Kommentar EU-Beitrittskandidaten: Werte für den Balkan

Die EU muss kämpferischer werden: Es kann nicht angehen, dass sie sich um eine gemeinsame Strategie für den Balkan herumdrückt und allen potentiellen Konflikten ausweicht.

Natürlich ist es richtig, den Menschen auf dem Balkan eine europäische Perspektive zu geben. Aber es ist falsch, erst Bedingungen für die Integration in die EU festzulegen und sie dann aus taktischen Gründen Stück für Stück zurückzunehmen. So ist schon die Forderung nach der Verhaftung der zwei schlimmsten Kriegsverbrecher der 1990er-Jahre, Radovan Karadzic und Ratko Mladic, in der EU zum Anachronismus geworden. Und die Verantwortlichen in Brüssel wie auch in den Hauptstädten sind nun offenbar nicht mehr bereit, überhaupt noch um eine gemeinsame Strategie gegenüber dieser Region zu ringen.

Das Bild, das die EU heute abgibt, ist erbärmlich. Es ist geprägt von unberechenbaren Führungsfiguren wie Italiens künftigem Premier Silvio Berlusconi oder dem sprunghaften französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy auf der einen Seite und langweiligen Spitzenpolitikern in London und Berlin auf der anderen. Zudem agiert in Ljubljana eine Führung, die offenbar von den gestellten Aufgaben überfordert ist.

Es geht nicht darum, den EU-Kandidaten auf dem Balkan die Zukunft zu verbauen. Aber es ist doch nicht zu viel verlangt, Veränderungen von denen zu fordern, die EU-Mitglied werden wollen. Wer will denn ein Serbien in der EU, das an seinen alten Ideologien festhalten will und seine Kriegsverbrecher verteidigt? Und warum werden in Bosnien und Herzegowina all jene von Europa toleriert, die mit ihren völkischen Forderungen jegliche Fortschritte des multinationalen Staates zunichte machen?

Europa muss sich wieder auf seine Grundwerte besinnen. Und kämpferischer werden. Es kann nicht angehen, dass die EU allen möglichen Konflikten aus dem Weg geht. Demokratisch legitimierte Macht muss genutzt werden. Sowohl nach außen als auch nach innen. Auch gegenüber jenen innerhalb der EU, die es mit der Einhaltung von Grundrechten und demokratischen Werten wie zum Beispiel der Medienfreiheit selbst nicht so ernst nehmen. Das zerstrittene Europa braucht eine Erneuerung - und das schnell.

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Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.

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