Kampf um SPD-Spitze in Thüringen: Angst vor der Abseitsfalle

Am Sonntag entscheidet Thüringens SPD über ihren Spitzenkandidaten. Diese Wahl bestimmt, ob es 2009 eine rot-rote Koalition geben wird. Denn die Kanditaten sind uneinig.

Matschie (links) lehnt eine Koalition mit der Linken ab, Dewes (rechts) nicht. Bild: dpa

ERFURT taz Am Wochenende entscheidet sich, ob in Thüringen ab 2009 eine rot-rote Koalition regieren kann. Zwei Männer kämpfen darum, die SPD künftig zu führen: Richard Dewes und Christoph Matschie. Ersterer würde auch unter einem Linke-Ministerpräsidenten mitregieren, der Zweite lehnt das ab. Am Sonntag küren die 4.400 Thüringer Genossen in einer Urwahl ihren Spitzenkandidaten.

In allen 21 Kreisverbänden treten die Rivalen deswegen zu Rededuellen an. In der Landeshauptstadt Erfurt trafen die beiden am Donnerstagabend zum vorletzten Mal vor 150 Parteianhängern aufeinander. Mit Nörgeleien über den Zustand der Thüringen-SPD hatte sich der frühere Innenminister und Landesvorsitzende Dewes nach den empfindlichen Wahlniederlagen von 1999 und 2004 immer wieder zu Wort gemeldet. Dass sich der 59-Jährige im November des Vorjahres beim Landesparteitag in Schmalkalden plötzlich wieder auftauchte und an die SPD-Spitze wollte, überraschte dennoch.

Schließlich geben ihm noch immer viele Parteimitglieder die Schuld an den 18,5 Prozent von 1999, weil er eine Koalition mit der PDS bis zuletzt offenhielt. Und auch jetzt wieder stellt Dewes die R-Frage: Sollte die SPD nicht auch unter Linke-Landeschef Bodo Ramelow als Ministerpräsident regieren? Dewes meint Ja.

Im direkten Duell werden Unterschiede der Kandidaten deutlich. Christoph Matschie redet schöne Sätze und verweist auf seine Unterstützung aus dem Parteiapparat. Der 46-Jährige verteidigt die Agenda 2010, freut sich aber auch, dass die SPD zur Partei der sozialen Gerechtigkeit zurückgefunden habe. "Wer hat die Regierung unter Druck gesetzt?", fragt Matschie und verweist darauf, dass er als Oppositionsführer wahrgenommen werde, obschon die Linke fast doppelt so viele Sitze im Landtag hat.

Dewes hat Agenda und Rentenreform stets kritisiert. Tausend Mitglieder habe die Landespartei deswegen verloren. "Welcher Kandidat erreicht die Menschen?", hält er dagegen und gibt sich betont sozial. Womit gewinnt man Wähler zurück? Dewes verweist auf das abschreckende Beispiel der Totalverweigerung der sächsischen SPD gegenüber der Linken, die damit unter zehn Prozent gerutscht sei. Und eine große Koalition wie vor 1999 in Thüringen käme ebenso nicht in Frage, denn da verlöre die SPD auch an Zustimmung. Siehe ebenfalls Sachsen. Er bekommt nur mäßigen Beifall.

Die rot-rote Option verschrecke Wechselwähler von der CDU, entgegnet Matschie. Vor allem drohe mit einem SPD-gestützten ersten linken Ministerpräsidenten in Deutschland die "strategische Abseitsfalle". Die Auseinandersetzung finde dann zwischen der Linken und der CDU statt, die Machtachse werde zu Lasten der SPD verschoben. Starker Beifall. In Erfurt wird noch einmal der Zustand der Sozialdemokraten illustriert: Obwohl die Matschie-Anhänger in der Mehrheit zu sein scheinen, gibt es genug Dewesianer, um die Partei zu spalten. Der Sieger wird einiges zu kitten haben. MICHAEL BARTSCH

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