Festnahmen in Pariser Banlieues: Riesenrazzia vor laufenden Kameras

Frankreichs Polizei verhaftet im Pariser Vorort Villiers-le-Bel 33 Personen. Innenministerin Alliot-Marie bedauert Medienpräsenz, spricht aber von "schöner Operation".

Französische Eliteeinheiten nehmen potenzielle Rädelsführer medienwirksam fest. Bild: dpa

Eine gigantische Razzia hat am Montagmorgen die EinwohnerInnen von Villiers-le-Bel im Norden von Paris geweckt - und für eindrucksvolle Bilder in den französischen Medien gesorgt. Drei Monate nach den Krawallen in der Banlieue marschierten 1.000 PolizistInnen verschiedener Eliteeinheiten mit Masken, Kampfuniform und Rammböcken vor mehreren Sozialwohnsiedlungen auf. Am Fuß der Wohnblocks warteten bereits Dutzende von FotografInnen und Kameraleuten. Die Polizei nahm 33 Personen fest, von denen Stunden später mehrere wieder freigelassen werden mussten. Ob die beiden mutmaßlichen "Rädelsführer" der Krawalle vom November unter den Festgenommenen sind, war bei Redaktionsschluss unbekannt.

Die "Medienrazzia" zwei Wochen vor den Gemeindewahlen in Frankreich, bei denen die regierende rechte UMP starke Verluste befürchtet, löste umgehend kritische Reaktionen aus. Zwei ExpräsidentschaftskandidatInnen protestierten dagegen. Der Rechtsliberale François Bayrou mahnte: "Man sollte Justiz und Inszenierung nicht verwechseln." Die Sozialdemokratin Ségolène Royal sprach von einem "neuen Wahlkampf mit der Angst". Der Bürgermeister von Villiers-le-Bel, der Sozialdemokrat Didier Vaillant, wunderte sich laut darüber, dass die Medien lange vor ihm über die Operation in seiner Gemeinde informiert waren. Und die Polizeigewerkschaft Unsa erklärte, die Anwesenheit von Journalisten habe ihre Sicherheit gefährdet.

Am späten Vormittag, als die Polizeieinheiten die Banlieue verlassen hatten, bedauerte Innenministerin Michèle Alliot-Marie die angeblich ungewollte Medienpräsenz während des Einsatzes. Zugleich lobte die Ministerin, die der Partei des Staatschefs angehört, eine "sehr schöne und erfolgreiche Operation".

In Villiers-le-Bel, eine der ärmsten Gemeinden im Großraum Paris, waren im vergangenen November ein 15- und ein 16-jähriger Motorradfahrer bei einem Zusammenstoß mit einem Streifenwagen umgekommen. Unmittelbar danach brachen Unruhen aus, die drei Nächte andauerten. Jugendliche aus Villiers-le-Bel und Umgebung, die der Polizei mal Absicht, mal unterlassene Hilfeleistung vorwarfen, setzten Dutzende von Autos in Flammen, verbrannten die örtliche Bibliothek und Bushaltestellen und schlugen Scheiben von Geschäften ein. Anders als bei früheren Banlieue-Unruhen kam es zu massiver und gezielter Gewalt gegen die Polizei - unter anderem mit Schüssen aus Schrotflinten. Fünf Polizisten wurden schwer verletzt, weitere 114 erlitten leichte Verletzungen.

Staatspräsident Nicolas Sarkozy verneinte, dass die gewalttätigen Reaktionen in einem Zusammenhang mit der sozialen Misere in Villiers-le-Bel stehen könnten. Noch bevor die Justiz ihre Arbeit aufnehmen konnte, kündigte er an, die Täter würden vor ein Schwurgericht gestellt. An die Adresse der Polizei sagte Sarkozy im November: "Setzt alle Mittel ein, die ihr wollt. Das kann nicht unbestraft bleiben."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.