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Abitur ganz ohne Lehrer„Unser eigenes Ding“

Zehn SchülerInnen träumten nicht nur von einer freieren Form des Lernens: Sie verließen die Schule, um sich in Eigenregie aufs Abi vorzubereiten. Nun stehen die Prüfungen an.

Mit Kafka den Prozess des selbstbestimmten Lernens lernen. Bild: stefan pangritz

"Hey, teachers, leave us kids alone!" (Pink Floyd) "Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit" (Tocotronic)

Auf den Tischen liegen Formelsammlungen, Grammatikblätter und gelbe Reclamheftchen. Schillers "Räuber". Kafkas "Proceß". Daneben Kaffeebecher, leere Bäckertüten, Zigarettenpapier und Tabak. Alwin Franke nimmt sich ein Blättchen und dreht sich eine. In jeder anderen Schule würde der Lehrer ihn jetzt ermahnen. Oder gleich aus dem Klassenzimmer schmeißen. Hier nicht. Denn hier sind Alwin und seine Klassenkameraden nicht nur Schüler - sondern auch die Schulleiter.

Lena lernt. Bild: stefan pangritz

Alwin und neun andere Schüler haben sich im vergangenen Jahr von ihren Waldorfschulen abgemeldet und eine eigene Schule gegründet. Seit August gehen sie dorthin. Sechs Tage die Woche, acht Stunden am Tag. Ihr Ziel: sich selbst den Stoff fürs Abitur beibringen. In dieser Woche schreiben sie ihre erste Prüfung. Nun wird sich zeigen, ob ihr Experiment erfolgreich war.

Möglich ist dieses Alleingang-Abi über die sogenannte Schulfremdenprüfung. Eigentlich sollen dadurch Berufstätige eine Chance aufs Abi bekommen - an Systemausbrecher wie die Freiburger Schüler hatten die baden-württembergischen Behörden wohl kaum gedacht.

Und Alwin (hier ohne Zigarette) auch. Bild: stefan pangritz

Die Idee kam Alwin und seinen Freunden bei einem Ausflug im März 2007. Damals hatten die Schüler schon einen losen Lernzirkel, in dem sie über Internationalen Währungsfonds, Weltbank und Marxismus diskutierten. Nun saßen sie im Zug zurück vom Chiemsee, wo sie den Gründer des Regionalgelds "Chiemgauer" besucht hatten. Sie waren beeindruckt, wie der Lehrer Christian Gelleri dort zusammen mit Schülern eine alternative Währung eingeführt hatte. Das war nicht nur theoretisches Gefasel von einer besseren Welt, das war Wirklichkeit. An ihrer Schule hatten sie dagegen Tag für Tag erlebt, wie Lehrer ihnen im Frontalunterricht Daten, Zahlen und Fakten vorsetzten. Und hatte nicht ihre Schule gerade ausgerechnet ihre beiden Lieblingslehrer geschasst? Da sagte plötzlich einer im Zugabteil: "Lasst uns doch auch unser eigenes Ding machen! Unsere eigene Schule." Gesagt, getan. Sie gründeten den Verein Methodos. Und legten los.

Schön ist es nicht gerade, das Klassenzimmer, das sich die SchülerInnen im Flachbau der Paulus-Gemeinde eingerichtet haben. Doch mehr gab das Budget nicht her. Tische mit grauer Platte, ein graues Stoffsofa, graues Linoleum. In Glasvitrinen stapeln sich Lehrbücher und Lexika, die die Schüler gekauft oder von zu Hause mitgebracht haben. "Propyläens Weltgeschichte" steht da - Band fünf und sieben fehlen.

Milena Minuth, 19, ist gerade gekommen, es ist halb zehn an diesem Mittwochmorgen im März. Sie hat drei Leitz-Ordner mitgebracht. Mathe, Englisch, Geschichte. "Was mach ich heute?", fragt sie sich - und vertieft sich in den Geschichtsordner, schreibt Karteikarten. "Politische Kultur im Kaiserreich" steht auf einer.

In der anderen Ecke sitzt Alwin mit Lilly Neu und Lenya Bock, wie Alwin und Milena 19 Jahre alt. Die drei lernen heute Deutsch. Kleists "Michael Kohlhaas". Das Buch ist Pflichtstoff für das Abitur. Denn völlig frei sind die Schüler nicht, die Grenzen setzt das baden-württembergische Zentralabi.

