Flughafen Schönefeld: Fata Morgana in der Wüste
Der Großflughafen Berlin Brandenburg International soll ab 2011 Tempelhof und Tegel ersetzen. Doch klappt das? Ein Besuch auf der Baustelle
An dieser Baustelle ist alles weit. Der Horizont. Der Himmel. Der Hype. 2.000 Fußballfelder groß ist der märkische Sandkasten, aus dem bis 2011 der Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI) wachsen soll. Die größte Flughafenbaustelle Europas folgt der größten Citybaustelle Europas, die der Potsdamer Platz einmal gewesen ist. Klar, dass auch die nun inszeniert werden muss. Der Infotower, eine in sich gedrehte, mit Stoff umhüllte Aussichtsplattform des Büros Kusus + Kusus Architekten, wird - wie einst die Infobox - ab Juni fürs Publikum geöffnet. Dann kann jeder sehen, was bislang noch den Besuchern geführter Touren vorbehalten ist. Schönefeld hebt ab.
Superlative wie diese gehören für Ralf Kunkel zum Geschäft. Auch die persönliche Baustellenführung von Journalisten kurz vor dem Volksentscheid zur Zukunft des City-Airports Tempelhof. Worüber der Pressesprecher der Berliner Flughäfen weniger gern spricht, sind die schlechten Nachrichten, die Schönefeld immer wieder produziert: zu teuer, die Banken machen Probleme, zu wenig Kapazität. Alles Unsinn, sagt Kunkel dann. Die Finanzierung steht. Die Banken prüfen in der gegenwärtigen Kreditkrise gründlicher als vorher, sind aber von BBI überzeugt. Die Kapazität reicht aus und kann jederzeit erweitert werden. Vor allem aber sagt Ralf Kunkel: "Wir sind im Zeitplan."
Überraschender Blick
Von oben, auf der Plattform des Infotowers, kann es Kunkel am besten demonstrieren. "Die große Röhre ist der Bahntunnel. Der muss bis Mitte des Jahres auf 175 Meter Länge gedeckelt sein. Dann beginnt der Bau des Terminals."
Hoch über der Weite dieser Baustelle zeigt, erklärt, wirbt Ralf Kunkel für den Flughafen, in den Berlin seine ganze Hoffnung gesteckt hat: das größte Infrastrukturprojekt der Region. 40.000 zusätzliche Arbeitsplätze. Ein Flughafen nicht nur für Berlin und Brandenburg, sondern auch für Westpolen. Neue Direktflüge nach Asien, weil Berlin eine Stunde östlicher liegt als Frankfurt oder München.
Der Blick von der 32 Meter hohen Plattform ist tatsächlich beeindruckend. Nach Norden sieht man auf der alten Südbahn des Flughafens Schönefeld eine Easyjet-Maschine starten, dahinter liegen, schon im Miniaturformat, das alte Terminal und der S-Bahnhof Berlin-Schönefeld Flughafen. Richtung Osten wandert der Blick auf einen Tümpel, das letzte Überbleibsel des Dorfs Diepensee, das dem Bau von BBI weichen musste. Die meisten Bewohner leben nun in einer Ersatzsiedlung bei Königs Wusterhausen. Hinter der abgebaggerten Gemeinde verläuft die neue A 113, die ab 23. Mai die BBI-Baustelle und später den Flughafen an die Innenstadt anbindet und nach Süden Richtung Dresden führt.
Südlich des Infotowers wird die neue Südbahn gebaut. Das heißt, Erdreich wird abgetragen, Erdreich wird aufgefüllt, damit es bei Starts und Landungen nicht zugeht wie in einer Achterbahn. Zwischen neuer Südbahn und neuer Nordbahn, hat Flughafensprecher Kunkel erklärt, liegen 2 Kilometer Abstand - genauso viel, wie man braucht, um hier künftig parallel starten und landen zu können.
Das Überraschende ist allerdings der Blick nach Westen. Dorthin, wo am Mittwoch wieder ein Stück Tunneldecke betoniert wurde, die Stelle, an der der Blick über die Mondlandschaft hängen bleibt, weil Dutzende von Kränen aussehen wie eine Fata Morgana in der Wüste.
