Liechtensteiner Steueraffäre: Ein Rührstück vom BND

Es sah aus wie ein Krimi mit Happy End: Der BND entlarvte Steuerhinterzieher. Jetzt gibt es Indizien, dass der BND von eigenen illegalen Aktivitäten ablenken wollte.

Sollte das Aufdecken der Steueraffäre im Fürstentum nur von den Machenschaften des BND ablenken? Bild: dpa

Eine rührende Geschichte dringt derzeit aus dem Bundesnachrichtendienst (BND) in die Medien: In Argentinien entführt worden sei der Mann. Zehn Tage lang gefoltert, misshandelt mit glühenden Zigaretten. Das Lösegeld habe er selbst beschaffen müssen und danach nie wieder gesehen. Der Mann, das ist der Informant, der mit der Übergabe mehrerer DVDs an den deutschen Auslandsgeheimdienst die aktuelle Affäre um Steuerhinterziehung über liechtensteinische Stiftungen ausgelöst haben soll.

Zwar sei er auch vorher bereits in Geldnot gewesen, heißt es, habe 1996 mit betrügerischen Immobiliendeals in Spanien rund 600.000 Schweizer Franken gemacht. Die Daten und Korrespondenzen deutscher Steuerhinterzieher, die er illegal von Computern des Liechtenstein Global Trust (LGT) kopiert habe, seien dem BND zwar rund 5 Millionen Euro wert gewesen, so wird berichtet. Geliefert aber habe der mittlerweile mit einer neuen Identität ausgestattete Informant aus einem tief empfundenen Unrechtsgefühl heraus. Selbst sein Name kursiert: Der Mann heißt demnach Heinrich Kieber, ist 42, Computerspezialist und Exangestellter der liechtensteinischen LGT-Group - und am anderen Ende der Welt, in Australien, auf der Flucht, konnte man beispielsweise im Spiegel lesen.

Eine wirklich rührende Legende - nur leider in entscheidenden Punkten nicht ganz stimmig. So soll Kieber die Kundendaten, Korrespondenzen, Verträge, Vermerke bis zum Jahr 2002 kopiert haben - schon im Januar 2003 habe ihm die LGT-Group gekündigt. Auf den DVDs aber, die der Computerfachmann dem BND geliefert haben soll, finden sich nach zuverlässigen Angaben aus Ermittlerkreisen Informationen, die "teilweise bis 2005" reichen. Darüber hinaus bestätigt inzwischen die federführende, auf Wirtschaftskriminalität spezialisierte Staatsanwaltschaft Bochum, dass ihr mittlerweile Erkenntnisse über Kunden einer zweiten Bank aus dem Steuerparadies Liechtenstein vorliegen - dabei soll es sich um die Vontobel Treuhand AG mit Sitz in Vaduz handeln.

Selbst wenn Teile der rührseligen Geschichte stimmen sollten: Kieber dürfte demnach zumindest nicht die einzige Quelle des BND gewesen sein. Dass der Nachrichtendienst bei den Ermittlungen gegen deutsche Steuermillionäre eine merkwürdige Doppelrolle spielt, ist nach taz-Recherchen schon länger klar. Bereits die spektakuläre Durchsuchung der Kölner Villa des mittlerweile zurückgetretenen Postchefs Klaus Zumwinkel vor knapp zwei Wochen sei von den Geheimdienstlern medienwirksam vor laufenden Kameras inszeniert worden, heißt es aus dem Umfeld der nordrhein-westfälischen Landesregierung - das ZDF war bereits zwei Stunden vor Eintreffen der ermittelnden Bochumer Staatsanwälte mit einem Ü-Wagen in der Mehlemer Straße vor Ort. "Der entscheidende Tipp kam vom BND", ist in Düsseldorf zu hören.

