Die Bräute Allahs: Nur fromm, nicht mündig
Empathie ist ein Fremdwort: In "Shahida - Die Bräute Allahs" (Forum) erläutern in israelischen Gefängnissen inhaftierte Hamas-Kämpferinnen ihre Legitimation zum Bomben.
Sie sind sich ihrer Sache absolut sicher, die Bräute Allahs, die Natalie Assoulines Dokumentarfilm den Titel geben. Für sie existieren nur "die" und "wir": die Juden, wir Muslime. Der Begriff Empathie ist ihnen so restlos fremd, als entstamme er dem Wortschatz irgendwelcher Marsmenschen. Das macht der von Glück beseelte Ausdruck klar, der schlagartig das Gesicht der inhaftierten Kahira verklärt, als sie berichtet, wie sie mit einem Selbstmordattentäter nach Jerusalem fuhr, ihm dort in einem strategisch viel versprechenden Moment das Todeskommando gab und es danach - mehr beeindruckt als wirklich entsetzt von all dem Blut - versäumte, rechtzeitig zu verschwinden. Ein Fehler, der die vierfache Mutter dreimal "lebenslänglich" kostete. Gemeinsam mit anderen Gotteskriegerinnen verbüßt sie ihre Strafe in einem israelischen Hochsicherheitsgefängnis.
In diesen geschlossenen Kosmos dringt nun mit der 1972 geborenen israelischen Filmemacherin Natalie Assouline glücklicherweise tatsächlich eine Art Marsmensch ein. Denn ihr Ansatz, den Täterinnen ohne jedes Wenn und Aber das Wort zu geben, bewirkt, dass sich, wenn auch nicht die Inhaftierten selbst, so zumindest die Zuschauer am Ende einen Begriff davon machen können, was Empathie meint. Denn Assouline gab ihren Protagonistinnen nicht einfach nur Raum, ihre radikale Wahrnehmung des israelisch-palästinensischen Konflikts zu artikulieren und die mörderischen Schlussfolgerungen, die sie daraus ziehen. Sie ließ sich von dieser Sichtweise ergreifen. Nur so ist die Vorbehaltlosigkeit auf beiden Seiten zu erklären: die Offenheit, mit der sich die Frauen äußern, sich von Kamera und Mikrofon begleiten und belauschen lassen; aber auch das geduldige Interesse von Natalie Assouline, das, ginge es mit rechten Dingen zu, die Bräute Allahs beschämen müsste.
Die freilich geben völlig ungerührt zu Protokoll, der Mangel an Kriegsmaterial wie Panzern und Raketen legitimiere den Einsatz des eigenen Körpers als Waffe im gottgefälligen Kampf gegen den Erzfeind Israel. Das Gefängnis, das im Verlauf des Films immer mehr als eine Art Frauenkloster erscheint, formiert die Frauen als Kader, der eine unerbittliche Kriegslogik vertritt und sich voll und ganz zur Hamas bekennt. Natalie Assouline porträtiert hier dennoch keine Monstren, sondern freundliche Frauen und liebevolle Mütter. Die in ihrer Entscheidung, sich den vermeintlichen Forderungen von Religion und Politik vollkommen zu unterwerfen, trotzdem gnadenlos gegenüber der eigenen Familie und ihren Kindern sind. Blind für die Welt. Eben doch nur fromm, nicht mündig. Gefährlich für die Menschen im israelischen Alltag, ungefährlich für die, die vom Fortbestehen des Konflikts profitieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!