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Gegen den AtomkonsensClement will noch länger strahlen

Der Ex-SPD-Wirtschaftsminister hält den Atomkonsens für einen Fehler und fordert längere AKW-Laufzeiten. Die Atomlobby jubelt, Umweltschützer demonstrieren.

Offen für längere Laufzeiten: Wolfgang Clement. Bild: dpa

BERLIN taz Ein Auftritt, wie ihn sich die Atomlobby wünscht: Bei der Wintertagung des Deutschen Atomforums hat der frühere Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (noch SPD) offen für längere AKW-Laufzeiten geworden. Klimawandel und Versorgungssicherheit ließen "keine Wahl", sagte er unter lautem Beifall. Die Entscheidung, aus der Atomkraft auszusteigen, sei eine "offenkundige Fehleinschätzung" gewesen, die dringend korrigiert werden müsse, so Clement, der als Minister den Atomkonsens verhandelt hatte und heute Aufsichtsrat beim Stromkonzern RWE Power ist.

Mit seinen eigenen Parteigenossen ging Clement hart ins Gericht. Die Vorstellung einer Energieversorgung ohne Atomreaktoren und ohne neue Kohlekraftwerke, wie sie etwa die SPD-Politiker Hermann Scheer und Andrea Ypsilanti vertreten, hält Clement für "illusorisch" und "eine Gefahr für den Industriestandort Deutschland". Nicht "Wille und Vorstellung" dürfe die Energiepolitik bestimmen, sondern die "Fakten", forderte Clement.

Selbst nahm es der frühere Wirtschaftsminister mit den Fakten hingegen nicht so genau. Den Anteil der Atomkraft an der Stromerzeugung, der 2007 nur noch bei 22 Prozent lag, bezifferte Clement auf satte 30 Prozent. Die erneuerbaren Energien sah er hingegen bei 10 Prozent - obwohl im vergangenen Jahr mehr als 14 Prozent des deutschen Stroms regenerativ erzeugt wurden. Ähnlich realistisch waren auch Clements Zukunftserwartungen: Bis 2020 würden Erneuerbare höchstens 20 Prozent des Stroms erzeugen, prophezeite der Minister - die Branche selbst geht hingegen von mindestens 30, eher 35 Prozent aus.

Hoch im Kurs stand bei der Tagung in Berlin das Argument, dass die Atomkraft jenseits der Grenzen boome. "Deutschland isoliert sich in Europa und weltweit völlig mit seiner Kernenergiepolitik", erklärte der Präsident des Atomforums, Walter Hohlefelder. Auch Clement betonte, dass weltweit 22 AKW im Bau und 40 in der Planung seien. Bei der Konferenz selbst konnte kein Widerspruch aufkommen, denn Atomkritiker waren nicht geladen. Nur von außerhalb gab es Kritik: "Die 'Renaissance der Atomenergie' findet auch international nicht statt", erklärte BUND-Atomexpertin Renate Backhaus. Während in Europa derzeit nur zwei AKW gebaut würden, seien allein 2006 europaweit acht Reaktoren stillgelegt worden. Neubaupläne wie in Großbritannien würden nur umgesetzt, wenn es staatliche Zuschüsse gebe. Und nützen werde es wenig, sagte Backhaus: "Mit extrem hohem finanziellen Aufwand kann mit Atomkraftwerken lediglich ein minimaler Klimaeffekt erzielt werden."

Auch Umweltminister Sigmar Gabriel reagierte verärgert auf Clements Auftritt. Indem dieser nach dem Ende seiner bezahlten Tätigkeit als Politiker nun alles in Frage stelle, was er zuvor selbst zu verantworten hatte, lasse er Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner politischen Überzeugungen aufkommen, sagte Gabriel: "Mit welchem Meinungswandel wird er uns morgen überraschen?" Clement war schon zuvor innerparteilich scharf kritisiert worden, als er vor der Wahl in Hessen mit Verweis auf Ypsilantis Energiepolitik davor gewarnt hatte, SPD zu wählen.

Bei einer Demonstration vor dem Tagungshotel protestierten mehrere hundert Umweltschützer gegen das Atomforum. "Man darf den Teufel nicht mit dem Beelzebub austreiben", sagte Demosprecher Daniel Klein zum Argument, Atomkraft schütze das Klima. Notwendig seien vielmehr Energieeinsparung, Effizienz und verstärkter Ausbau erneuerbarer Energien. "Je früher wir umsteigen, desto besser sind wir für die Zukunft gewappnet."

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6 Kommentare

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  • BG
    Bürger G

    @ robotman:

    genau das meine ich: immer wieder die gleichen falschen argumente (trotz austieg genug strom): Wenn man den Strom Ex- und Import als alleinige Zahl hernimmt und dann damit argumentiert man bräuchte die Kernkraft nicht, weil genug Strom da sei, dann vergleicht man ÄPFEL MIT BIRNEN! Bitte informiert euch mal! Themenvorschlag: Grundlaststrom, Spitzenlaststrom, Versorgungssicherheit etc. p.p.

