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Interview zur "Dittsche"-StaffelEckkneipen-Idyll

In den neuen "Dittsche"-Folgen überzeugen Olli Dietrich und Franz Jarnach wieder durch Komik und Unterschichtsauthentizität. Jarnach, alias "Schildkröte", kommt nun öfter zu Wort.

"Dittsche" und ein etwas verschwommener "Schildkröte", rechts im Bild. Bild: ap
Interview von Gunnar Leue

taz: Guten Tag, Herr Jarnach.

Franz Jarnach: Kannst ruhig Piggi zu mir sagen, wie das alle tun. Hier in Hamburg, da kennt man mich sowieso nur als Mister Piggi.

Und im ganzen Land als Schildkröte.

Ja, so rufen mich inzwischen auch viele Leute, wenn sie mich auf der Straße sehen. (Schildkröte packt seine Zigaretten auf den Tisch, raucht aber nicht, es ist ja Rauchverbot)

Am 16. Februar beginnt die neue "Dittsche"-Staffel. Dürfen Sie dann eigentlich noch in Ingos Grill-Station, die ja ein echter Imbiss in Eppendorf ist, rauchen?

Da die Sendung "Das wirklich wahre Leben" heißt, gehe ich mal davon aus, dass ich auch während der Sendung nicht mehr rauchen darf. Aber damit habe ich kein Problem, ich werde darauf auch mal eine halbe Stunde verzichten können.

Aufs Reden müssen Sie ja auch immer eine halbe Stunde verzichten. Sie sind der berühmteste Schweiger im deutschen Fernsehen - entspricht das ihrem privaten Naturell als gebürtiger Rheinländer?

Nee, eigentlich nicht, obwohl ich auch längst ein richtiger Hamburger bin.

Wer kam auf die Idee, Sie da sitzen und schweigen zu lassen?

Olli Dittrich. Er hat ja die ganze Sendung erfunden. Olli suchte für "Dittsche" einen Typen, der nur da sitzt auf seinem Hocker und keinen Ton sagt - bis auf den berühmten Schlusssatz: "Halt die Klappe, ich hab Feierabend."

Sehen Sie Ihren Auftritt in "Dittsche" als Rolle oder als gut bezahlten Nebenjob?

Sagen wir mal so, es macht mir unwahrscheinlich Spaß, aber hauptsächlich bin ich Musiker. Ich stehe seit über vierzig Jahren auf der Bühne. Von daher kenne ich auch Olli Dittrich. Früher spielten wir ab und zu gemeinsam in einer Band. Ich habe mich aber auch schon als Schauspieler versucht und in einigen Musicals mitgespielt - in "Only You" Teil eins und zwei und in "Jailhouse". Da war ich der musikalische Leiter und habe die Leute am Klavier begleitet, aber auch schon in kleinen Rollen irgendwelchen Blödsinn geredet.

Blödsinnreden ist ja bei "Dittsche" Olli Dittrichs Job, allerdings gewann man zuletzt den Eindruck, Sie tauen langsam auf und plaudern gern mal mit?

Olli hat zu mir gesagt: "Piggi, wenn du was sagen willst, kannst du das ruhig tun." Hin und wieder reizt es mich auch, aber meist halte ich lieber die Klappe, bevor ich was Dummes sage, schließlich kann man das nicht rausschneiden. Manchmal habe ich zuletzt aber doch meinen Senf dazugegeben.

Wissen Sie vorher, worüber Dittsche schwadronieren wird?

Nein, das ist ja alles spontan und live. Nur als Dittsche in der letzten Sendung von der Polizei verhaftet wurde, wusste ich im Gegensatz zu Ingo vorher davon, weil ich ja dann Dittsches Rolle übernehmen musste.

Bereiten Sie sich auf die Sendung vor?

Nö, überhaupt nicht. Ich komme rechtzeitig zum Imbiss angefahren, ich wohne ja nur zehn Minuten entfernt - kurze Tonprobe und dann gehts los.

Dittsche reflektiert die Woche aus der Sicht des Bild-Lesers. Lesen Sie Bild?

Ich mag keine großen Zeitungen, ich lese die Hamburger Morgenpost.

Staunen Sie manchmal, was Dittsche so schwafelt?

Oh ja.

Das gesamte deutsche Feuilleton hat Dittsches Denkmuster analysiert und über die philosophische Ebene seiner Neunmalklugheit sinniert. Wie finden Sie das?

Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.

Wie sieht das wirklich wahre Leben für Sie aus?

Für mich persönlich ist es die Musik. Ich habe ja früh damit angefangen, mit vier Jahren begann ich Klavier zu lernen. Meine Mutter war Konzertpianistin und ich sollte ebenfalls klassischer Pianist werden, wozu ich aber keine Lust hatte. Mit elf interessierte ich mich dann für Schlager: Peter Alexander, Caterina Valente, Vico Torriani, und als ich mit zwölf in einer Spielhalle in Eppendorf das erste Mal eine Musikbox sah, war ich völlig fasziniert von den ganzen englischen Rock-n-Roll-Liedern von Fats Domino, Bill Haley, Elvis Presley. Nachdem ich im Kino den Elvis-Film "Gold aus heißer Kehle" gesehen hatte, stand für mich fest: Das musst du auch machen! Da ich keine Gitarre, sondern Klavier spielte, habe ich mich jedoch an Jerry Lee Lewis orientiert. Als 18-Jähriger habe ich sogar mal mit den Beatles gespielt.

