbärenmutter Vera ein Junges entziehen musste, weil sie zu nervös geworden war. Jetzt hat Dag Encke also "Knut II", wie die eisbärenvernarrte Weltpresse das Flaschenbärchen nennt. "Wir bekommen erst normalere Bären, wenn ihre Müttern sie selbst aufziehen", sagt Encke zerknirscht.

Encke kennt sich mit natürlichen Zoogeburten gut aus. Er lebte auf einem Bauernhof innerhalb des Krefelder Zoos, wo sein Vater Direktor war. Encke kam dort sogar zur Welt - durch eine Hausgeburt. Später half er immer wieder, Tiere mit der Flasche aufzupeppeln, darunter Schneeleoparden und Mähnenwölfe. Später schlägt er die Laufbahn des Biologen ein. Er studiert in Gießen, promoviert in Marburg über "Thermoregulierung beim Zwerghamster". Nicht Zoodirektor ist damals sein Ziel, sondern Forscher. Enckes Zoomotiv lautet, "dass wir Wildtiere wahrscheinlich nie ganz verstehen werden". Man müsse sich als Pfleger permanent hinterfragen über die Zootierhaltung.

Mit Encke werden die Medien noch viel Spaß haben. Dass Bärenmutter Vilma ihre Kleinen fraß, bedauert er - und doch, so Encke, "war das auch eine ganz normale Reaktion". Die Tiere seien es aus der Wildbahn gewohnt, Kosten und Nutzen der Aufzucht instinktiv abzuwägen. Wird der Aufwand zu groß, dann kann es besser sein für das Tier, die Kinder im Stich zu lassen. Oder sie aufzufressen. "Das ist dann ganz nüchtern betrachtet eine Frage der Energiebilanz des Tiers." Ein typischer Dag-Encke-Satz. Inzwischen hat der Nürnberger OB Ulrich Maly seinem Zoochef mehrere Pressesprecher zur Seite gestellt. Offiziell, um den gigantischen Medienandrang wegen Knut II zu bewältigen.

Der Direktor des momentan meist beachteten Zoos der Welt nennt einen Mistkäfer seinen Liebling, den Pillendreher. Der verarbeitet Dung zu Kugeln und versteckt darin seine Larven. Der Pillendreher, sagt Encke, ist umweltpädagogisch ein ideales Geschöpf - groß, ökologisch und kulturell mit dem Menschen eng verbunden. Kann es sein, dass Encke seinen Heldeneisbären gar nicht mag? I wo!, sagt Encke, er fände Bären total irre. "Sie haben keine Mimik, deswegen sind sie für uns Menschen so schwer interpretierbar."

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2 Kommentare

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  • J
    Jasna

    Dag Encke ist mein Vater und egal was alle andern denken weiß ich, dass er wirklich auch an die Tiere denkt. Bei Handaufzuchten können schließlich die Tiere genauso gut sterben, wie wenn die Mutter sie aufzieht. Ich hätte es besser gefunden, hätte es mit der Mutter geklappt und ich find alle bescheuert, die denken, es wäre besser gewesen die Bären gleich von Hand aufzuziehn.

  • A
    Antonietta

    Die Zucht in Gefangenschaft sorgt für einen Überschuss an Tieren. Babys sind nämlich Kassenmagneten und ziehen massenweise Besucher an, die zusätzlich zum Eintrittsgeld auch noch Geld in den Geschenkeshops und Snackbars der Zoos ausgeben.

     

    Zoos können vielleicht größere und feudalere Anlagen bauen, aber es sind und bleiben doch Gefängnisse. Viele "Verbesserungen" sind eher kosmetischer Art und dienen eher den Besuchern als den Tieren. Die meisten Tiere in Gefangenschaft leiden unter Frustration und Langeweile. Anstatt Millionen darauf zu verschwenden, Unmengen an Tieren einzusperren, sollten wir uns für die Erhaltung und Wiedereinrichtung dessen einsetzen, was wir Menschen den Tieren genommen haben: ihren ursprünglichen Lebensraum.