Kosovo vor der Unabhängigkeit: Zuversichtlich und entspannt
Die Albaner vertrauen der internationalen Unterstützung und erwarten eine baldige Unabhängigkeitserklärung. Auch geplanter serbischer Boykott ändert daran nichts.
PRISHTINA taz Noch vor wenigen Wochen hatten Besucher in Kosovo mehr Chancen, im Lotto zu gewinnen, als einen lachenden Albaner zu sehen. Jetzt ist das alles anders. Die Bevölkerung in Prishtina wartet entspannt auf den Tag X, der vermutlich auf den 17. Februar gelegt wird. Das Hotel Afa bietet Gästen sogar 20 Prozent Rabatt an, wenn sie aus Ländern kommen, die Kosovo anerkennen wollen. Selbst der immer griesgrämig dreinschauende Premierminister Hashim Thaçi strömt Zuversicht aus. Und nicht einmal die Nachricht vom Donnerstagabend, die serbische Minderheit wolle sich im Falle der Unabhängigkeitserklärung Kosovos selber unabhängig erklären und ein eigenes Parlament gründen, ist in Prishtina noch ein Aufreger. Das hat die Öffentlichkeit schon lange erwartet.
Die Albaner vertrauen den internationalen Kräften in Gestalt der UN-Mission, den internationalen Truppen KFOR und internationalen Polizeikräften. Hinter den Kulissen sind ja die Weichen längst gestellt. Die meisten der 27 EU-Staaten werden die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennen, nur Zypern und Rumänien scheinen noch unsichere Kandidaten zu sein.
Die EU-Mission, die gleich nach der Unabhängigkeit die bestehende UN-Mission in Kosovo ablösen soll, hat Konturen angenommen. Kosovo wird nicht geteilt, die bisherigen Grenzen blieben bestehen und würden von den KFOR-Truppen gesichert, ist die Botschaft der internationalen Gemeinschaft. Alle spielen mögliche Gefahren herunter, auch die kosovarischen Politiker. Premierminister Thaçi und der neue Erziehungsminister Enver Hoxhaj besuchten in den letzten Tagen serbische Dörfer und forderten die Serben des Kosovo auf, im Lande zu bleiben und beim Aufbau des Landes mitzumachen. Auch Murat Jashari, der jetzige Sprecher der legendären und einflussreichen Familie Jashari - seit dem 7. März 1998, als 46 Mitglieder der Großfamilie von serbischen Milizen ermordet wurden, die Ikone des kosovoalbanischen Nationalbewusstseins -, sagt: "Die einheimischen Serben haben ebenso eine Heimat hier im Kosovo wie die Albaner oder anderen Minderheiten. Kosovo ist für alle da."
Doch hinter den Kulissen sind die internationalen Organisationen auf alle Eventualitäten vorbereiten. So erklärte der Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Hans Nyberg, man habe vorgesorgt, sollte es zu Übergriffen auf die serbische Bevölkerung im Süden des Landes oder im serbischen Nordteil auf die 4.000 dort lebenden Albaner kommen.
In dem von Serben bewohnten Nordmitrovica scheint die Strategie der Beruhigung zu wirken: Die Leute vertrauen auf ihre eigenen Politiker und auf Belgrad. Die serbischen Wächter an der Brücke über den Ibar-Fluss, der von internationalen Polizisten bewachten Grenze zwischen albanischem und serbischem Stadtteil, waren am Donnerstag nach der Sitzung von 200 Führern der serbischen Gemeinden im Kosovo wenig aufgeregt. Einer von deren Sprechern, Tomislav Zivkovic, erklärte nach der Sitzung, die serbische Minderheit Kosovos werde ihr eigenes Parlament einrichten und die geplante EU-Polizei- und Justizmission behindern und boykottieren. Am 15. Februar wollen sie weitere Einzelheiten beraten.
Ob die obstruktive Haltung noch Einfluss auf den Gang der Dinge nehmen kann, ist äußerst zweifelhaft. Für die grüne Europaparlamentarierin Angelika Beer sind die Weichen in Richtung Unabhängigkeit endgültig gestellt. Alle Versuche der Kosovoserben und Belgrads, die serbischen Gebiete Kosovos abzutrennen, würden weder von der EU noch von der Nato akzeptiert. Und der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold erklärte in Prishtina der taz, nicht einmal Anschläge von serbischer Seite würden die getroffenen politischen Entscheidungen noch beeinflussen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Trumps Personalentscheidungen
Kabinett ohne Erwachsene
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein