SPD-Streit über Bahn-Privatisierung: Beck auf Kollisionskurs
Ob und wie sich die Bahn privaten Investoren öffnen soll, bleibt innerhalb der SPD umstritten. Mit einem neuen Kompromiss stößt der Parteivorsitzende Kurt Beck auf Widerstand.
BERLIN taz Die Bahn-Privatisierung entwickelt sich für Kurt Beck immer mehr zum Risiko. Weil die SPD-interne Arbeitsgruppe sich bisher auf keinen Kompromiss einigen konnte, muss der SPD-Chef ohne konkretes Modell in ein Treffen mit den Landes- und Bezirksvorsitzenden am Sonntag gehen; einen Tag später will die Arbeitsgruppe der Partei dann ein Ergebnis vorlegen, das Ende April mit der Union verhandelt werden muss.
Innerhalb der SPD stehen sich nach wie vor gegensätzliche Positionen gegenüber: Die SPD-Minister Wolfgang Tiefensee und Peer Steinbrück wollen am Holding-Modell festhalten, bei dem sich private Investoren zu 49,9 Prozent am Güter-, Nah- und Fernverkehr beteiligen könnten. Die Privatisierungskritiker um Hermann Scheer würden allenfalls eine Teilprivatisierung des Güterverkehrs akzeptieren. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil, der die Arbeitsgruppe leitet, räumte nach der letzen Sitzung in einem Brief ein, "dass wir zum jetzigen Zeitpunkt noch kein endgültiges Ergebnis haben". Er sei jedoch der "festen Überzeugung", dass am Montag eine "einvernehmliche Lösung" gefunden werde. Nach Angaben aus SPD-Kreisen läuft Becks Kompromissvorschlag darauf hinaus, den Güterverkehr und Personenfernverkehr zu privatisieren, den Nahverkehr jedoch auszunehmen. Dies will der Vorsitzende demnach auch gegen den erklärten Widerstand der SPD-Minister durchsetzen.
Eine solche Lösung stößt jedoch nicht nur bei Bahnexperten auf Unverständnis, die bei einer Privatisierung gerade im Fernverkehr starke Einschnitte befürchten. Auch bei der eigenen Partei und dem Koalitionspartner kommt Becks Vorschlag nicht gut an. Die SPD, deren Wähler zu 73 Prozent gegen jede Form der Privatisierung sind, hatte auf ihrem Parteitag im Oktober in Hamburg beschlossen, dass allenfalls stimmrechtslose Aktien ausgegeben werden dürfen. Der langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Conradi, der beim Parteitag eine umjubelte Rede gegen den Bahn-Verkauf gehalten hatte, sieht auch Becks Vorschlag im klaren Widerspruch zur Beschlusslage der SPD. "Der Parteitag hat unmissverständlich beschlossen, dass private Investoren keinen Einfluss auf die Bahn bekommen dürfen." Werde dagegen verstoßen, so Conradi, würden die Bezirksverbände einen Sonderparteitag durchsetzen.
Um das zu verhindern, will Beck diese am Sonntag auf seinen Kurs einschwören. Doch auch dort sind die Vorbehalte gegen den möglichen Kompromiss groß. "Für Schleswig-Holstein ist es bedeutsam, dass der Nahverkehr nicht vom Fernverkehr abgehängt wird", sagte Ralf Stegner, SPD-Vorsitzender des nördlichen Bundeslandes, zur taz. Er verwies ebenfalls darauf, dass Becks Modell im Widerspruch zum SPD-Parteitagsbeschluss steht. "Der Beschluss von Hamburg gilt", sagte Stegner. "Alle Lösungen müssen sich daran messen lassen."
Und auch die Union lässt kein gutes Haar an Becks Überlegungen. "Den Nah- und Fernverkehr auseinanderzureißen, wäre die schlechteste Lösung von allen", sagte der verkehrspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Friedrich. Über solchen "Unsinn" werde die Union nicht verhandeln.
Vielleicht ist genau das die Lösung, auf die Beck hofft: dass er die SPD auf einheitlichen Kurs bringt - und dann der Union die Schuld fürs Scheitern des umstrittenen Vorhabens zuschieben kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!