Biotextilien jenseits von Birkenstock: Ökostylish statt Schlabberlook

Die Nachfrage nach ethisch korrekten Klamotten, die auch hip sein sollen, steigt. Doch wann ein T-Shirt wirklich öko und fair produziert wurde, ist oft schwer zu erkennen.

Der Nürnberger "Glore"-Store demonstriert: Fair produzierte Öko-Kleidung muss nicht schrecklich aussehen. Bild: dpa

Natürlich fällt das Wort "Birkenstocklatsche". Das drückt für Anton Jurina am besten aus, wofür er nicht stehen will: "Wir unterscheiden uns von der Ökobewegung der Vergangenheit", sagt der 28-Jährige. Mit einem einstigen BWL-Studienkollegen hat er in Köln das Modelabel Armedangels gegründet. Seither verkauft er T-Shirts, Sweater und demnächst Jeans, die fair und ökologisch hergestellt sind. Jurina: "Aber auch Design und Schnitt müssen stimmen."

Zu ihrem Beruf sind die zwei Unternehmer aus "popkulturellen Interesse" an Musik und Mode gekommen. Verknüpft mit ihrem ethischen Anspruch trifft es genau das, wonach der Markt verlangt: Ökotextilien boomen, bestätigt das Institut der deutschen Wirtschaft. Jeder vierte Bundesbürger interessiere sich für "naturbelassene Kleidung" - sie müsse aber genauso modisch sein wie herkömmliche.

"Der Schlabberlook der Ökobewegung war ein politisches Statement", sagt Verena Kuhnert, die Sprecherin des Naturtextilunternehmens Hessnatur. Heute seien Umweltbewusstsein und soziale Verantwortung aber erst das zweite Argument beim Klamottenkauf. Armedangels-Gründer Jurina spricht von Baumwollbauern, die sich wegen des Einkaufs von chemischen Düngemitteln verschuldeten, von Landwirtschaft, die Böden und Grundwasser verseucht und von Nähern, die für zu wenig Lohn zu viel arbeiteten. Deshalb sei die Kleidung seines Labels Fairtrade-zertifiziert: Unabhängige Stellen kontrollieren die gesamte Warenkette vom Rohstoff bis zur Näherei darauf, ob die Standards eingehalten werden.

Dazu zählen fixe Mindestpreise für die indischen Baumwollbauern. Ökobaumwolle muss ohne chemisch-synthetische Düngemittel und Pestizide angebaut und ohne chemische Entlaubungsmittel geerntet werden. Gentechnik ist verboten. Nur dann gibt es auch den Stempel "kontrolliert biologisch angebaute Baumwolle" (kbA). In der Erntezeit 2006/7 bekamen ihn nur 58.000 Tonnen, nicht einmal ein Prozent der gesamten Baumwollproduktion - aber immerhin neunmal mehr als noch sechs Jahre zuvor.

Ein Grund für den Anbau-Boom: Nicht nur kleine Labels wie Armedangels, sondern auch Ketten wie H & M und C & A, das Versandhaus Otto und Discounter wie Plus haben mittlerweile kbA-Klamotten im Sortiment.

Doch der kbA-Stempel allein bestätigt nicht mehr als eben biologischen Anbau und Ernte. Der Rohstoff Baumwolle macht aber im Endpreis fürs T-Shirt nur einen Bruchteil aus. "Zwischen Feld und fertigem T-Shirt passiert noch einiges in der Verwertungskette", gibt Susan Haffmans vom Pestizid-Aktions-Netzwerk zu bedenken. Die Weiterverarbeitung habe mit "bio" in der Regel nicht mehr viel zu tun.

Doch woher soll der Konsument wissen, wie hoch der "ökologisch korrekte" und "faire" Anteil im T-Shirt ist? "Einen einheitlichen internationalen Standard für das gesamte Kleidungsstück gibt es nicht", moniert Haffmans. Fast zwei Dutzend unterschiedliche Textillabel listet der Verbraucherinitiative Bundesverband auf - diejenigen nicht mitgezählt, die einzelne Modeunternehmen selbst designen. Dabei geht es um unterschiedliche Schwerpunkte wie Hautverträglichkeit, Umweltschutz oder faire Arbeitsbedingungen. Verbraucherschützer empfehlen Siegel, die gesundheitliche, ökologische und soziale Standards in der gesamten Produktionskette gewährleisten: "Naturtextil Best", das der Internationale Verband der Naturtextilwirtschaft (IVN) herausgibt, oder der "Öko-Tex Standard 100plus" von der Internationalen Gemeinschaft für Forschung und Prüfung auf dem Gebiet der Textilökologie.

Von solchen Auszeichnungen sind H & M oder C & A mit ihrem kleinen Biobaumwollsortiment noch weit entfernt. Trotzdem begrüßen die Alteingesessenen der Branche ihren Einstieg. "Ihre Nachfrage sorgt dafür, dass mehr Biobaumwolle angebaut wird," meint Hessnatur-Sprecherin Kuhnert. Langfristig müsse es aber eben um mehr gehen.

Die Ökoszene ist pragmatischer geworden. "Immerhin ein kleiner Schritt in die richtige Richtung," meint Heike Scheuer vom IVN. Raus aus der Birkenstocklatsche! Die kritischen Konsumenten machen ihre kleinen Schritte in einem trendy Schuh.

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