Streikwege: Zurück in die U-Bahn

Endlich ist alles wieder beim Alten. Keine Fahrradausflüge nach Lichtenberg mehr, keine klatschnassen Jeans durch Hagelstürme am Halleschen Tor. Stattdessen muss ich nur einmal über die Straße und ab in die U-Bahn.

Endlich ist alles wieder beim Alten. Keine Fahrradausflüge nach Lichtenberg mehr, keine klatschnassen Jeans durch Hagelstürme am Halleschen Tor. Stattdessen muss ich nur einmal über die Straße und ab in die U-Bahn. Weniger als eine Minute dauert das. So ganz kann ich mein Glück nicht fassen. Innerlich war ich bereits auf Fahrradfahren bis nach Ostern eingestellt. Also lehne ich mich Montagmorgen zuerst aus dem Fenster und sehe nach, ob der U-Bahnhof Gneisenaustraße wirklich offen ist. Unten fährt prompt der Bus 140 vorbei. Die U-Bahn-Gitter sind zur Seite geklappt. Keine Spur vom Streik. Natürlich konnte ich mich mit dem Ausstand arrangieren. Aber mit der U-Bahn ist das Leben doch viel entspannter.

Ich gebe zu, ich wäre gerne eine begeisterte Fahrradfahrerin. Doch im Vergleich zwischen U-Bahn und Fahrrad kommt letzteres meistens schlechter weg. Auf dem Weg in die Redaktion zum Beispiel: Mit der U-Bahn brauche ich zehn Minuten bis in die Kochstraße, mit dem Rad mindestens genauso lange. Und in der U-Bahn sind mir Regen, Hagel und spitze Steine herzlich egal. Nicht einmal der angekündigte 10-Minuten-Takt der BVG kann das Fahrrad an diesem Morgen aufwerten: Die Bahn kommt sofort, die nächste in fünf Minuten.

Auf dem U-Bahnhof ist es ruhig. Wegen der Osterferien sind kaum Fahrgäste unterwegs. Ich hatte zufriedene und erleichterte BVG-Kunden erwartet, doch die meisten Fahrgäste auf dem Bahnsteig stehen der Streikunterbrechung emotionslos gegenüber. Sie nehmen die genauso gelassen wie zuvor den Streik. "Ich hab einfach abgewartet, bis die U-Bahnen wieder fahren", sagt eine Rentnerin. "Da muss ich eben jetzt meine Besorgungen machen." Der Fahrkartenverkäufer an der Gneisenaustraße hat seinen Posten noch nicht einmal wieder eingenommen.

Am Mehringdamm ist wie gewöhnlich mehr los, aber der Streik und dessen Unterbrechung sind auch hier kein Thema. Nur ein kleines Mädchen freut sich sichtlich: "Ich krieg heute endlich meine 10 Euro", erklärt sie mir. Sie ist gemeinsam mit Mutter und Schwester auf dem Weg zur Oma. Die ist fürs Taschengeld zuständig. Die Auszahlung hat sich wegen des Streiks um eine gute Woche verschoben.

Nach einigen ereignisarmen U-Bahn-Minuten könnte ich eigentlich erleichtert die paar Meter in die Redaktion zurücklegen. Aber als ich auf die Straße trete, ärgere ich mich plötzlich. Die Sonne scheint, es weht kaum Wind - perfektes Wetter zum Radfahren. Mein Rad ist frisch aufgepumpt, die Bremsen sind repariert, ich habe gerade eine kaputte Speiche ausgetauscht. Morgen fahre ich mit dem Rad - zumindest, wenn es nicht in Strömen regnet.

Mit dem heutigen Text endet die Kolumne "Streikwege" - zumindest vorläufig

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