piwik no script img

Lage im Gazastreifen so schlecht wie nieÄgypten mauert Gaza ein

Die Lage in Gaza ist schlechter denn je, sagt ein NGO-Bericht. Schuld sind vor allem die geschlossenen Grenzen. Jetzt baut auch noch Ägypten eine Mauer.

Aus dem Zaun wird jetzt eine Mauer. Bild: dpa

JERUSALEM taz 80 Prozent der Bevölkerung im Gazastreifen können sich heute nicht länger selbst versorgen - die Lage im Gazastreifen sei auf dem schlechtesten Stand seit Beginn der israelischen Militärbesatzung 1967. Zeitgleich zur Veröffentlichung eines NGO-Berichtes, der auf die katastrophalen Zustände im Gazastreifen aufmerksam macht, hat Ägypten mit dem Bau einer Mauer entlang seiner Grenze zum Gazastreifen begonnen.

Dadurch solle verhindert werden, dass die Grenzanlage wie im Januar von palästinensischen Aktivisten zerstört werde, sagte ein Vertreter der ägyptischen Sicherheitskräfte. Hunderttausende Menschen aus dem von Israel abgeriegelten Gazastreifen waren nach Ägypten vorgedrungen, nachdem Hamas-Anhänger am 23. Januar Breschen in die Grenzanlagen gesprengt hatten. Sie hatten sich in dem Nachbarland mit Lebensmitteln versorgt. Anfang Februar waren die meisten Palästinenser in den Gazastreifen zurückgekehrt, die Grenze war wieder geschlossen worden.

Drei Meter hoch soll nun die Mauer sein, die die Menschen in Gaza noch stärker von der Außenwelt abriegeln wird. Die Zahl der Menschen, die dort auf Nahrungsmittelspenden angewiesen sind, hat sich innerhalb der vergangenen zehn Jahre verzehnfacht. Zu diesem Schluss kommt der von acht britischen Menschenrechtsorganisationen, darunter amnesty international und Save the Children, am Donnerstag veröffentlichte Bericht mit dem Titel "Die humanitäre Implosion", der vor allem Israel anklagt.

Die Menschenrechtsgruppen ignorierten die Hintergründe, kritisiert das israelische Außenamt, und rät in einer Mitteilung, "die Kritik nicht gegen Israel, sondern gegen die Terrororganisation Hamas zu richten, die den Gazastreifen kontrolliert". Nach dem Abzug Israels aus dem Gazastreifen im Sommer 2005 intensivierten die extremistischen Milizen die Angriffe gegen Israel und den Waffenschmuggel via Ägypten. Aus der Hilflosigkeit der israelischen Regierung und Armee angesichts der andauernden Raketenbedrohung entstand der Vorschlag, die Versorgung für den Gazastreifen zu unterbrechen, wenn Israel von dort angegriffen wird. Verteidigungsminister Ehud Barak (Arbeitspartei) war es, der die Öllieferungen in den Gazastreifen so massiv kürzen ließ, dass es bis heute täglich zu Stromsperren in der Stadt Gaza kommt.

Der Bericht der Menschenrechtsorganisationen geht auf die marode Sicherheitslage und Israels "Verpflichtung, seine Bürger zu schützen" ein, dennoch müsse "die Besatzungsmacht den Menschen einen Zugang auf Nahrungsmittel, sauberes Wasser, Strom und medizinische Versorgung ermöglichen". Die aktuelle Lage sei von Menschen gemacht und vermeidbar.

Obwohl immer mehr internationale Hilfe den Gazastreifen erreicht, wächst die Armut. Die Spenden werden nicht in den Wiederaufbau und die Entwicklung gesteckt, sondern für das simple Überleben gebraucht. Ein Zusammenbruch der Wirtschaft, so hält der Bericht fest, sei nicht länger Zukunftsvision, sondern schon heute Realität. "3.500 von 3.900 Fabriken sind geschlossen." Im privaten Sektor sind "75.000 Arbeiter ohne Beschäftigung".

Grund für die Misere sind vor allem die geschlossenen Grenzen. Israel und die Palästinenser hatten sich Ende 2005 auf das "AMA" (Agreement of Movement and Access) geeinigt, mit dem der regelmäßige Waren- und Personenverkehr geregelt werden sollte. Dennoch hat seit vergangenem Juni nicht ein einziger Lastwagen den Gazastreifen verlassen. Geliefert wird das Nötigste an Nahrungsmitteln und Medikamenten, und auch das in viel zu kleinen Mengen. Das geringe Angebot lässt die Preise steigen. Schon um ein weiteres Absinken der wirtschaftlichen Abhängigkeit Gazas zu verhindern, müssten, so hält der Bericht fest, "täglich 600 bis 700 Lkw-Ladungen mit Importware" die Grenze überqueren und "400 mit Exportgütern".

