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Ein gefräßiges schwarzes Loch

TANZ DEN KAFKA Die Inszenierung des Stücks „Der Bau“ enttäuscht in den Uferstudios – die Szenerie und das Bühnengeschehen erscheinen undynamisch und stumpf

Der Raum ist zunächst eine Blackbox. Zentriert wird er durch sämiges Licht aus einem großen Lichtkasten am Bühnenhimmel. Und dennoch will kein Raum im Raum dadurch entstehen. Die Szenerie wirkt stumpf, unsinnlich, undynamisch.

In ihrem neuen Stück „Der Bau“ referieren Isabelle Schad und Laurent Goldring auf eine Tiererzählung Kafkas. Derzeit wird es in den Uferstudios für zeitgenössischen Tanz aufgeführt. Laut Programmheft will das Stück zeigen, dass „auch der Raum ein Organ ist“. Wie das zusammengehört, kann das Geschehen kaum vermitteln.

Der Medienkünstler Goldring erreicht eher das Gegenteil von dem, was er beispielsweise mit Benoit Lachambre und „Is you me“ zeigte, als er per Projektion Live-Zeichnungen auf die Bühne warf, die vom Raum wie von selbst rhythmisch verschlungen wurden – eine schwindelerregende Palimpsest-Grammatik entstand.

Mit Schad arbeitet er seit Jahren an der skulpturalen Dimension von (bewegten) Körperproportionen. So wurde in der Vorgängerserie „Unturtled“ das Prinzip der Kleidung als Körperhülle verselbstständigt. Die Kleidungsstücke, eigenlebige Membranen, verzerrten den Körper bis er seine gewohnte Erscheinungsordnung aufgeben musste.

Für „Der Bau“ bleiben nun Stoffbahnen um den nackten Leib herum übrig. Sie werden von Schad ritualhaft rhythmisiert, expressiv übergeworfen, gefaltet, geknäuelt – bis die Tänzerin im Stofflabyrinth verschwindet wie das dachsartige Kafka-Ich in seinem Bau.

In der Kafka-Erzählung werden die unbewussten, organischen Körperfunktionen einem bewussten Ich überantwortet. So werden sie zur manischen Aufgabe in einem klaustrophobischen, absoluten Innenraum. „Das Tier-Werden ist eine bewegungslose Wanderung auf der Stelle, die sich nur in Intensität erleben und begreifen lässt. (...) Es ist eine Karte der Intensitäten“, schreiben Gilles Deleuze und Félix Guattari über Kafkas Erzählungen. Dieser Aspekt könnte der körperlichen Ausdauer und Präzision von Schads Materialanverwandlungen Pate stehen. Nur scheint der Raum um jene „Karte der Intensitäten“ weniger ein Organ als ein gefräßiges schwarzes Loch.

Astrid Kaminski

Der Bau, noch bis 03.02., jeweils 19.30 Uhr. Uferstudios, Uferstr. 8/23, Mitte

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