Welche Rechtsvorstellungen sich in "Kohlhaas" widerspiegeln, fragen sich die drei, das führt sie irgendwann zu Rousseau und Hobbes. "Bei Rousseau ist die Natur von Natur aus gut", sagt Lilly. "Bei Hobbes hat im vorstaatlichen Zustand jeder eine Keule", sagt Alwin. "Das mit dem Menschenbild ist mir klar", sagt Lenya. "Aber wie war das noch mal mit der Vertragstheorie?" Ob sich ihre Fragen bis zum Abi klären lassen?

Im Kultusministerium ist man skeptisch. "Nicht zur Nachahmung empfohlen", heißt es dort zu den autonomen Abiturienten. Auch der Philologenverband wettert: "Ein unnötiger Irrweg." Denn externe Prüflinge haben es schwerer: Weil sie keine Noten aus Klasse zwölf und dreizehn einbringen können, müssen sie ihr Wissen in sieben zusätzlichen Prüfungen beweisen, neben den vier schriftlichen und der einen mündlichen, die sowieso Pflicht sind.

Doch sollten die Schüler im Alleingang ihr Abi genauso gut hinbekommen wie im Korsett der normalen Schulen - die Skeptiker wären vorgeführt. Andersherum gilt aber auch: Sollten die Schüler durchs Abitur rasseln, können sich jene bestätigt fühlen, die in den Schülern von Anfang an vor allem eines sahen: idealistische Spinner.

Ganz auf Hilfe verzichten die SchülerInnen deshalb auch nicht. Sie beschäftigen Privatlehrer auf Stundenbasis. Die überprüfen, ob die Schüler auf dem richtigen Weg sind, etwa mit Probeklausuren oder Abfragen. Die Lehrer kommen von Gymnasien und Waldorfschulen und arbeiten für 25 Euro die Stunde.

Gregor Wittkop, 46, ist ihr Deutschlehrer. Eigentlich unterrichtet er im württembergischen Böblingen. Nun kommt er an Samstagen die 200 Kilometer nach Freiburg gefahren. Er schwärmt vom "anarchischen Charme" des Projekts. "Tausende Schüler haben schon mit dem Gedanken gespielt: Wie wäre es, wenn wir unseren eigenen Kram machen, die Schüler hier haben aus der Idee Wirklichkeit gemacht."

Doch die Wirklichkeit hat der Gruppe auch Grenzen aufgezeigt. Am Anfang wollte sich Wittkop so wenig wie möglich einmischen. Die Schüler wollten selbst das Lernen lernen. Doch inzwischen drängt die Zeit. Die Schüler kommen manchmal schon morgens um sieben und gehen erst abends um sieben. Bevor sie sich völlig verrennen, greift Lehrer Wittkop inzwischen ein. Apfel und Schlange: Die christliche Symbolik in Kleists "Kohlhaas" erkennen sie schnell - die entsprechenden Bibelstellen liefert ihnen an diesem Mittwoch Wittkop. Er schnappt sich ein Altes Testament und liest aus dem Buch Genesis vor: "Von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen …" Wollten die autonomen Abiturienten sich das nicht alles selbst erarbeiten?

Einiges ist schiefgelaufen an der neuen Schule. Mal haben die Schüler vergessen, den Lohn an ihre LehrerInnen zu überweisen - das gab Ärger. Mal stand ein Lehrer vor verschlossener Tür. Die Mail, dass er zu Hause bleiben solle, hatte er nicht bekommen - auch das gab Ärger. "Wir mussten erst lernen, Arbeitgeber zu sein", sagt Lenya. Von zwei der acht Lehrer haben sie sich sogar wieder getrennt - "in beiderseitigem Einvernehmen", wie Alwin es formuliert.

Überhaupt das Geld: Fast 50.000 Euro kostet das Schulexperiment, für den Raum, die Bücher, die Lehrer. 15.000 davon bezahlen die Eltern der Schüler. 18.000 Euro sind Spenden - fehlen noch mehr als 15.000 Euro.

Eigentlich wollten die Schüler auch eine Stunde am Tag Musik machen, Tango Argentino oder schwedischen Bugg tanzen. In einem geräumigen Nebenraum steht auch ein schwarzer Flügel, aber die Zeit reicht nicht mehr.