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

7 Kommentare

 / 
  • JF
    Jonas F.

    Es wäre ein falscher Weg die sowieso schon wenig hoffnungsvollen Friedensverhandlungen zu stoppen. Es wäre auch ein falsches Zeichen, da die Verhandlungen nicht mit der Hamas geführt werden und somit das ganze palästinesische Volk für die Grausamkeit der Hamas abgestraft würde.

    Ich hoffe der Staat Israel hat die Größe und führt den Dialog mit den gemäßigten Kräften weiter. Es bleibt leider die einzige Hoffnung für eine hoffnungslose Situation...

  • A
    anoosh

    ja, genau, macht sie fertig-die habens ja verdient, genau wie die amerikaner und die chinesen und die Russen....alle niedermachen. wegschliessen, wie das ja damals mit dem kapitalistischen ausland und der ddr schon so richtig gut fuktioniert hat. und weil wir menschen ja von der geschichte schon immer gelernt haben machen wirs auch dieses mal richtig und sperren sie einfach weg.

  • RR
    richard ritter

    Als das Massaker an den israelischen Jugendlichen in Gaza bekannt wurde, gab es spontane Hupkonzerte und freudige Kundgebungen. Die Hamas spricht von einer "Heldentat".

    Das primitivste Mannöver eines jeden Täters ist die Verdrehung von Täter- und Opferposition und genau dies betreibt die Hamas seit Jahren. An der schrecklichen Lage in Gaza ist niemand anderes als die Hamas (und die Palästinenser, die sie immerhin gewählt haben) Schuld. Eine Tatsache, die auch in den Redaktionsräumen der taz gerne vergessen werden.

  • GS
    Gustav Schaefer

    Wenn die Hamas von Gaza aus das israelische Kraftwerk mit Raketen beschießt, ist es nur konsequent, wenn vom beschossenen Kraftwerk kein Strom mehr geliefert wird.

    Wenn die Bürger Gazas mehrheitlich die rechtsextreme Hamas gewählt hat, muss man auch die Konsequenzen tragen!

    Und Jubel nach Attentaten in Jerusalem zeigt auch, welch geistiges Niveau diese Herrschaften da unten haben.

  • TB
    Tiqvah Bat Shalom

    Diese Mauer ist natürlich legitim! Diese wird errichtet damit Palästinenser nicht mit Falschgeld in Ägypten einkaufen gehen, und viel Unruhe bringen! Dazu natürlich sollte verhindert werden, dass Terroristen Waffen und ausländische Terroristen nach Gaza bringen. Für so einen Import sind die Gaza-Tunnel für teueres Geld nicht gebaut worden!

     

    Die Mauer, die Israel errichtet, ist zur Verhinderung einer Invasion von Terroristen, die das "Blut" von Juden/"Zionisten" vergießen wollen! Das zur große Freude der islamisch/arabischen Welt und vielen mehr?

    Tiqvah Bat Shalom

  • WS
    wolfgang stein

    Jetzt zeigt der notwendige Boykott gegen die Hamas endlich seine Wirkung. Die blinde Gutmenschfraktion ist mal wieder voller Empörung. Die Urache für die Situation der Bevölkerung im Gaza ist nicht Israel, sondern die Weigerung der Hamas, einem Friedensprozeß zuzustimmen. Dies wollen die ideologisch verblendeten Hilfsorganisationen natürlich nicht sehen.

    Seis drum, der Boykott muß aufrechterhalten werden.

  • D
    Dimitrij

    Jeder will den Palis das Recht zugestehen, so viele Raketen abschießen zu dürfen wie sie wollen. Aber niemand erkennt Israel das Recht an, sich abzuschließen. So gesehen ist die Weltgemeinschaft an der menschlichen Not in Nordkorea Schuld. Aber irgendwie werden die Sanktionen im Falle Nordkoreas akzeptiert, dabei schießt es nicht täglich Raketen auf seine Nachbarn, obwohl es das könnte. Aber bei Hamas soll das jetzt anders sein? Wer die Ursachen auslässt, wird die Folgen nie begreifen.