Kolumne Fußballland: Die finale Demütigung

Coskun Tas war der erste Türke im deutschen Fußball. 1959 kam er am Käölner Bahnhof an. Bereits mit 26 machte er Schluss

Coskun Tas kam nach Deutschland, als Konrad Adenauer Bundeskanzler war und die Türkei fern wie heute nicht einmal die Mongolei. Als er 1959 am Bahnhof von Köln eintraf, lebten in der größten Stadt am Rhein genau 14 seiner Landsleute. Tas ging auf den Vorplatz, bestaunte den Dom und wartete auf das Auto, das ihn abholen sollte. Am Tag danach absolvierte er erfolgreich ein Probetraining beim 1. FC Köln, danach unterzeichnete zum ersten Mal ein türkischer Fußballspieler einen Vertrag bei einem deutschen Klub.

Tas hatte als 19-Jähriger an der WM 1954 in der Schweiz teilgenommen, für Besiktas Istanbul gespielt und nebenbei das Studium der Betriebswirtschaft abgeschlossen. Mit nun 24 Jahren spielte er in dem Land, wo schon sein Vater zu Zeiten des Kaiserreichs zwei Jahre lang den Beruf des Bauzeichners gelernt hatte.

Sein erstes Spiel für den neuen Klub war das Lokalderby gegen Viktoria Köln. Danach musste er wegen einer Verletzung drei Wochen lang zuschauen, bei seinem zweiten Einsatz, gegen Hamborn 07, schoss er sein erstes Tor. Es kamen noch drei weitere in den 14 Punktspielen hinzu, die er für seinen neuen Klub absolvierte, dann war der 1. FC Köln souveräner Meister der Oberliga West und durfte um die Deutsche Meisterschaft spielen. Linksaußen Tas wurde in allen sechs Endrundenspielen eingesetzt, war in überragender Form und schoss drei Tore, dann hatten die Kölner zum ersten Mal in ihrer Vereinsgeschichte das Meisterschaftsfinale erreicht.

Inzwischen ist Coskun Tas 72 Jahre alt und lebt immer noch in Köln. Er ist ein sanfter Mann, der sich im Laufe von fast fünf Jahrzehnten viel um die Integration derer gekümmert hat, die ebenfalls den Weg aus der Türkei nach Köln genommen haben. Zwanzig Jahre lang saß er in der Spruchkammer des Fußballkreises Köln und schlichtete Streitfälle. Bei den Ford-Werken - Tas arbeitete dort als Systemanalytiker - war er zudem Betriebsrat.

Tas sagt, dass er ein sensibler Mensch gewesen sei, als er nach Deutschland kam. Dennoch sei es ihm leicht gefallen, beim 1. FC Köln Fuß zu fassen. Die Zuschauer hätten ihn gleich gemocht, und als 15. Türke der Stadt hätte er keine Probleme gehabt. Als die Kölner Mannschaft fürs Endspiel zusammengestellt wurde, dachten die Verantwortlichen an den Vorjahresmeister. Eintracht Frankfurt hatte den Titel nicht zuletzt dank zweier Tore des Ungarn Istvan Szanti gewonnen, und einige Zeitungen hatten geschrieben, sie seien deshalb kein richtiger Deutscher Meister. Die Kölner wollten das vermeiden und entschieden, dass Coskun Tas zusehen musste.

Das war eine grausame Entscheidung, mit Sport hatte sie nichts zu tun. Er sei sehr gekränkt gewesen, sagt Tas heute, und in diesem Moment hätte er innerlich aufgegeben. Weil er ein liebenswürdiger Mensch ist, macht er niemandem einen Vorwurf. Der patriarchalische Vereinspräsident Franz Kremer zahlte ihm nach dem Finale eine Prämie, obwohl Tas nur zugesehen hatte. Es waren 500 Mark für den zweiten Platz, denn ohne seinen Türken unterlag der 1. FC Köln dem Hamburger SV mit 2:3.

Als Trainer Oswald Pfau den Klub verließ, entschuldigte er sich bei Tas dafür, sich in der Frage seiner Aufstellung nicht durchgesetzt zu haben. Doch in seinem zweiten Jahr beim 1. FC Köln machte der lustlos gewordene Tas nur noch eine Handvoll Spiele und beendete schließlich mit gerade einmal 26 Jahren seine Karriere als Leistungssportler. So war er nicht mehr dabei, als Köln 1962 die Meisterschaft gewann und im Jahr darauf die Bundesliga begann. "Von heute aus kann ich eine positive Bilanz ziehen", sagt er dennoch. Es zeigt seine Größe, das Gute selbst noch in der tiefen Kränkung des verpassten Endspiels zu sehen. Er konnte die Welt des Profifußballs verlassen und wurde erfolgreich in seinem Beruf. Er trainierte nebenbei Amateurmannschaften und wurde glücklich in einem anderen Leben. Das war sein großer Sieg über Rassismus und Dummheit, aber man hätte ihm trotzdem gewünscht, dass er nicht nötig gewesen wäre.

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