Das Einzige, was jetzt zählt, ist das Abitur. Milena sagt: "Bei mir wird es eng." Sie sitzt an ihrem Geschichtsordner, kaut auf ihren Fingernägeln und ruft Alwin zu: "Was war noch mal der Kapp-Putsch?" - "1920", antwortet Alwin. "Nein, was. Nicht wann." Alwin nuschelt etwas von Wolfgang Kapp, Weimarer Republik und Reichswehr und widmet sich wieder seinem Stoff. Ob das bei Milena angekommen ist?

"Wir haben eine Verantwortung", sagt Alwin in einer Zigarettenpause. Für sich selbst, meint er. Für die anderen Schüler. Aber vor allen Dingen auch: für ihre Idee.

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17 Kommentare

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  • R
    Ralph

    Es gehört Mut und Engagement dazu diesen Weg nicht nur zu gehen, sondern einen solchen Weg erst mal selbst zu entwickeln. Respekt vor solchen jungen Leuten! Auch ich bin mir sicher, dass solche Reife weit mehr ist, als das was der durchschnittliche Abiturient mitbringt. Wie es auch ausgeht - wir können uns über solch engagierte junge Menschen freuen - davon braucht unsere bequeme, korrupte und beschränkte Gesellschaft mehr.

    Ich wünsche den 11 Schülern viel Erfolg und würde mich freuen, wenn einige von euch auch nach ihrem Abitur noch daran arbeiten, dass unsere Schulen besser werden.

    Es stünde unseren Bildungspolitikern gut an, wenn sie das Projekt unterstützen, z.B. indem die "Finanzierungslücke" geschlossen wird.

    Mit Bildung verhält es sich anders als bei der Abiturprüfung: Nicht der Weg ist das Ziel.

  • H
    heidenchrist

    Tolle Idee :D, aber sie hätten es sich leichter machen können und eine Fernschule buchen. Das hätte insgesamt ca. 4000 Euro (pro Kopf oder auch nicht) gekostet, das Lernmaterial wäre organisiert gewesen, sie hätten jederzeit Fernlehrer fragen können, wenn nötig und trotzdem ganz frei und selbstständig lernen können. Die Bewertungen der Hausaufgaben durch die Fernschule fließen nicht in die Abinote ein und sind mehr für den persönlichen check-up.

    Wer das Abi machen möchte, sollte dies einfach tun und sich nicht von traditionellen Vorstellungen (was Hänschen nicht lernt...) abhalten lassen. Auf dem 2. Bildungsweg kann man übrigens auch mit einem Hauptschulabschluss unabhängig vom Notendurchschnitt sein Abi machen.

  • J
    Johanna

    Ich bin sicher, ihr wisst schon jetzt mehr als jeder Abiturient (deutschlandweit).

    Und wenn die euch aus politischen Gründen durchs Abi rasseln lassen, dann werdet ihr locker überall einen Arbeitsplatz finden. Ich nehme euch sofort, da ihr bewiesen habt, dass ihr selbständig lernen könnt, Eigeninitiative habt und aufsteht wo eine Nation duckt. Allerdings bringt der ganze Mist aus den Abiprüfungen eh nichts. Ich habe alles im Studium nochmal gelernt. Und gottseidank nicht aus Schulbüchern.

    Zudem steht euch der Klageweg offen, den ihr dann auf jeden Fall nutzen solltet (die "Schüler" mit denen ich Abi auf einer Privatschule gemacht habe, konnten teilweise noch nicht einmal lesen - aber das gleichen ja die Elternbeiträge aus - hier kann man von Oberschicht sprechen).

     

    Wir brauchen mehr so junge Menschen, die Verantwortung für ihre Bildung übernehmen und dem Staat das Bildungsmonopol aus der Hand reißen.

  • JB
    J. baran

    Eine SchülerIn auf einem "normalen" Gymnasium kostet rund 5000 Euro pro Jahr. Die 11 Freiburger ersparen dem Land BäWü also mehr als 100.000 Euro. (Im Vergleich ist das Abi der Aussteiger also regelrecht preiswert.)

     

    Warum bekommen die Freiburger das Geld nicht als Zuschuss vom Land erstattet? Selbst kommerzielle Privatschulen bekommen schließlich Staatsgelder?

     

    http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27553/1.htmlvergleizu

     

    Viel Glück im Abi den 11en.