Oh!

Das war im "Top Ten"-Club auf der Reeperbahn, wo die Beatles als Tanzkapelle täglich bis vier Uhr morgens spielten. Jeden Dienstag gab es dort einen Sängerwettstreit, bei dem man sich anmelden konnte und von den Beatles begleitet wurde. Karaoke gabs ja damals noch nicht. Als ich dran war, fiel der Wettstreit zwar aus, aber ich durfte trotzdem auf die Bühne und habe ein paar Jerry-Lee-Lewis-Nummern mit den Jungs gespielt. Das waren alles witzige, ausgeflippte Typen, die hatten auf der Bühne nur Blödsinn im Kopf. Kurz darauf habe ich dann selber eine Band gegründet: Mr. Piggi and the Jokers. An der Staatlichen Musikhochschule in Hamburg, wo ich kurzzeitig Klarinette und Geige studiert hatte, war mir sowieso nahegelegt worden aufzuhören, weil ich auf Rock n Roll stand. Außerdem war ich ziemlich faul. Als mich Lee Curtis im Star-Club hörte und in seine Band holte, bin ich mit ihm auf Tournee gegangen, später auch mit Tony Sheridan. Danach tourte ich mit einer Band sechs Jahre durch Italien, bis der Disco-Boom das Tanzmusikgeschäft kaputtmachte. Also ging ich zurück nach Hamburg, wo ich über die Jahre in den verschiedensten Bands unter anderem für Gitte Henning, Jürgen Drews spielte und eben am Theater. In der Musikszene lernte ich auch Olli Dittrich kennen.

Da schließt sich der Kreis, würde Dittsche sagen. Inzwischen sind er und Schildkröte Kultfiguren. Welche Folgen hat das für Sie?

Ich werde natürlich häufig angesprochen und die Autogrammstunde am Imbiss nach der Sendung dauert manchmal länger als die Sendung selbst. Außerdem bekomme ich mehr Anfragen für Auftritte. Die kommen aus der ganzen Bundesrepublik, aus Berlin, Düsseldorf, Köln, sogar von einem Rockfestival. Es ist echt verrückt: Neulich war ich in Hannover zu einer Dittsche-Party, wo lauter Leute im Bademantel rumliefen. Da wurden Dittsche-Filme gezeigt und ich habe auf dem Klavier gespielt. Auf meine alten Tage werde ich noch berühmt, das ist schon toll. Früher durfte ich mir anhören: Mit 35 will dich keiner mehr auf der Bühne sehen, und jetzt mache ich mit 64 Jahren immer noch Rock n Roll. Die Zeiten haben sich eben geändert. Ich weiß noch, dass es 1957 sogar über Elvis hieß: Von dem spricht in zwei Jahren kein Mensch mehr. Mit seinen beiden Bandmitgliedern Scotty Moore und DJ Fontana habe ich übrigens später auch mal zusammen gespielt. Darauf bin ich am meisten stolz.

Warum lässt Dittsche das Thema Musik nie in die Sendung einfließen?

Er hat mich ja mal in der Sendung gefragt: Schildkröte, du bist doch Musiker. Ich hab gesagt: Ja, ein richtiger Rock n Roller. Aber das Thema haben wir dann nicht weiter ausdiskutiert.

Stattdessen ist Fußball ein Dauerthema. Sind sie Fußballfan?

Nee.

Dann nervt Sie Dittsches ewiges Gerede über Fußball?

Nö, ich schau mir auch mal ein Spiel an, aber bin nicht so fanatisch wie die meisten Leute.

Dann waren Sie auch nicht aufgeregt, als Uwe Seeler in einer Sendung Ihre Rolle übernahm?

Das nicht, und er hat es ja auch gut gemacht. Ich fand es allerdings lustig, dass er die ganze Zeit einen Zettel vor sich liegen hatte, auf dem mein Schlusssatz stand.

Haben Sie sich den rechtlich schützen lassen?

Das hat Olli gemacht, er hat ihn sich ja schließlich ausgedacht. Aber er hat mich freundlicherweise beteiligt, wenn die Vermarktung was einbringt.

Sie haben jetzt eine Managerin?

Weil mich das alles etwas überfordert. Ich selber besitze ja keinen Computer, aber ich habe mir sagen lassen, im Internet ist die Hölle los. Ich habe inzwischen eine MySpace-Seite, auf der man auch Downloads kriegen kann oder einen Klingelton von "Halt die Klappe, ich hab Feierabend", den ich als Instrumental komponiert habe. Eine CD wollen wir auch produzieren, mal sehen.

Neuerdings läuft "Dittsche" ja samstags

Das ist für mich als Musiker natürlich nicht so günstig, weil der Sonnabend ein klassischer Musikertag ist und die besten Auftrittsmöglichkeiten bietet. Aber ich bin in erster Linie froh, dass die Sendung weitergeht. Die Leute wollen das offenbar weiterhin sehen, sonst würde es der WDR sicher nicht fortführen.

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