Bundesweite Streiks: Verdi kämpft für acht Prozent
Die Lufthansa streicht 300 Flüge. Bei der Müllabfuhr geht nichts mehr. Vor den letzten Verhandlungen mit Bund und Kommunen macht die Gewerkschaft Druck.
Keine Feuerwehr und keine Durchsuchung des Gepäcks. Weil die Gewerkschaft Ver.di für Mittwoch zu Warnstreiks aufgerufen hatte, legten auf vielen deutschen Flughäfen unter anderem Bundespolizisten und Feuerwehrleute die Arbeit nieder. "13 Flughäfen wurden auf diese Weise in ganz Deutschland lahmgelegt", sagte Ver.di-Sprecher Harald Reutter, "dieser Warnstreik ist ein voller Erfolg."
Am Donnerstag wollen sich die Dienstleistungsgewerkschaft und die Arbeitgeber von Bund und Kommunen zu neuen Gesprächen in Potsdam treffen. Es ist die fünfte und letzte Runde der Verhandlungen - und Ver.di wollte vorher noch einmal Druck ausüben. In Kindertagesstätten, bei der Müllabfuhr, in Krankenhäusern, kommunalen Nahverkehrsunternehmen und an Flughäfen streikten zehntausende Mitarbeiter. Im größten Bundesland, Nordrhein-Westfalen, sollen nach Gewerkschaftsangaben am Mittwoch 70.000 Menschen die Arbeit niedergelegt haben.
Auf dem wichtigsten deutschen Flughafen, Frankfurt am Main, fielen nach Auskunft eines Unternehmenssprechers etwa 100 Inlandsflüge aus. Von ihren 1.200 Inlandsflügen strich die Lufthansa laut einem Konzernsprecher bundesweit etwa 300.
Auch die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) streikten am Mittwoch - Busse und U-Bahnen standen still. In Berlin sind die Streiks unbefristet. Dort kämpft Ver.di um Einkommenserhöhungen für die rund 11.500 Beschäftigten der BVG und ihrer Tochter Berlin Transport. "Die Situation ist festgefahren", sagte ein Ver.di- Sprecher, "der Streik kann Wochen dauern." Da in Berlin ein eigener Haustarifvertrag existiert, hat der Streik dort nichts mit dem bundesweiten Ausstand zu tun.
Diesen bezeichnete eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums als "in seinen Ausmaßen völlig unangemessen". Ver.di solle "endlich ernsthaft mit uns über unser Angebot verhandeln". Gesprochen haben die Parteien in diesem Konflikt schon viermal miteinander - ohne sich auch nur ein bisschen anzunähern. Ver.di verlangt für die 1,3 Millionen Beschäftigten eine Anhebung des Lohns um 8 Prozent, mindestens aber 200 Euro mehr im Monat. Die Laufzeit des Tarifvertrags soll ein Jahr betragen.
Dagegen bieten die Arbeitgeber nur eine Lohnanhebung um 5 Prozent für zwei Jahre an. Gleichzeitig soll die Arbeitszeit im Westen von 38,5 Wochenstunden auf 40 Stunden steigen. "Das ist eine Farce", sagte Ver.di-Sprecher Reutter. Wenn man das Angebot genauer anschaue, zeige sich, dass die Arbeitgeber für 2008 nur eine Lohnsteigerung von 2,5 Prozent und für 2009 von 0,4 Prozent anböten. "Nicht einmal die in den nächsten Jahren zu erwartenden Preissteigerungen werden damit abgedeckt", schimpfte der Gewerkschafter, "das Angebot von angeblich 5 Prozent ist nur Staffage." Zusammen mit der Forderung nach Mehrarbeit sei es "für die Gewerkschaften einfach nicht hinnehmbar".
Bei derartig harten Fronten ist es zweifelhaft, ob es in Potsdam ein Ergebnis gibt. Deshalb rückt die Möglichkeit einer Schlichtung näher. Dabei bestimmen die Tarifparteien zwei Schlichter und eine Schlichtungskommission, die versuchen, einen Kompromiss auszuhandeln. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte nach der letzten Verhandlungsrunde schon eine Schlichtung ins Spiel gebracht.
Dass es die Arbeitgeber in Richtung Schlichtung zieht, glauben auch manche Gewerkschafter. "Auf der Gegenseite sitzt eine Gemeinschaft von Arbeitgebern mit sehr unterschiedlichen Interessen", sagte ein Funktionär, "vielleicht lassen sich deren Verhandlungsführer ganz gern ein Ergebnis von einem Schlichter diktieren. Das könnten sie ihren Bürgermeistern besser verkaufen als eigene Zugeständnisse."
Im Bundesinnenministerium weist man den Verdacht des Kalküls zurück. "Das ist purer Unsinn", so die Sprecherin, "wir müssen uns nicht in eine Schlichtung retten." Man werde Donnerstag eine Lösung finden.
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