     

    J. B.

  • J
    Jan

    Ich glaube kaum, dass Lernen von morgens bis abends in der Abiturphase eine Seltenheit ist, deshalb ist der Arbeitsaufwand der Schüler kein wirklich gutes Gegenargument. Ich habe mein Abitur an einer Regelschule gemacht, den meisten Stoff aber definitiv nach der Schule (allein oder in kleinen Lerngruppen) gelernt. Dies trifft, soweit ich es beurteilien kann, auf viele meiner Mitschüler ebenfalls zu.

  • R
    Rita

    Erstaunlich ist, dass in diesem Artikel nur am Rande erwähnt wird, dass die SchülerInnen sich aus "ihren Waldorfschulen" abgemeldet haben. Die Gründe für die Abmeldung bleiben etwas dunkel. Es erstaunt doch, dass nicht hinterfragt wird, warum die Waldorfschulen anscheinend nicht in der Lage sind, diese SchülerInnen selbstbestimmt und optimal betreut auf das Abitur vorzubereiten.

     

    Trotz aller Bewunderung für den Unternehmergeist dieser SchülerInnen möchte ich auch den Aspekt von Jan Werich noch einmal aufgreifen, dass es letztendlich ein Projekt von SchülerInnen aus sicherlich bildungsnahen Mittelschichtsfamilien ist. So gesehen sind sie eben in der Lage, sich Bildung zu "erkaufen". Erst als Privatschüler der Waldorfschulen, deren Schulgeld die Eltern zu zahlen bereit waren, und nun als Abiturienten und "Arbeitgeber", die sich Lehrer engagieren und eine Menge bezahlen, um ihre Lücken aufzubessern.

     

    Bildung sollte eben nicht vom Geldbeutel abhängen, sondern ein allgemein zugängliches Gut sein. Den Sinn solch eines "Projektes" sehe ich also nicht, das hat es ja immer schon gegeben, dass diejenigen, die es sich leisten konnten, sich Nachhilfe bezahlten, um die handelt es sich ja letztendlich.

  • MH
    Michael Hamann

    Ich finde das Projekt interessant, möchte aber eines korrigieren: Das 12 Prüfungen mehr als das Doppelte sind, stimmt nicht, zumindest wenn man Waldorfschulen (von denen die SchülerInnen ja kommen) als Basis nimmt. Wir Waldorfschüler in Baden-Württemberg müssen nämlich neben den 4 Schriftlichen Prüfungen 2 mündliche Prüfungen ablegen und haben dann noch 2 sog. Hospitationsfächer, bei denen die Jahresleistung der 13. Klasse zählt (in anderen Fächern zählt keine Leistung außer der schriftlichen bzw. mündlichen Prüfung und eventuell einer fachpraktischen Prüfung). D.h. hiermit kommt man je nach Zählweise auf 6 oder 8 Prüfungen, 12 ist damit nicht mehr als das Doppelte. Auch die Behauptung, die Schüler hätten Leistungen aus Klasse 12 und 13 mitnehmen können, ist damit nicht richtig, da dies an Waldorfschulen in Baden-Württemberg außer bei den beiden Hospitationsfächern, die wie mündliche Fächer zählen, also mal 4, prinzipiell nicht möglich ist.

     

    Den Zeitraum des Lernens, nämlich von morgens bis abends 7 Uhr finde ich nicht sonderlich erschreckend oder gar ein Defizit, da ich vermute, dass außerhalb dieses Zeitraums dann auch keine Hausaufgaben mehr stattfinden, die man bei einem normalen Schultag ja noch dazurechnen müsste.

     

    Meine Meinung ist, dass derartiges Lernen in dieser Form natürlich nicht für alle möglich ist (wie vor mir bereits bemerkt wurde), existierende Schulen allerdings in der Form reformiert werden sollten, dass das Lernen in ähnlichen Formen abläuft. Modelle hierfür sind nach dem, was ich weiß, demokratische Schulen nach dem Sudbury-Modell, bei denen jegliche Entscheidungen von den SchülerInnen selbst getroffen werden.