Auch ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, dessen Mitarbeitern vorgeworfen wird, sie hätten sich mit ihrer Berichterstattung von der Staatsanwaltschaft instrumentalisieren lassen, will sich nicht auf die Ermittler als Tippgeber festlegen. "Der Kreis derjenigen, die über die Aktion Bescheid wussten, war groß", so Brender zur taz. "Wir nennen unsere Quellen nicht." Und Sprecher der Bochumer Ermittler beteuern bereits seit dem gegen eine Kaution von 4 Millionen Euro wieder aufgehobenen Haftbefehl gegen den Expostchef immer wieder, sie selbst seien von dem Medienrummel vor Zumwinkels Haus völlig überrascht worden. "Wir hatten doch keinerlei Interesse, unsere Ermittlungen an eine derartig große Glocke zu hängen und andere Verdächtige so deutlich vorzuwarnen", sagt der Bochumer Oberstaatsanwalt Bernd Bienioßek immer wieder. Stattdessen fühlen sich die Ermittler selbst instrumentalisiert, fragen sich die altphilologisch gebildeten Juristen immer wieder: Cui bono - wem nutzt das alles?

Fest steht: Der Auslandsgeheimdienst BND darf nicht von sich aus wegen Steuerhinterziehung gegen deutsche Staatsbürger ermitteln. Die Version des Einzelinformanten Kieber, der sich aus eigener Initiative heraus am 24. Januar 2006 per E-Mail an die Geheimdienstler gewandt haben soll, passt dem BND deshalb perfekt ins Konzept: Die Herstellung eines Erstkontakts, die Weitergabe des Materials an die Wuppertaler Steuerfahndung und die Bochumer Staatsanwaltschaft, selbst die Absicherung von Treffen mit dem Informanten seien lediglich "Amtshilfe" gewesen, so die offizielle Sprachregelung auch der Bundesregierung. "Wir ermitteln, weil der BND die Daten auf den DVDs nicht aus eigener Initiative gehandelt hat und nur in Amtshilfe für uns tätig war", sagt Staatsanwalt Bienioßek dazu. "Wäre der BND von sich aus tätig geworden, wäre dies sicherlich anders zu bewerten."

Aus dem Umfeld des BND selbst aber dringen andere Informationen. Danach könnte der Nachrichtendienst seine Kompetenzen massiv überschritten haben und sehr wohl von sich aus tätig geworden sein. Der Hintergrund: Für den BND ist es nicht die erste Aktion gegen den Finanzplatz Liechtenstein. Der Zwergstaat mit seinen rund 35.000 Einwohnern gilt bereits seit Jahrzehnten als Paradies für Steuerhinterzieher und Geldwäscher. Bereits 1999 hatte der Nachrichtendienst deshalb einen entsprechenden Bericht lanciert. Doch der erwies sich für den BND als Fiasko: Viele der Vorwürfe konnten nicht belegt werden. Stattdessen drohten Liechtensteiner Banken der Bundesrepublik im Gegenzug mit Schadenersatzklagen wegen Rufschädigung und der sich daraus ergebenden Verluste. Schon um auf solche Schadenersatzklagen vorbereitet zu sein, so taz-Informationen, habe das Bundeskanzleramt dem BND damals umfassende Operationen gegen den Finanzplatz gestattet: Die Bundesregierung habe über belastbares Material nicht nur zum Thema Steuerhinterziehung, sondern auch über Finanzanlagen aus dem Bereich der organisierten Kriminalität - wie etwa Drogengelder - verfügen wollen.

Zusätzlich alarmiert wurde die rot-grüne Regierung Ende 1999 dann durch die Spendenaffäre rund um Helmut Kohl. Der CDU-Altkanzler hatte illegal gestückelte Parteispenden in Millionenhöhe auf Konten Liechtensteiner Stiftungen parken lassen, die dann über den hessischen CDU-Landesverband zurück in die Bundespartei eingespeist wurden. Dabei fiel immer wieder ein Name: Herbert Batliner.

Gegen den Treuhänder diverser Stiftungen, der sich wegen großzügiger Spenden an den Vatikan "Kammerherr seiner Heiligkeit" nennen darf, ermittelte die Bochumer Staatsanwaltschaft schon seit 1997. Die aktuelle Steueraffäre firmiert in Bochum deshalb unter dem Namen "Liechtenstein II". Steuerhinterzieher sollen mit Hilfe von Batliners Kanzlei mindestens 250 Millionen Euro nach Liechtenstein geschleust haben - die Ermittlungen gegen den heute 79-Jährigen wurden nach Zahlung einer siebenstelligen Summe mittlerweile eingestellt. "Selbst die Behauptungen der CDU, bei den illegalen Spenden handele es sich um jüdische Vermächtnisse", hat Batliner damals gestützt, erinnert sich der Berliner Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele, der die Grünen noch heute im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) des Bundestages, das die Geheimdienste kontrollieren soll, vertritt.

Der BND jedenfalls soll seine Operationen gegen das Fürstentum als Reaktion auf die CDU-Spendenaffäre wie auf "Liechtenstein I" noch einmal intensiviert haben. Seine 2001 gegründete Abteilung 5, zuständig für organisierte Kriminalität wie Geldwäsche, habe sich besonders für die über liechtensteinische Banken laufende Finanzströme ausländischer Investoren interessiert. Und dabei sei der Auslandsgeheimdienst eben auch auf die DVDs mit den Daten zur aktuellen Steueraffäre gestoßen, wird in Berlin spekuliert.

Opposition erstaunt

Umso erstaunter reagieren Vertreter der Opposition auf die detaillierten Berichte über den angeblichen Einzelinformanten Kieber - BND-Präsident Ernst Uhrlau, zu Zeiten von "Liechtenstein I" Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt, hatte die Bundestagsabgeordneten des Parlamentarischen Kontrollgremiums am vergangenen Mittwoch nur in groben Zügen über die Operationen seines Dienstes informiert. "Das Vorgehen des BND ist für mich eindeutig rechtswidrig", sagt etwa Wolfgang Neskovic als Vertreter der Linken im PKG schon heute. Bereits die Zahlung von Geld an Informanten, die Absicherung von Treffen sei weit mehr als Amtshilfe.

Irritiert zeigt sich auch Max Stadler von der FDP. "Nach den Veröffentlichungen gibt es weiteren Aufklärungsbedarf", so der Bayer zur taz. "Es war völlig richtig, dass das Kontrollgremium für den kommenden Mittwoch eine weitere Sitzung anberaumt hat." Auch der Grüne Christian Ströbele gibt sich nachdenklich: "Bei aller Freude darüber, dass es endlich einmal die Richtigen trifft, gegen die vorgegangen wird - aber es muss nach Recht und Gesetz gehen auch gegen die Reicheren von uns."

Die Aufklärung blockieren könnte dagegen die große Koalition. So hat sich der Vorsitzende des PKG, Thomas Oppermann, bereits vor den BND gestellt. "Meine persönliche Meinung ist: Der BND war nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, Informationen weiterzugeben", so der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. Denn beim Besuch des liechtensteinischen Regierungschefs Otmar Hasler vergangene Woche in Berlin hatte nicht nur Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Druck auf das Fürstentum ausgeübt. Wohl auch gestützt auf BND-Erkenntnisse hatte auch SPD-Finanzminister Peer Steinbrück, innenpolitisch durch die Milliardenverluste öffentlicher Banken unter Zugzwang, Hasler einen ganzen Forderungskatalog vorgelegt.

Skeptisch blickt deshalb Linken-Vertreter Wolfgang Neskovic auf die kommende PKG-Sitzung. "In dieser Republik gibt es kontrollfreie Räume, besonders bei den Geheimdiensten, und das muss sich ändern", sagt der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof. "Was wir bisher wissen, ist ein Tropfen, was wir nicht wissen, ein Ozean."

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