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Spickmich-Internetportal"Es fehlt eine Feedback-Kultur"

Spickmich stößt die Lehrer mit der Nase darauf, dass im Unterricht Raum für Schülerbeteiligung sein muss. GEW-Vize Marianne Demmer will daher mit spick mich kooperieren - und es zivilisieren.

Die Lehrerin macht gute Miene. Doch kann sie sicher sein, dass die Schüler kein böses Spiel mit ihr im Netz betreiben? Bild: dpa

taz: Auf der Seite spickmich.de bewerten Schüler ihre Lehrer. Schüler finden es wahnsinnig cool, den Spieß mal umzudrehen und selbst Noten zu geben.

Marianne Demmer: Dass ein Teil der SchülerInnen Spickmich klasse findet, ist logisch. Schüler können damit deutlich machen, dass sie eine Möglichkeit wollen, um ihren Lehrern zu sagen, was sie von ihnen fachlich und menschlich halten. Manche wollen sich aber auch rächen. Oft merkt man jedoch ernsthaftes Bemühen, eine faire Rückmeldung zu geben.

Wie finden Sie das?

Spickmich ist auch Ausdruck eines Mangels - einer fehlenden Feedback-Kultur im Unterricht. Wir sehen in Zensuren zur Bewertung aber nicht der Weisheit letzten Schluss - also auch nicht für Lehrer. Aber viel schlimmer ist: Spickmich kann zu anonymem, aber öffentlichem Lehrermobbing auf "hohem Niveau" missbraucht werden. Spickmich ist auch nicht halbwegs objektiv und kann manipuliert werden.

Kann in dem Lehrernoten-Portal dennoch eine Chance stecken?

Spickmich hat aus meiner Sicht indirekt auch einen positiven Effekt: Die Lehrerschaft wird jetzt mit der Nase darauf gestoßen, dass sie im Unterricht Raum geben muss für Schülerbeteiligung und Rückmeldung. Die GEW appelliert seit langem an die Lehrer, in der Schule eine faire und gleichberechtigte Feedback-Kultur zu etablieren. Wir haben bereits vor einigen Jahren mit der Universität Hamburg eine Studie in Hamburger Schulklassen zur feedback-Kultur im Unterricht durchgeführt. Die SchülerInnen hatten die Möglichkeit sich in schriftlichen Befragungen anonym zu äußern. Die Fragen waren vorher gemeinsam erarbeitet worden. Anschließend fand eine gemeinsam Auswertung statt und es wurde nach Entwicklungsmöglichkeiten gesucht.

Was kam bei dem Versuch heraus?

Die Ergebnisse waren sehr positiv. Der Unterricht und das Klima wird besser, wenn SchülerInnen ernst genommen werden, wenn sie sagen können, was ihnen gefällt, was ihnen nicht gefällt, wenn sie Verbesserungsvorschläge machen oder erfolgreichen Unterricht loben können. Ich habe als Lehrerin die Erfahrung gemacht, dass SchülerInnen verantwortungsvoll sind, wenn sie den Eindruck haben, dass man sie als "Partner im Lernprozess" ernst nimmt. SchülerInnen sind ja auch Unterrichtsexperten, nämlich für die Eindrücke und Wirkungen, die ich als Lehrer erziele. Wer die SchülerInnen als "Ko-Konstrukteure" ihrer Lernprozesse auf seiner Seite hat, ist als Lehrer oder Lehrerin in der Regel auch erfolgreich.

Die Alternative zu Spickmich, die Quälvideos über Lehrer bei Youtube. Was ist Ihnen lieber: Solche Horrorfilmchen - oder halbwegs nachvollziehbare Kriterien auf Spickmich?

Die Frage ist rhetorisch, natürlich Spickmich. Aber dennoch: Für die Verbesserung der Schul- und Unterrichtskultur müsste bei Spickmich noch viel passieren, was von der individuellen Lehrerbeurteilung wegführt. Außer einem Anstoß zur Diskussion leistet Spickmich bislang für die konkrete Verbesserung der Feedback-Kultur auf Klassenebene nichts.

Wie könnte man die Bewertungen von Spickmich auf die Klassenebene herunter holen?

Ich bin ziemlich sicher, dass dort, wo Schülerrückmeldung bisher noch nicht fest etabliert war, jetzt verstärkt darüber geredet wird. Die GEW unterstützt das und gibt professionelle Hilfe - zum Beispiel auf unserer Homepage, wo Lehrer Hilfe für Feedback-Prozesse abrufen können.

Könnte die GEW nicht einfach mit Spickmich zusammenarbeiten?

Uns gegenseitig beraten, ja. Wir haben uns gerade mit den Machern der Spickmich-Seite zusammengesetzt. Es war sehr hilfreich, das zu tun. Spickmich will, wenn ich richtig sehe, weg von der Lehrerbeurteilung hin zu einer Bewertung der Schulen. Wir werden da unsere Meinung einbringen, das heißt wir schauen uns die neuen Fragen an und kommentieren sie.

Vielleicht der Beginn einer wunderbaren Freundschaft?

Vielleicht der Beginn einer kritischen Zusammenarbeit. Spickmich hat keine eigenständige "politische Mission", die Schulkultur zu verbessern. Aber wir haben dieses Ziel sehr wohl.

INTERVIEW:CHRISTIAN FÜLLER

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