  • JH
    Jon Hamre

    Als Teilnehmer des Projekts möchte ich gerne das Argument des Vorposters entkräften. Es ist de facto zwar so, dass jeder von uns finanziell seinen Beitrag leisten muss. Vergleicht man aber die Kosten unserres Projekts mit den normalen Kosten für einen Abiturienten, sieht das Ganze schon anders aus. Ich kenne die genauen Daten aus den Staatsschulen nicht, aber unsere Kosten von 5000,- ? pro Schüler liegen weit unter den Kosten, die der Staat für einen Abiturienten zahlt. Die Waldorfschulen beispielsweise bekommen vom Staat pro Abiturienten 5000,- ? ausgezahlt, hinzu kommt noch ein (einkommensgestaffeltes) monatliches Schulgeld. Ich gehe davon aus, dass die Summe von 5000,- ? weit unter den Kosten für einen Staatsschul-Abiturienten liegt.

    Würde der Staat uns die selbe Summe zahlen wie den Waldorfschulen, wäre unser Schuljahr bereits bezahlt.

    Und bezüglich der Stiftungen und Sponsoren, von denen wir Geld haben: es hat uns nie jemand nach unserer sozialen Herkunft gefragt. Die Spenden sind nicht davon abhängig, wer wir sind, sondern von unserer Idee und unserem Projekt. Ich glaube auch nicht, dass man uns alle unbedingt der Ober- oder Mittelschicht zuordnen kann.

     

    Trotzdem auch danke an die "Daumendrücker".

    Mit freundlichem Gruß,

    Jon A. Hamre

  • TH
    Thorsten Haas

    Hallo,

    "...Bildung eine Frage der Herkunft ist.." sicherlich stimmt das. Das Besondere an diesem Projekt ist für mich, dass sich endlich mal Schüler sowas trauen.

    Viel Glück und Erfolg kann ich da nur wünschen!

  • TB
    Thomas Beirle

    Bezug zu Jan Werich:

    Das staatliche Abi kostet die Allgemeinheit auch 5- 6000 Euro im Jahr, bei den Waldorfschülern aus freiburg sind die Kosten also nur privatisiert worden.

    Auch ich finde das Experiment der Schüler ungeheuer spannend und wünsche Ihnen für Ihren Abschluss alles Gute und viel Erfolg.

  • JW
    Jan Werich

    Vorab: Ich wünsche den Jugendlichen viel Glück fürs Abi und ich bewundere ihren Unternehmergeist, ihre Cleverness und ihre Vereinsrechtkenntnisse (die sie in den Veröffentlichungen Oktober 2007 unter Beweis stellten). Das Projekt, über das gejubelt wird, ist unter einem anderen Blickwinkel betrachtet allerdings ein weiterer Beleg dafür, dass Bildung eine Frage der Herkunft ist. Von neun Lehrern, zwei Hochschulprofessoren und einigen Dozenten mit Unterstützung von spendablen Sponsoren (wenn ich mich recht erinnere die Freiburger Kantstiftung u.a.) gecoacht zu werden kann sich nun mal nicht jeder leisten. Für die etwa zehntausend nicht gesponserten Kollegen dieser Schüler sehen die Umstände, einen Schulabschluss über die sog. Nichtschülerprüfung zu bekommen, völlig anders aus.

    Eine große Zahl von Bewerbern, die aufgrund ihrer Jahre zurückliegenden, vielfach sehr problematischen Schulzeit auf diese Weise keine Chance hätten, lernt an freien Schulen, die hierfür aber ein deftiges Schulgeld verlangen (5000-6000 Euro je Abschluss) und deren didaktische Konzepte oft simpel gestrickt sind. Gerade diese Bewerber, im Gegensatz zu diesen Schülern (ich unterstelle das einmal, da Waldorfschüler meist der Mittel- und Oberschicht entstammen) überwiegend aus sozial benachteiligten Schichten, sind zum Zeitpunkt der Prüfung mehr oder weniger hoch verschuldet und stehen unter einem enormen Druck. Für ihre Zukunft steht an den Prüfungstagen einiges auf dem Spiel, die Wiederholung einer verpatzten Prüfung ist für sie alles andere als peanuts.

     

    Nun ja, trotzdem viel Glück der Gruppe.

  • N
    n_kane

    Genial...ich drück die Daumen. Ich will nie wieder einen bösen Spruch über Waldorfschüler hören bzw. lesen ;o)

  • MY
    Mo Yanik

    Also ich - als selbst angehender Abiturient, der dieses Jahr auch die selben Abi-Prüfungen schreibt - sehe große Schwierigkeiten in dem Projekt. Also die Persönlichkeiten sind interessant und sicherlich reif aber das hilft nicht in der Abi-Klausur. Es ist in jedem Fall besser sich von ausgebildeten Lehrern (die seit etlichen Jahren aufs Abitur vorbereiten) Hilfestellung im üblichen Schulalltag zu nehmen. Allein die Tatsache das diese Schülerinnen und Schüler manchmal Morgens um sieben kommen und Abends um sieben gehen zeigt die großen Defizite. Ich z.B. bin gut vorbereitet worden, mit weniger Aufwand. Daher würde ich das Experiment als Aufschlussreich, aber dennoch als Irrweg deklarieren.

