Keine Koalitionsversprechen: Die Grünen sind so frei

Koalitionsversprechen gibts im Wahlkampf 2009 nicht, sagt der grüne Spitzenmann Jürgen Trittin. Auch FDP strampelt sich frei. Ob das zur Ampel reicht?

Kann mit jedem: der designierte Spitzengrüne Jürgen Trittin. Bild: dpa

BERLIN taz Trittin schon wieder. Gibt es eigentlich eine Koalitionsaussage, die Jürgen Trittin nicht gemacht hat? Als Alternative zur schwarz-gelb-grünen "Jamaika"-Koalition rief der Fraktionsvizechef schon die rot-gelb-grüne "Senegal"-Koalition - im Volksmund "Ampel" - aus. In Landtagswahlkämpfen vertrat er dann zwecks Wählerschonung flugs wieder Rot-Grün. Zwischenzeitlich ventilierte er rot-rot-grüne Bündnisse, erklärte sich aber auch für Schwarz-Grün offen.

Und als designierter Spitzenkandidat verkündet Trittin nun: Es wird keine Koalitionsaussage zum Bundestagswahlkampf 2009 geben. "Wir werden in den Wahlkampf gehen mit einer klaren Aussage, für was wir stehen." Damit bringt Trittin erstens nur auf den parteistrategischen Punkt, was aus der Entwicklung seit Gerhard Schröders Neuwahlankündigung 2005 folgt. Schon im damaligen Wahlkampf setzten sich SPD und Grüne voneinander ab. Zweitens ist bemerkenswert, dass Trittin die Lösung aus alten Loyalitäten öffentlich erklärt. Kein anderer steht wie der "Regierungslinke" für die rot-rot-grüne Option.

Doch haben Trittin und die Fraktionschefin Renate Künast, die als "Spitzentandem" die Wahlkampf-Zugmaschine abgeben sollen, ganz offensichtlich eine neue parteipsychologische Arbeitsteilung: Trittin nimmt im unübersichtlichen Fünfparteiengelände den linken Flügel mit auf die Reise nach rechts. Künast dagegen fragt sich öffentlich: "Bei der CDU weiß ich gar nicht, wofür sie eigentlich steht." Und dämpft so die Erwartungen des anderen Parteiflügels.

Nun finden auch altgediente rot-grüne Grüne, dass Flexibilität das Gebot der Stunde ist - mit einer Einschränkung. "Jamaika sollten wir ausschließen", erklärt die Außenpolitikerin Kerstin Müller. "In einem solchen Bündnis wären wir nur die Steigbügelhalter für CDU und FDP." Sie gehe davon aus, dass Trittin das ebenso sehe. Selbst wenn es keine eindeutige Koalitionsaussage für 2009 geben sollte, so sei "das Wahrscheinlichste ja immer noch die Ampel". Dafür müsse die FDP sich freilich bewegen.

Tatsächlich hat die FDP den ersten wichtigen Schritt schon getan. Parteichef Guido Westerwelle rief kürzlich ganz genau wie die Grünen aus: "Wir dürfen uns nur noch auf eines verlassen: auf uns selbst." Feste Koalitionsaussagen wie 2005 werde es mit ihm nicht mehr geben, sagte er und bekam von seiner Partei erleichterten Beifall. In Journalistenrunden bringt Westerwelle zwar stets eine Joschka-Fischer-Hassanekdote unter. Trittin allerdings, früher stets als Beelzebub gehandelt, erwähnt er beinahe wie einen zu respektierenden Staatsmann.

Beide anschlusswilligen Kleinparteien haben sich damit nahezu spiegelbildlich von den Großparteien freigestrampelt. Doch war es Fraktionschef Fritz Kuhn, der als Erster öffentlich darauf hinwies, dass für neue Koalitionen sich übrigens auch Grüne und FDP zusammenraufen müssten. Er empfahl, sich "bei aller Konkurrenz auf gemeinsame Ziele zu verständigen", um damit "die Großen gemeinsam zu konfrontieren".

Das wird ein heikles Geschäft. Denn zwar fährt Westerwelle seine Häme gegen das aktuelle Grünen-Personal zurück, und Kuhn selbst trifft sich rituell zu Gesprächen mit Westerwelle, von Fraktionschef zu Fraktionschef. Die Grünen-Basis allerdings hegt gegen keine andere Partei so große Vorbehalte wie gegen die FDP. Der messbare Wähleraustausch tendiert gegen null.

Auch der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, unterhält sich schon rein beruflich mit Liberalen. Doch ist ihm deshalb umso klarer, was einer Ampel entgegensteht. "Die FDP wird sich den sozialen Grundfragen öffnen müssen, sonst wird die Ampel eine Zumutung", sagt Beck. Nach der Bundestagswahl stehe mindestens die Fortentwicklung des Gesundheitssystems erneut auf dem Programm.

Eine Koalition mit der CDU im Bund hält Beck nicht zuletzt aus diesem Grund für unwahrscheinlich. "Ich habe zwar mit Otto Schily das Maximum durchlitten, was eine rot-grüne Koalition bietet", sagt der ehemalige Zuwanderungspolitiker. "Doch gab es bei der SPD eben immer auch noch Bündnispartner gegen deren Innenminister." Bei der Union sehe er die nicht.

Die Grünen wollen Union und FDP den Steigbügel nicht halten. Die FDP müsste für eine Ampel ernsthafte Sozialpolitik machen. Ob mit oder ohne Koalitionszusagen - das Dilemma in der bunten neuen Koalitionswelt bleibt: FDP und Grünen wird Biegsamkeit bis zum Identitätsverlust abverlangt.

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