Tabakindustrie formiert sich neu: Frischer Lobbyclub ohne Marktführer
Neue Schreibweise, neue Chefin von den Grünen, neuer Club - die Tabaklobby will ihr Schmuddelimage loswerden. Doch in der Chefetage sitzen zwei vom Altverband. Und der Marktführer fehlt.
BERLIN taz Mit einer Mischung aus Kontinuität und neuem Anstrich will die deutsche Zigarettenindustrie wieder ins Lobbyspiel finden. Der neu gegründete Deutsche Zigarettenverband DZV präsentierte sich am Freitag in Berlin mit seiner neuen Geschäftsführerin Marianne Tritz. Wie berichtet gehörte sie bisher zum Stab von Fritz Kuhn, Chef der Grünen im Bundestag. Weil die Grünen für einen scharfen Nichtraucherschutz kämpfen, irritierte viele, dass eine aus der Ökopartei zur Tabaklobby geht.
Bisher hatte die Branche ihr profitables Produkt noch mit einem altmodischen C geschrieben. Doch nach höchst erfolgreichen Jahrzehnten, in denen manches Werbeverbot abgemildert und der Nichtraucherschutz aufgehalten wurde, hat sich der Verband der Cigarettenindustrie vdc vergangenes Jahr aufgelöst. Der Marktführer Philip Morris hatte sich mit den anderen Unternehmen zerstritten, zudem war der Ruf des vdc so stinkig, dass seine Vertreter kaum noch gehört wurden. "Zum Schluss waren wir ein bisschen heiser", sagte Hagen von Wedel, Chef der deutschen Filiale von JT International (Camel, Benson & Hedges). "Jetzt haben wir wieder eine Stimme."
Alles, was altmodisch klingt, soll möglichst in den Hintergrund gerückt werden. Den Neuanfang soll die neue grüne Chefin verkörpern. "Ich habe da viel, viel Kritisches gehört", sagte sie über den alten Verband. Sie stelle sich einen anderen Stil vor. "Wir werden sehr offen, sehr transparent unsere Arbeit gestalten."
Personell lässt sich ein Bruch mit dem vdc jedoch nicht erkennen. Anders als in den Pressetexten sind auf der Internetseite des DZV unter der Rubrik Geschäftsführung auch zwei wesentliche Mitarbeiter des aufgelösten Verbands genannt. Für den Bereich Politik ist demnach der ehemalige vdc-Mitarbeiter Sven Zetzsche verantwortlich. Wie beim vdc kümmert sich der Mathematiker Wolf-Dieter Heller in der Geschäftsführung um wissenschaftliche Fragen. Gerade der Versuch des vdc, mit Geld Einfluss auf die Forschung zu den Gefahren des Rauchens zu nehmen, hatte die Organisation in der Vergangenheit in Verruf gebracht.
Dem DZV gehören fünf Zigarettenhersteller an. Marlboro-Macher Philip Morris, mit gut 36 Prozent Marktführer in Deutschland, ist nicht dabei. Um Präsenz zu zeigen, veröffentlichte das Unternehmen am Freitag eine Mitteilung mit Zahlen zum Zigarettenschmuggel in Deutschland.
Die anderen Unternehmen bestimmten aus ihrer Mitte den Deutschlandchef von Reemtsma, Titus Wouda Kuipers, zum DZV-Vorstandsvorsitzenden. Auch eine Kontinuität: Kuipers hatte diese Funktion bereits im vdc inne. Er nahm für seinen Verband in Anspruch, nicht nur die Branche, sondern auch 20 Millionen Raucher zu vertreten.
Kuipers sagte, der Zigarettenverband habe ein Dutzend Mitarbeiter mit Sitz in Berlin. Er verweigerte Angaben übers Budget. Der vdc soll nach inoffiziellen Zahlen einen einstelligen Millionenbetrag als Jahresetat gehabt haben. Es hieß, der DZV habe ein niedrigeres Budget.
In einer Broschüre stellt sich der neue Verband unter der Überschrift "Genuss braucht Verantwortung" vor. Detailliert nahm die neue Geschäftsführerin Tritz zur Rauchverbotsdebatte nicht Stellung. Es müssten Kompromisse gefunden, Raucher dürften nicht ausgegrenzt werden. Sie habe nun erst einmal Aufbauarbeit zu leisten. Dazu wird in der Branche gezählt, dass die Tabaklobby ihr Schmuddelimage abstreift: Vertreter der Industrie sollen wieder auf Podien sitzen, Politiker und Journalisten wieder zu den Veranstaltungen kommen. Man will gewappnet sein: Als nächstes könnten der Industrie das Verbot von Werbetafeln an Bushaltestellen oder schärfere Rauchverbote drohen.
Tritz sagte, sie werde den Dialog mit Gesellschaft, Politik, Medien und auch den Kritikern suchen. Die waren schon da. Am Ort der Pressekonferenz des neuen Verbands protestierten Vertreter des Berliner Forums Rauchfrei. GEORG LÖWISCH
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