Böhmer beschwichtigt: Migranten sollen Koch vergessen
Bei einem Treffen mit Migrantenorganisationen bemüht sich die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) um versöhnliche Töne.
BERLIN taz Am liebsten würde Maria Böhmer so tun, als wäre in Hessen nichts geschehen. Nach einem Treffen mit Migrantenorganisationen im Kanzleramt erklärte die Staatsministerin für Integration am Mittwoch, das Gespräch sei "von großem Vertrauen getragen" gewesen. Auf die zahlreichen kritischen Fragen zum Wahlkampf ihres CDU-Parteifreunds Roland Koch reagierte Böhmer genervt: "Jetzt ist es auch mal an der Zeit zu sagen: Die Wahlkampfzeit ist vorbei, der Blick richtet sich nach vorne."
Böhmer sagte, seit dem Integrationsgipfel mit Kanzlerin Angela Merkel im vergangenen Jahr sei man gut vorangekommen. Unternehmer mit Migrationshintergrund hätten sich bereit erklärt, mehr Ausbildungsplätze bereitzustellen. Die Regierung habe eine "Qualifizierungsoffensive" eingeläutet, die insbesondere Migranten zugute komme. Außerdem seien die Integrationskurse verbessert worden. Böhmer betonte, die Migranten seien "eine Bereicherung".
Nach Angaben von Teilnehmern war die Atmosphäre im Kanzleramt jedoch alles andere als entspannt. Mehrere Migrantenvertreter beschwerten sich bei Böhmer über die Art und Weise, wie Koch über "kriminelle junge Ausländer" geredet habe. "Kochs Kampagne hat uns in der Integrationspolitik um Jahre zurückgeworfen", sagte Kenan Kolat, Chef der Türkischen Gemeinde in Deutschland, der taz.
Böhmer räumte indirekt ein, dass Kochs Wahlkampfstil Schaden angerichtet hat. "Wenn Migranten die Empfindung haben, dass ihre Kinder zu Fremden erklärt werden, verunsichert das alle", sagte die Staatsministerin. "Zuspitzungen", wie es sie im hessischen Wahlkampf gegeben habe, dienten nicht der Integration. Böhmer betonte jedoch, dass die "Zuspitzungen von allen Seiten" gekommen seien, auch von türkischen Medien, die Koch Rassismus vorwarfen. "Es gab persönliche Angriffe auch mir gegenüber." Böhmer ging auf Kochs Vorschläge zur härteren Bestrafung jugendlicher Straftäter nicht ein, sagte aber, für sie stünden Vorbeugung und Bildung im Vordergrund.
17 Unionspolitiker um Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust distanzierten sich in einem offenen Brief in der Zeit von Koch. Integrationspolitik sei "so fundamental für die Zukunft unseres Landes, dass sie nicht zu einem schnelllebigen Wahlkampfthema degradiert werden" dürfe. Nötig sei ein "parteienübergreifender Konsens".
Immerhin: Einen Erfolg konnte Böhmer verbuchen. Die Türkischen Gemeinde beteiligte sich diesmal wieder an den Beratungen im Kanzleramt. Den Integrationsgipfel im Juli 2007 hatte sie noch boykottiert - aus Protest gegen Verschärfungen im Zuwanderungsgesetz. "Wir wollten damals eine Botschaft aussenden, und das ist uns gelungen", sagte Kolat. "Aber man kann natürlich nicht jedes Treffen boykottieren." Nun wolle man sich darum bemühen, die Selbstverpflichtungen im Nationalen Integrationsplan zu erfüllen. Auch Ahmet Külahci von der türkischen Tageszeitung Hürriyet bemühte sich, die Wogen zu glätten. Vor der Hessen-Wahl hatte Hürriyet Koch Schäbigkeit vorgeworfen und ihn in die Nähe der NPD gerückt. "An der Berichterstattung ist nichts zurückzunehmen", so Külahci zur taz. "Aber jetzt sollte Schluss sein mit gegenseitigen Schuldzuweisungen."
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