  • JS
    Jens Schlegel

    Diese Schüler haben nur ein Problem. Das Lernen sollte bereits ab der Grundschule gelernt werden. Wie Organisiere ich Stoff? Ab wann brauche ich einen Profi? Kann ich die Erarbeitung mit meinen Kollegen teilen? Und noch mehr Fragen die jeder für sich beantworten muss. Sollten sie scheitern, das glaube ich nicht, ist nur bewiesen, dass mit den Lernvoraussetzungen aus der Regelschule ein selbständiges Lernen nur schwer möglich ist.

    Interessant scheint mir die Fragen, wer in 10 Jahren mehr von seinem Abistoff weiß, Regelschule oder Anarchisten.

  • MK
    Matthias Keller

    Ich kann mich den vorigen Kommentaren nur anschließen. Diese Abiturienten sind schon viel weiter als die meisten 'modernen' Studenten.

    Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und Glück bei den Prüfungen - das braucht man immer, Prüfungen sind auch nur stochastische Experimente...

  • JF
    Janet Ferkó

    In jedem Fall handelt es sich um wirklich interessante Persönlichkeiten. Sie werden bestehen - im Leben.

  • FJ
    Franz Josef Neffe

    Na endlich! Endlich machen wenigstens Schüler, wenn es schon Lehrer nicht mehr können vor, was Lehren+Lernen ist. Diese beiden Worte leiten sich nämlich von germ. LAISTI = die FÄHRTE her und das heißt: Ein Lerner wird man dadurch, dass man eine Fährte des Lebens verfolgt. Wenn man das gut und gründlich macht, dann wächst man an seinem Tun und es freut einen. Dadurch wird man für andere interessant und die möchten einem dann gerne auf der Fährte folgen, die man beschritten hat. Wenn einem andere folgen wollen, das erhebt einen vom Lerner zum Lehrer.

    Die Schüler, die für ihr Experiment aus der Schule hinaus und ins Leben hinein ihrer eigenen originalen Fährte gefolgt sind, das sind echte Lerner und sie können echte Lehrer werden.

    Unsere "Lehrer" in der Schule dagegen sind, wie das in der neuen Ich-kann-Schule aufgearbeitet ist, sind gar keine Lehrer, sie sind der Staatsgewalt hörige Unterrichtsvollzugsbeamte.

    Wenn ich 100 Lehrer frage, was ein Lehrer tut, wodurch er ein Lehrer ist, sagen fast alle "Er bringt den Kindern etwas bei. Er vermittelt Wissen. usw." In Bayern z.B. ist dieser Fehler sogar in der Verfassung festgeschrieben. Wenn der Lehrer nämlich alles beibringt, dann gibt es keine Fährte mehr, auf der man Erfahrung machen kann, und dann ist Lernen vereitelt. Auch dass man wissen, weil es ja eine bereits angeborene gabe ist, gar micht vermitteln kann, haben sowohl die bayer. Verfassungsdichter wie die Pädagogen noch gar nicht bemerkt. Das Papierwissen, das in ihren Büchern stehen und das sie nach diesen Büchern abfragen, ist ja gar kein Wissen, es ist nur eine tote Kopie von Wissen. Da aber im ganzen Lande (fast) keiner selber denkt und man jede Schablone unbesehen übernimmt, merkt keiner diesen Unsinn.

    Ist es nicht ein Hoffnungszeichen, wenn sich in Deutschland immer wieder einmal jemand aus diesen plumpen Schablonen befreit und tatsächlich seinen eigenen, originalen Weg ins Leben hinein geht? Wir bräuchten noch viel mehr solche Vorbilder, vielleicht wachen wir dann endlich auf! Selbst wenn alle Schüler in diesem Fall das Abitur mit einem Schnitt von 6,0 nicht bestünden, wären sie schon weiter als all die Schablonenfüller.

    Ich grüße herzlich.

    Franz Josef Neffe