Arabische Länder sind beleidigt: Boykott der Pariser Buchmesse
Zahlreiche arabische Staaten wollen die diesjährige Pariser Buchmesse boykottieren. Der Grund: Israel soll der Ehrengast sein.
PARIS taz Die 28. Pariser Buchmesse, die vom 14. bis 19. März an der Porte de Versailles stattfindet, wird anders ausfallen als die vorausgegangenen: Zahlreiche arabische Staaten - darunter Frankreichs engste Partner in der Region: Libanon, Tunesien, Algerien und Marokko - sowie Dutzende von arabischen Buchverlagen wollen sie boykottieren.
Der Grund ist der Ehrengast: Israel. Nachdem zunächst vor allem palästinensische Organisationen gegen die Einladung zum 60. Jahrestag der Gründung des Staates Israel protestiert hatten, sorgen jetzt die israelischen Angriffe auf Zivilisten im Gazastreifen dafür, dass die Boykottaufrufe quer durch die arabische Welt gehen. Auch einer der 40 offiziell von der Buchmesse eingeladenen israelischen Schriftsteller hat abgesagt. Er wolle nicht an einer "Propagandaveranstaltung" für einen brutalen Staat teilnehmen, erklärte der Dichter Aaron Shabtai.
In Paris fallen die Reaktionen bislang zurückhaltend aus. Die Kulturministerin Christine Albanel und Außenminister Bernard Kouchner bedauern die Absagen und die "Politisierung" der Messe "außerordentlich". Christine de Mazières, Geschäftsführerin des französischen Verlegerverbandes, der die Buchmesse organisiert, erklärt gegenüber der taz: "Wir laden die Literatur ein, nicht den Staat. Die Messe ist ein Ort der Freiheit und der Schriftsteller." Und der in Frankreich lebende marokkanische Schriftsteller Tahar Ben Yelloun nennt den Boykottaufruf "Unfug" und schreibt, dass unter den geladenen Gästen zahlreiche langjährige Befürworter des israelisch-palästinensischen Friedensdialogs sind.
Andere Autoren halten dagegen, dass sie zwar prinzipiell die direkte Begegnung mit den israelischen Schriftstellern suchen, aber die Messe boykottieren werden, darunter die in Paris lebende libanesische Romanautorin Hoda Barakat. Sie erklärt, dass sie israelische Autoren bewundert und dennoch den Boykott als "symbolische Aktion" unterstützt.
Ursprünglich hatte die palästinensische Schriftstellerunion zum Boykott der Buchmesse aufgerufen. Begründung: der 60. Jahrestag Israels, der Anlass der Einladung, sei zugleich der 60. Jahrestag der Nakba - der Vertreibung der PalästinenserInnen. In den vergangenen Tagen schlossen sich auch zahlreiche arabische und muslimische Organisationen dem Boykottaufruf an. Darunter die Isesco, die aus der "Islamischen Konferenz" hervorgegangen ist. Die drei nordafrikanischen Länder beteiligen sich jetzt ebenfalls offiziell am Boykott. Für ihre Verleger und Schriftsteller ist der Preis besonders hoch. Die Messe in Paris ist ihre wichtigste internationale Vitrine.
So hört man auch bedauernde Stimmen über den Boykott. Der algerische Verleger Mohamed Boilattabi erklärt die Buchmesse wegen ihres Ehrengastes zu einem "antikulturellen Ereignis" und bedauert dennoch zugleich, dass er nicht hingehen kann. Er würde gerne seine AutorInnen von dem "aktiven palästinensischen Widerstand" sprechen lassen.
Umstritten ist der Boykottaufruf auch in anderen arabischen Ländern. So hat in Ägypten Alaa al-Aswani, der den inzwischen auch verfilmten Bestsellerroman "Das Haus Yacoubian" geschrieben hat, erklärt, es sei ein "sehr schwerer Fehler", ein Land als Ehrengast zur Buchmesse einzuladen, das sich "Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig" mache. Dennoch wird Alaa al-Aswani nach Paris zur Buchmesse reisen. Am Stand seines Verlegers will er andere Formen des Protests erproben: Er beabsichtigt, "Fotos von libanesischen und palästinensischen Kindern zu verteilen, die Opfer der israelischen Politik geworden sind".
Die Pariser Buchmesse, die sich an das große Publikum richtet, hat im vergangenen Jahr 200.000 Menschen angezogen. Von den in Frankreich verlegten Büchern stammt ein im internationalen Vergleich hoher Anteil von 20 Prozent von ausländischen AutorInnen. Darunter besonders viele aus dem Maghreb und den anderen französischsprachigen Ländern Afrikas. Für die feierliche Messeeröffnung waren ursprünglich zwei Staatsoberhäupter vorgesehen. Doch Schimon Peres macht es nun allein mit der französischen Kulturministerin. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy wird fehlen. Er hat, wie es heißt, an dem Tag in Brüssel zu tun.
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