Entscheidungsschlacht in Tschad: Rebellenoffensive hält EU-Truppen ab

Im Tschad rücken die bewaffneten Rebellen bei ihrer größten Offensive seit zwei Jahren auf die Hauptstadt vor. Die EU hat die Entsendung der Eufor-Truppen ausgesetzt.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR evakuierte rund 40 ausländische Helfer aus Guéréda im Osten des Tschad. : dpa

Tschad, wo demnächst EU-Truppen eingesetzt werden sollen, steht am Rande einer Entscheidungsschlacht zwischen Regierungstruppen und Rebellen um die Macht im Land. Panzer fuhren durch die Straßen der Hauptstadt Ndjamena, wo Geschäfte, Märkte und Büros geschlossen blieben und die Straßen leer waren. Hubschrauber kreisten in der Luft. Das Telefonnetz war abgeschaltet. Gerüchte sprachen von einem unmittelbar bevorstehenden Rebellenangriff auf die Hauptstadt.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR evakuierte rund 40 ausländische Helfer aus Guéréda im Osten des Tschad und stellte seine Hilfe für die rund 430.000 sudanesischen und tschadischen Flüchtlinge in der Region vorläufig ein. Gestern Nachmittag wurde auch der weitgehende Abzug aller internationalen Helfer aus Ndjamena über die nahe Grenze nach Kamerun gemeldet.

Die im Osten des Tschad aktiven Rebellen hatten in den vergangenen Tagen in einem offenbar völlig unbemerkten Blitzangriff eine Kolonne von 300 Militärfahrzeugen mit jeweils 10 bis 15 Kämpfern an Bord quer durch das Land in Richtung der 750 Kilometer westlich liegenden Hauptstadt geschickt. Es dauerte bis Donnerstag, bevor Tschads Armee das merkte und unter persönlichem Kommando von Präsident Idriss Déby ausrückte, um die mittlerweile nur noch 200 Kilometer von Ndjamena entfernten Rebellen zu stoppen. Das gelang offenbar nicht: Gestern bestätigten beide Seiten heftige Kämpfe um den Ort Massaguet, nur noch 70 Kilometer östlich von Ndjamena. Am Donnerstag Abend hatten Augenzeugen 30 Kilometer östlich der Hauptstadt Kolonnen von Regierungssoldaten auf dem Rückzug gesehen. Präsident Déby war am gleichen Abend in die Hauptstadt zurückgekehrt und hatte befohlen, einen Verteidigungsring um die Stadt zu errichten.

Timane Erdimi, ein Sprecher der Rebellen, forderte Déby zu Verhandlungen auf. "Wir sind zu Verhandlungen über eine echte Machtteilung bereit", erklärte er. "Wenn nicht, sind wir gezwungen, Déby von der Macht zu verjagen." Er gab Déby eine Frist bis zum gestrigen Freitag. Gestern Nachmittag erklärten beide Seiten, sie hätten bei Massaguet den Gegner in die Flucht geschlagen. Unabhängige Informationen darüber gab es zunächst nicht.

Am Mittwoch hatte ein Rebellenkommandant gesagt, Ziel sei es, Ndjamena vor der Ankunft der ersten EU-Soldaten zu erreichen. Die EU hatte am Montag eine Eingreiftruppe "Eufor" bewilligt, die mit 3.700 Soldaten, mehrheitlich Franzosen, den unruhigen Osten des Landes stabilisieren soll. Tschads Rebellen haben mehrfach gewarnt, sie würden die Truppe bekämpfen, falls sie der Regierung Déby helfen sollte. Rund 70 EU-Soldaten befinden sich bereits vor Ort, um die Logistik der Truppe vorzubereiten. Am Donnerstag hätten die ersten Kampftruppen einfliegen sollen - 54 Special Forces aus Irland. Der Flug wurde annulliert, ebenso wie zwei weitere gestern, unter anderem mit einem Kontingent aus Österreich, das zunächst in Libyen festsaß. Die EU-Truppenstationierung ist nun bis auf Weiteres verschoben.

Stattdessen schickte Frankreich, das bereits 1.100 Soldaten im Tschad stehen hat, 150 Soldaten aus Gabun nach Ndjamena, offiziell um eine Evakuierung der rund 1.500 Franzosen im Land durchführen zu können.

Die Rebellenoffensive ist die größte seit Ostern 2006, als schon einmal eine Rebellentruppe die Hauptstadt erreichte. Sie besetzte das Parlamentsgebäude, das sie irrtümlich für den Präsidentenpalast hielt, und wurde aufgerieben, während vor der Hauptstadt Frankreichs Luftwaffe half, ihre Verstärkung zu zerstreuen. Mehrere Friedensanläufe seitdem sind erfolglos geblieben. Diesmal scheinen sie zahlreicher und besser organisiert zu sein. Am 22. Dezember 2007 hatten sich die drei wichtigsten, bislang zerstrittenen Rebellenfraktionen einen gemeinsamen Militärstab gegeben, den sie nun ausprobieren.

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