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JustizWiederholungstäter Grottian

So schnell kann's gehen: Wieso ein widerständiger Professor plötzlich wegen Fahrerflucht vor Gericht steht.

So schlimm war sie dann doch nicht, die beim Ausparken verursachte Schramme Bild: AP

Es sieht nicht gut aus für Peter Grottian. Heute steht der Politikprofessor im Unruhestand wegen Fahrerflucht vor Gericht. Er hat im Mai 2007 nach einem Schlachtenseeausflug beim Ausparken mit der Hinterflanke seines Wagens einem anderen Auto eine Delle reingefahren.

Das an sich ist noch keine Fahrerflucht. Ungünstige Umstände indes machen es zu so einer Tat. Nachdem Grottian nämlich eine halbe Stunde vergebens wartet, ob der Besitzer des Fahrzeugs auftaucht, hängt er einen Zettel an das beschädigte Auto: "Ich habe Ihrem Wagen einen Schaden zugefügt, das tut mir leid", schreibt er etwa. Was er tun könne, um dies wieder gutzumachen, tue er gerne, für die Reparatur käme er auf. Den Zettel versieht er mit seiner Telefonnummer, in der Hoffnung, dass sich alles gütlich regeln ließe. Er selbst habe es ja nicht so mit den Ordnungshütern. "Herrgott, das Gesetz müsste den Leuten doch eine Chance bieten, das unter sich zu regeln", sagt er.

Das sieht die Eigentümerin des Fahrzeugs anders. Sie holt die Polizei. Die Beamten, die zum Ort des Verbrechens kommen, attestieren dem Auto einen Schaden von etwa 500 Euro. Die Autowerkstatt sattelt ordentlich drauf. Schaden nach der Reparatur: 2.300 Euro. Und obwohl Grottian davon ausgeht, dass er sich mit seinem Zettel und seiner Telefonnummer seiner Tat gestellt habe, sehen die Juristen das anders. Sie sagen: Fahrerflucht. "Ein Zettel kann immer wegfliegen oder vom Regen ausgewaschen werden", bestätigt Kerstin Ziesmer, Pressesprecherin der Polizei. Deshalb sei die Rechtslage in einem solchen Fall klar.

Schlimm genug für den Professor, dem die Rechtslage vorher nicht klar war. Nun kommt jedoch hinzu, dass Grottian Wiederholungstäter ist. Schon einmal nämlich wurde er wegen Fahrerflucht belangt. Denn 2006 hat er ein anderes Auto zugeparkt. Die Fahrerin des Wagens kam nicht mehr raus.

Eigentlich gilt das als Nötigung. Sein Anwalt riet ihm jedoch, auf Fahrerflucht zu machen, weil Grottian, der Politaktivist, in Sachen Nötigung immer wieder in den Schlagzeilen ist. Aus politischen Gründen und weil es die gesellschaftlichen Bedingungen in Deutschland nötig machen, wie er sagt, hat er schon zum Schwarzfahren aufgerufen, sich an unangemeldeten Demonstrationen beteiligt, zivilen Ungehorsam propagiert. Nötigung eben - dafür wurde er auch schon rechtlich belangt.

Das Zuparken indes, das er sich damals als Fahrerflucht anhängen ließ, kommt nun als Bumerang zurück. Er ist Wiederholungstäter. Es sehe nicht gut aus, meint er. "Natürlich kommt es auf den Richter an." Aber eine Geldstrafe in beträchtlicher Höhe und der Einzug des Führerscheins für längere Zeit, das könne schon auf ihn zukommen.

Käme noch dazu, dass der seit 40 Jahren unfallfrei Fahrende wegen einer Ampel, über die er bei Rot fuhr, und "geringfügiger Fahrüberschreitung" in Flensburg ein paar Punkte hat. "Juristen sehen das alles natürlich mit anderen Augen: Ich, ein Mistfahrer, ein gefährlicher Mensch."

Schon im Dezember haben sie seinen Führerschein eingezogen. "Womöglich", meint er, "schicken sie mich gar zum Idiotentest. Dort würde man wohl rauszufinden suchen, ob ich die menschliche Reife habe, ein Fahrzeug zu lenken." Manche Medien, fürchtet er, werden mit Häme nicht sparen.

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