     

    ...auch schön, dass man in der taz mit einem artikel der selbigen argumentieren möchte: daran sieht man die objektivität der hier kommentierenden!

  • R
    robotman

    sehr geehrter Bürger G,

     

    bevor sie den Herrn Clement so schön verteidigen "... nunja, die Anti-Atom-Lobby hatte ja noch nie wirkliche ernsthafte Argumente. Jetzt wird es zunehmend immer lächerlicher:

    -Man versucht einen SPD Politiker und ehemaligen Minister zu denunzieren, der eine Meinung vertritt und diese sehr gut argumentiert..."

     

    schauen Sie sich vielleicht das mal an:

     

    http://www.taz.de/1/zukunft/umwelt/artikel/1/trotz-ausstieg-genug-strom/?src=TE&cHash=548673e3bc

  • BG
    Bürger G

    zu Klaus:

    1. der Kommentar passt thematisch überhaupt nicht zum obrigen Thema, aber das ist ein generelles Problem der Anti-Atom-Lobby, da sie keine wirklichen Argumente besitzt

    2. Ist es ganz klar, dass man dafür sorgen muss, wenn es nicht schon geschieht, dass Uran umweltverträglich gefördert wird und die Arbeitsbedingungen und die Lebensumstände der Anwohner in Ordnung sind (wie reißerisch oder wahrheitsgemäß der Frontal-Bericht ist, kann ich auf die schnelle nicht beurteilen, aber Frontal 21 hat in der Vergangenheit nicht immer den besten Journalismus bewiesen, wie eben leider auch die taz)

    3. möchte ich die Frage stellen, ob sich schon jemand Gedanken gemacht hat, ob die Kohle, Erze und andere Rohstoffe die wir täglich verwenden (z. B. für Kohlekraftwerke, zum Bau von Windanlagen, zum Bau von Photovoltaikanlagen) nicht evtl. ebenso unter unklaren Bedingungen gefördert werden und niemand sagt, "lass uns aus der Kohleverstromung aussteigen, Lass uns aus der Windkraft aussteigen, Lass uns aus der Solarstromerzeugung aussteigen"

  • K
    Klaus

    Wer immer noch für Atomstrom ist, sollte sich den Bericht "Gefährliches Uran - Verheerende Umweltschäden im Ausland" von Frontal 21 anschauen: http://frontal21.zdf.de/ZDFde/inhalt/5/0,1872,7142789,00.html

    Von wegen Klimaschutz!

  • BG
    Bürger G

    nunja, die Anti-Atom-Lobby hatte ja noch nie wirkliche ernsthafte Argumente. Jetzt wird es zunehmend immer lächerlicher:

    -Man versucht einen SPD Politiker und ehemaligen Minister zu denunzieren, der eine Meinung vertritt und diese sehr gut argumentiert.

    -Man wirft im Lobbyismus vor, weil er als ArbeitNEHMERvertreter in einem Aufsichtsrat sitzt (für diese Vertretung der Arbeitnehmer in Aufsichtsräten haben im übrigen Generationen gekämpft!) und dafür eine jährliche Aufwandsentschädigung bekommt, die er im Bundestag in ein paar Monaten gemütlicher absitzen könnte.

    -Man will einfach nicht wahrhaben, dass die Kernkraft außerhalb von Deutschland eine deutliche Option ist und in Finnland, Frankreich, England, Rumänien, Bulgarien und Schweiz neue Kernkraftwerke gebaut werden und außerhalb Europas sowieso (China, Indien, USA, Canada etc)

    -Man will des weitern einfach nicht wahrhaben und das bestätigen zahlreiche Studien, dass der Dreiklang "Energieeinsparung, Effizienz und Ausbau erneuerbarer Energien" noch nicht ausreichen wird um mit Erneuerbaren den Strombedarf versorgungssicher und kosteneffizient zu decken, das sind wunschbilder die ja schön wären, aber völligst realitätsfern!(vor allem, wenn man zeitgleich, gegen Überlandleitungen (von Nord nach Süd, da wo der wind herkommt) ist und Wasserkraftneubauprojekte blockiert etc pp)

  • B
    Benjamin

    Sozialdemokraten die nach ihrer Amtszeit Großindustrielle werden, und nichts mehr davon wissen, wofür sie einst standen, scheinen in Deutschland ja keine Seltenheit zu sein.

    Die Frage nach Nachhaltigkeit, vor allem Ökologischer steht nach wie vor im Schatten der Volkswirtschaft.

    Erst wenn es zu spät ist, werden die, die jetzt alles verbocken behaupten, sie hätten schon immer davor gewarnt...