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Lebensmittelkrise in WestafrikaReis vom Speiseplan gestrichen

Von Nigeria bis Senegal wird Reis knapp und Weizen teuer. Heimische Lebensmittel wie Maniok fehlen vielerorts, weil die Bauern vor allem Exportprodukte anbauen müssen.

Heute ist Reis drei Mal wertvoller als noch vor einem Jahr. Bild: dpa

LAGOS taz Die Köchin in der kleinen Buka, wie Straßenküchen in Nigeria heißen, weiß nicht mehr, wie sie ihren Kunden die Preise erklären soll. Also bietet sie gar keinen Reis mehr an, sondern kocht nur noch Bohnen und dazu Gries aus Maniokmehl. Auch das Frittieren von Kochbananen hat sie für den Moment eingestellt. "Alles ist so teuer geworden und es gibt nur Streit, wenn ich mehr von meinen Kunden verlange", sagt die Mittdreißigerin Emuejevoke Origbo, "also koche ich nur das, was noch bezahlbar ist."

Wer trotzdem Reis essen will, muss sich eine andere Buka suchen. In der nigerianischen Metropole Lagos, der größten Stadt Afrikas, hat sich der Preis für Reis seit vergangenem Jahr fast verdreifacht. Vielleicht kam es in Nigeria nur deshalb noch nicht zu Unruhen, weil das Land viele Grundnahrungsmittel selbst ausreichend produziert: zum Beispiel Maniok. Allerdings sind seit dieser Woche die Bäcker von Lagos im Ausstand, um gegen hohe Mehlpreise zu protestieren.

Dagegen starben in der Wirtschaftsmetropole Abidjan in der Elfenbeinküste vor einigen Woche mehrere Menschen, als sie gegen die hohen Lebensmittelpreise auf die Straße gingen. Bezeichnend ist hierbei, dass die Elfenbeinküste zu den weltweit größten Produzenten von Kaffee und Kakao zählt, aber nun Schwierigkeiten mit der bezahlbaren Versorgung der eigenen Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln hat. Auch in Senegal kam es zu Protesten gegen Preissteigerungen, zuletzt am 1. Mai. Aus Liberia, dem westlichen Nachbarland der Elfenbeinküste, kommen Meldungen, dass die Menschen bereits zwangsläufig ihre Essgewohnheiten ändern. Normalerweise isst man in Liberia morgens, mittags und abends Reis, dazu Soßen aus Kassavablättern, Palmbutter oder Kartoffelgrün. Jetzt heißt es, dass mehr und mehr Liberianer auf Spaghetti umsteigen. Bei Nigerias westlichem Nachbarn Benin, wo wie in allen ehemaligen französischen Kolonien in Afrika das Baguette aus Weizenmehl ein Grundnahrungsmittel darstellt, zeigen sich andere Auswirkungen: Das Baguette kostet zwar genauso viel wie vor einem Jahr, nämlich 110 westafrikanische CFA-Francs (0,15 Euro). Dafür ist es aber nur noch halb so groß.

Die Regierungen in Westafrika hat die Inflationswelle von Lebensmitteln auf dem falschen Fuß erwischt. Die Agrarpolitiker in der Region hatten in den letzten Jahrzehnten auf ein anderes Szenario gesetzt: Sie wollten mit landwirtschaftlichen Exportprodukten harte Währung auf dem Weltmarkt verdienen. Noch im vergangenen Jahr fuhr Nigerias Regierung eine große Kampagne, um Farmer vom Anbau von Maniok als Biokraftstoff zu überzeugen. In Liberia pflanzen die Bauern Kautschuk, in der Elfenbeinküste Kakao und Kaffee und jüngstens auch Kautschuk. In den Sahel-Ländern Mali und Burkina Faso sowie südlich davon in Benin setzen die Farmer auf Baumwolle. In den feuchteren Gebieten entlang der Küste steht Palmöl hoch im Kurs. Seit Jahren kämpfen nun all diese Bauern mit verfallenden oder stark schwankenden Weltmarktpreisen für diese Exportprodukte - und es wird für die bäuerlichen Familien immer schwieriger, ausreichend Grundnahrungsmittel anzubauen, zumal wenn diese teuer importiert werden müssen. Auch wenn Bauernfamilien in Westafrika immer auch ihren Gemüsegarten haben, kann mit dieser Subsistenzwirtschaft nicht die Bevölkerung in den Städten versorgt werden.

Unsicherheit bei der Lebensmittelversorgung schwenkt in Westafrika leicht in politische Unruhen um. Mehrfach wurde Guinea in den vergangenen Jahren von "Reisunruhen" erschüttert, wenn der Preis für dieses Grundnahrungsmittel zu hoch wurde. Reis-Revolten waren auch die Vorläufer für den berüchtigten Bürgerkrieg in Liberia in den 90er-Jahren. Während dieses Krieges, dessen verschiedene Phasen die Liberianer erster, zweiter und dritter Weltkrieg nennen, bekamen Reiskörner den Spitznamen "weiße Diamanten". Diese Bezeichnung könnte schnell wiederkehren.

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3 Kommentare

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  • A
    Anne

    Große Mengen an Gold, Diamanten etc., wurden bekanntlich unter extremer Ausbeutung z.B. auch in Afrika südl. d. Sahara gefördert und sind nun großteils in den Händen von Multimillionären, z.B. 'wandert' sehr viel Gold aus Subsahara-Afrika in arabische Staaten.

     

    Daher sollten z.B. Gold- u. Diamanten auf Bauwerken und als Schmuckstücke zu Schau tragende Fürstenfamilien als 'Reparationszahlung', bzw. Schmerzensgeld mindestens 1 Mio Quadratkilometer Land [ z.B. auf der arab. Halbinsel, sowie die bis heute marokkan. Okkupierte Westsahara ] als UNO Verwaltetes Gebiet zur Verfügung stellen,

    auf dem dann Menschen aus Afrika südl. der Sahara sich dort ansiedeln können.

     

    Die viel Gold, Diamanten etc. auch aus Subsahara-Afrika besitztenden Superreichen (der ganzen Welt, auch in Afrika selbst) sollten - z.B. über einen UNO Fond - selbstverständlich dafür auch an den Küsten dort ausreichend mit Solarenergie betriebene Meerwasseraufbereitungsanlagen u. Pipelines ins Landesinnere dieser UNO Gebiete finanzieren und thermische u.a. Solaranlagen für die sonstige Energieversorgung dort.

  • BW
    bernhard wagner

    Korrektur u. Ergänzung:

    Vorhin unter Punkt 3. in meinem Kommentar sollte nach "Meerwasserentsalzungsanlagen" noch "und sonstige Solaranlagen versch. Typs" ergänzt werden! (sonst wären 4000 km2 doch recht viel, auch z.B. wenn das vorausschauend ca. fürs Jahr 2020 als Ziel gedacht war).

    Und: Diese Anlagen brauchen (natürlich) auch nicht nur an der Küste zu stehen (bzw. auf Dächer montiert werden u.s.w.). Die erwähnten Solarkocher/öfen sind dazu ein Spezialfall.

     

    Gezieltes Bäumepflanzen, wie es z.B. Thomas Sankara in Burkina Faso einst erfolgreich initiiert hatte, wäre natürlich auch zu nennen. und nicht zuletzt als ein Vorbild die im 19. Jh. von Kolonialherren zerstörte Waldgartenkultur in einer Region am Kilimandscharo.

  • BW
    bernhard wagner

    Bei anhaltender oder global sogar steigender globaler Anpassung an das bislang schlechte Vorbild Europas, USA u.s.w. bzgl. Ressourcenverbrauch, Müll, Emissionen etc. und weiter steigender Zahl der Weltbevölkerung, würde sich der Mangel an Nahrung u. sauberem Trinkwasser - auch in Afrika - sogar ohne Kriege und Wirtschaftskrisen verschärfen (mit diesen umso mehr).

     

    Mindestens 3 Dinge wären in diesem Kontext speziell für Afrika wichtig - z.T. auf Indien etc übertragbar:

     

    1. Kooperativen kleinbäuerlicher Landwirtschaft fördern und sicherzustellen, dass sie über ausreichend Land, Wasser, Gerätschaft, Fachkompetenzen verfügen

    2. Solarkocher/-öfen, v.a. für Schulspeisungen, aber auch Haushalte (zum Vorkochen/braten, falls die Leute erst Abends warm zu essen gewohnt sind), Modelle z.B. bei wikipedia beschrieben

    3. solar-technische Meerwasserentsalzungsanlagen, mind. 4000 km2, verteilt auf Küstenstreifen Afrikas: ... Angola, Namibia, Südafrika, Tansania, Kenia, ... - Typ z.B: Ruhr-Univ. Bochum 2003: 20 l Wasser/Tag/m2 Kollektorfläche bei 10h Sonnenschein/Tag

     

    Dazu allg. demokratische Verhältnisse auf allen Ebenen (v.a. "von unten" und auch im Bewusstsein) fördern, nicht zuletzt die Rechte v. Mädchen und Frauen, v.a. gegen jeder Form von (sei's auch subtil erwzungener) Schwangerschaft u.a. andere Unterdrückung/Gewalt (inklusive z.B. FGM).

    -- Letztgenannte Dinge übrigens nicht nur zu fördern als Mittel zu anderen Zwecken, sondern als wesentlicher Bestandteil eines menschenwürdigen Lebens.