Erstaunlich klein wirkt das Gelände des Bahnhofs und des Terminals von hier oben, fast so, als hätten die Kritiker recht, wenn sie sagen, der BBI sei jetzt schon zu klein. Doch die Erweiterung der Startkapazität von 22 bis 25 Millionen Fluggästen auf 40 Millionen, hat Ralf Kunkel gesagt, sei jederzeit möglich. Neben dem Terminal mit seinen U-förmig angelegten Flugsteigen könnten innerhalb eines Jahres zwei weitere Terminals aus dem Boden gestampft werden. Dann könnten im BBI 40 Millionen Passagiere starten und landen - mehr als heute im Flughafen Franz Josef Strauß in München und nur 14 Millionen weniger als in Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt am Main.
Unten wartet schon ein Opel der Flughafengesellschaft. Nach einem kurzen Sicherheitscheck geht es auf die Baustelle. Was von oben klein und überschaubar wirkt, ist vor Ort eine Welt für sich. Ameisengleich und im Halbminutentakt karren riesige Caterpillar-Fahrzeuge den Erdaushub auf die Zwischenlager. Die Kräne schaukeln Schalungsträger über die Armierungsgitter, ohne dass die Bauarbeiter auch nur den Kopf heben. 1.000 von ihnen arbeiten bereits auf der Baustelle, kurz vor Fertigstellung von BBI werden es dreimal so viele sein.
Wenn der Rohbau des Bahnhofs mit seinem 400 Meter langen ICE-Bahnsteig fertig ist, erklärt ein Bauarbeiter, wird das Ganze an die Bahn übergeben. Die kümmert sich dann um den Innenbau. So geht es weiter, Schritt für Schritt, bis 2011. Vorausgesetzt, Ralf Kunkel kann dann immer sagen: Wir sind im Zeitplan.
Für die Geschäftsflieger beginnt die Zukunft von Schönefeld nicht erst in drei Jahren, sondern schon im Oktober. Mit der Schließung von Tempelhof, erklärt Ralf Kunkel bei der abschließenden Tour über das General Aviation Terminal GAT, wird der Geschäftsflugverkehr in Schönefeld abgewickelt. Die Hinweisschilder auf die kleinen Fluggesellschaften sind schon angebracht, die ersten Starts und Landungen vollbracht.
Madonna war schon hier
Keith Richards war bereits hier, Madonna ebenfalls, während der Berlinale war Schönefeld für die Privatflieger der Ausweichflughafen für Tempelhof.
Nur eines werden sie dabei nicht erlebt haben: das Gefühl, in einer Weltstadt anzukommen. Da können die Presseleute wie Ralf Kunkel noch so sehr darauf hinweisen, dass man mit dem Auto künftig in 30 Minuten in der Innenstadt ist und mit dem Airport-Shuttle noch schneller. Der Weg dahin führt durch tiefste Provinz. Auch wenn man mit der Eröffnung der neuen Flughafenautobahn nicht mehr am alten Terminal samt seinem seinem DDR-Charme vorbeimuss - die Fahrt in die Berliner City führt auch weiterhin über Altglienicke, Adlershof, Treptow, Neukölln und Tempelhof. Selbst die Busfahrt mit dem TXL ab Tegel ist da großstädtischer.
Vielleicht aber wird ein Großteil der Fluggäste sowieso draußen bleiben. Auch das gehört schließlich zur Baustelle von Berlin Brandenburg International. Nach dem unterirdischen Bahnhof und dem Terminal wird mit den Bauarbeiten für die so genannte Airport-City begonnen - einschließlich der Hotels und Konferenzräume für die, die zum Tagen keine Stadt brauchen, sondern nur einen Tagungsort.
Und dann rücken mit BBI ja auch andere Ziele näher. Dresden zum Beispiel oder Breslau, Posen, Warschau. Schon heute machen die Fluggäste aus Polen bereits 10 Prozent aller Passagiere auf den Berliner Flughafen aus. In Zukunft soll sich der Anteil sogar noch vergrößern. Nicht ganz einfach ist der geografische Spagat, den Ralf Kunkel, der Flughafensprecher, deshalb vollbringen muss. Den Geschäftsleuten aus dem Westen erklärt er, wie nah es vom BBI zum Potsdamer Platz ist. Den Journalisten aus Polen versichert er, dass die Grenze zum Nachbarland nur 70 Kilometer entfernt ist.
Doch bis dahin reicht der Blick in die Weite, die der Infotower bietet, nicht. Und auch der Fernsehturm in 20 Kilometer Fluglinie steht noch in weiter Ferne. Zwei Jahre nach Baubeginn bleibt Schönefeld ein Versprechen. Mit dem Infotower wird es aber sichtbar. Jeden Tag ein Stück mehr.
Geänderte Artikeltext hier (überschreibt Originaltext wenn nicht leer)
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