Niederländischer Populist Geert Wilders: Provokation mit Anti-Islam-Film
Noch bevor ein 15minütiger Anti-Islam-Film des Rechtsaußenpolitikers Geert Wilders zu sehen ist, sorgt er bereits für Großdemonstrationen in Amsterdam.
ARNHEM taz Geert Wilders sorgt in den Niederlanden wieder einmal für Aufregung. Am heutigen Samstag wollen Tausende in Amsterdam gegen einen Anti-Koran-Film des Rechtsaußen protestieren. Etwa 15 Minuten soll der Film dauern, in dem der Rechtspopulist und Fraktionsvorsitzende der Partei für Freiheit (PVV) zeigen will, wie "furchtbar und faschistisch" der Koran ist. Im November vorigen Jahres hat der Politiker seine Pläne bekannt gemacht und seither vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über dieses Projekt berichtet und gemutmaßt wird. Was genau der Kurzfilm zeigt, ist bisher nicht bekannt. Da Wilders keinen TV-Sender findet, der bereit ist, den Film auszustrahlen, will er "Fitna" Ende März ins Internet stellen.
Die "Islamisierung der Niederlande" ist das Thema des 44-jährigen Politikers und Provokation seine Methode. Wilders agiert mit griffigen Parolen. Grober Sprachgebrauch, der Befindlichkeit ausdrückt, Angst schürt und Differenzen ausbaut, sind seine Spezialität. 5,9 Prozent der Wähler, etwa eine halbe Million Niederländer, haben Wilders PVV ihre Stimme gegeben. Mit 9 von 150 Abgeordneten ist die Partei im Parlament in Den Haag vertreten.
Wilders hetzt nicht nur gegen den Koran. Er will die Einreise von Muslimen stoppen, spricht von einem "Tsunami der Islamisierung" und fordert die einheimischen Muslime auf, "die Hälfte des Korans zu zerreißen, wenn sie in den Niederlanden bleiben wollen". Der Appell richtet sich an etwa 850.000 Menschen, gut 5 Prozent der Bevölkerung.
Die Ankündigung eines neuen Anti-Koran-Films ruft brutale Bilder und Erinnerungen wach. Der islamkritische Kurzfilm "Submission" kostete im November 2004 Theo van Gogh das Leben. Der Fundamentalist Mohammed Bouyeri, er ist marokkanischer und niederländischer Staatsbürger, streckte den Filmemacher und Autor auf offener Straße nieder. Die gebürtige Somalierin und Ex-Muslima Ayaan Hirsi Ali hatte die Vorlage für "Submission" geliefert. Auf einem halbnackten Frauenkörper sind frauenfeindliche Koranzitate zu sehen.
Sollte Wilders Film ausgestrahlt werden, befürchten viele Proteste und Ausschreitungen von Muslimen in den Niederlanden, Unruhen in islamischen Ländern und Handelsboykotte gegen niederländische Produkte - ähnlich den Unruhen nach Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen in Dänemark. Der Film gefährde die Sicherheit der Niederländer in aller Welt und die der niederländischen Soldaten in Afghanistan, sagte Ministerpräsident Jan Peter Balkenende. Sofort nach Bekanntwerden von Wilders Plänen wurden die Botschaften informiert, Evakuierungen vorbereitet, die Bürgermeister zu Vorsorgemaßnahmen angehalten und die Polizei in Alarmbereitschaft versetzt. Neben anderen kritischen Stimmen aus muslimischen Ländern meldete sich prompt der syrische Mufti Ahmad Badr al-Din al-Hassoun. Wilders, warnte er, sei verantwortlich, falls es zu einem Blutvergießen nach dem Erscheinen des Films käme.
Muslimische Organisationen rufen dazu auf, im Rahmen der Regeln des demokratischen Rechtsstaats zu agieren, wenn der Anti-Koran-Film veröffentlicht wird. Wilders Film stehe in der Tradition der Meinungsfreiheit. Die Türen der Moscheen sollen sich am Sendetag für jedermann öffnen, eingeladen sind insbesondere die weißen Niederländer.
Der Journalist H. J. A. Hofland warnte im NRC Handelsblatt vor der "Spirale der Hysterie" und der "Eskalation eines Hype" und plädierte dafür, zwischen einem "Berufspolitiker" und einem, "der seine Meinung von den Dächern schreit", zu unterscheiden. Ministerpräsident Balkenende ermahnte Wilders, nicht nur das Recht der freien Meinungsäußerung in Anspruch zu nehmen, sondern auch politische Verantwortung zu zeigen. Er legte ihm nahe, den Film nicht zu zeigen. Wilders bescheinigte dem Regierungschef, er sei "ängstlich und feige" und habe sich auf die Seite der Taliban gestellt.
Die Ausstrahlung des Films, wenngleich nicht seine Aussagen, zu verteidigen, ist Sache Frits Kleingelds. Auch wenn er keineswegs die Ansichten von Wilders teile, wolle er sie trotzdem hören, sagt der humanistische Seelsorger in der Stadt Arnhem. "Es ist eine Errungenschaft, dass einer wie Geert Wilders seine Meinung frei äußern kann, und wir müssen dafür streiten, dass das so bleibt", sagt Kleingeld. "Nur so kommen wir weiter als Gesellschaft."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen