Lokales Bier bevorzugt: Blickdichter Zaun, bunter Baldachin
Im Baseler „Joggeli“ findet am 7. Juni das Eröffnungsspiel der Fußball-EM statt. Bis dahin wird im Stadion und überall noch kräftig „herumgebosselt“.
Mit dem Fahrrad sind es nur 30 Minuten vom südbadischen Lörrach bis ins Stadion St. Jakob-Park in Basel. Lörrach ist der alte und neue Wohnort von Ottmar Hitzfeld. Der Noch-Bayern-München-Trainer wird gleich nach der Euro 08 die Schweizer Nationalmannschaft übernehmen. Im „Joggeli“, wie die Basler den St.-Jakob-Park liebevoll nennen, findet am 7. Juni das Eröffnungsspiel dieses drittgrößten Sportanlasses der Welt statt. Die Schweiz spielt gegen Tschechien.
Unterkunft: www.sleep-in.ch vermittelt Übernachtungsmöglichkeiten bei Privaten.
Die Host City Basel, ist die offizielle Stelle für alle Informationen aller Art. www.euro08.basel.ch
Fan-Camps gibt es drei Stück auf dem nahen Lande, in Aesch, Bubendorf und Pratteln. Die gut eingerichteten Camps sind zwischen 7 und 12 km vom Stadion und der Stadt entfernt. www.fancamps.net
Fanmeilen und Public Viewing: Neben der fixen Meile quer durch die Stadt gibt es auf dem lauschigen Münsterplatz einen temporären Betrieb während der Spiele. Neben den Großleinwänden wird es unzählige Möglichkeiten geben, die Spiele in Gesellschaft zu sehen: etwa auf dem Gelände der ehemaligen Kaserne gleich am Rhein, die heute auch Kulturzentrum ist.
Essen und Trinken hat seinen Preis in der Schweiz. Doch Frankreich und Deutschland sind nahe. Besser als die offizielle Uefa-Plörre sind jedenfalls die einheimischen Marken "Unser Bier" und "Ueli-Bier".
Nicht nur für Fetischisten ist das Sportmuseum Basel an der Missionsstraße 28 interessant. Ein Exponat der Sammlung ist beispielsweise die Pfeife, mit der der Basler Schiedsrichter Gottfried Dienst 1966 das dritte Tor in Wembley gepfiffen hat. Im "Gare du Nord" des Badischen Bahnhofs findet gleichzeitig die Ausstellung "100 Jahre Schweiz-Deutschland" statt. 1908 spielten die Deutschen ihr erstes Länderspiel in Basel und verloren 3:5 gegen die Schweiz.
Wer mal eine Auszeit vom Fußball braucht: Basel hat auch abseits der Fanmeile eine schöne Altstadt. Man gehe nur den Spalenberg hoch. Schön ist es auch, an beiden Ufern rheinabwärts zu wandeln. Der öffentliche Verkehr in und um Basel ist sehr gut ausgebaut, und die sanften Hügel um die Stadt trösten auch nach einer schweren Niederlage. WOB
1971 hat Hitzfeld den Weg von Lörrach ins Basler Stadion schon einmal gemacht, möglicherweise mit dem Fahrrad. Da ist der damals 22-Jährige aufs Trainingsgelände des FC Basel gekommen und hat sich dem Trainer Helmut Benthaus vorgestellt. Kurz darauf gehörte Hitzfeld zur ersten Mannschaft und wurde zum Ende der Saison sogleich auch Meister. Ähnlich dominierend wie in jenen Jahren ist der Club auch heute wieder. Basel ist ganz klar die Fußball-Hauptstadt der Schweiz. Das treueste und zahlreichste Publikum besitzt der FC Basel sowieso. Gerade hat der Verein den Pokalsieg geholt und steht mit einigen Vorteilen da im Kampf um die Meisterschaft gegen die Berner Young Boys: Im allerletzten, wohl entscheidenden Saisonspiel müssen die Berner ins „Joggeli“ kommen.
Dann wird dort schon kräftig für die Euro herumgebosselt. Vor Kurzem gab es eine groß angelegte Übung mit Ordnungskräften aller Art, um den verordneten Euro-Ausnahmezustand tatkräftig durchzusetzen. Es kam vor allem zu heftigen Verkehrsbehinderungen rund ums Stadion. Aber das wird in den Tagen der EM sowieso der Fall sein. Das an einem kräftig befahrenen Verkehrskreuz liegende „Joggeli“ wird zur No-go-Area. Denn wenn Schweizer bei einem sicher sein wollen, dann bei der Sicherheit.
Deswegen wurde auch schon vor Längerem ein Hooligan-Gesetz durchgepeitscht. Die Sanktionen gegen echte und vermeintliche Übeltäter beinhalten temporäre Stadion- und Gebietsverbote, Aufnahme in eine Delinquentenkartei und schlimmstenfalls präventiven Polizeigewahrsam. Das ist rechtsstaatlich selbstverständlich etwas happig.
Basel hat zwar eine große humanistische Tradition und ist durchaus kultur- und kunstsinnig, doch Basel ist keine große Stadt, sie liegt ziemlich eng und zugebaut im Dreiländereck. Da kann es schnell zu verkehrstechnischen Problemen kommen, wenn zu viele Holländer und Deutsche mit dem Auto direkt vors Stadion kommen wollen. Die ans „Joggeli“ angrenzende Gemeinde Muttenz weigerte sich gar, die ziemlich lange VIP-Karawane über ihr Gebiet fahren zu lassen. Der Mehrverkehr sei den Bewohnern der betroffenen Viertel nicht zuzumuten. Mittlerweile hat die Regierung allerdings ein Machtwort gesprochen, und die tapfere Gemeinde musste klein beigeben.
Und wie ist das wohl, wenn in den diversen Fanzonen nicht mehr ganz nüchterne Fans in ihrer Euphorie über die frischen Geranien auf dem Balkon herfallen oder sich in Hauseingängen erleichtern? Es gefällt vielen Baslern nicht, mit welcher Vehemenz die Uefa in ihre Stadt eingefallen ist. Auch die rot-grüne Regierungsmehrheit hat da einfach nur zugesehen. Aber es ist gute Schweizer Tradition, gegen fremde Vögte zu sein.
Das war schon 1291 gegen die Habsburger so. Viele Menschen haben das nicht ganz unberechtigte Gefühl, von der Host City Basel, den hiesigen Euro-Organisatoren, sozusagen an die Uefa verschachert worden zu sein. So weigern sich in der offiziellen Fanmeile beispielsweise drei an bester Lage am Rheinufer gelegene Restaurants, den Uefa-Vorschriften entsprechend nur ein bestimmtes Bier auszuschenken. Lieber lassen sich die drei Kneipen einen blickdichten Zaun um ihre Gartenwirtschaften als Abschirmung zur Fanmeile ziehen und schenken weiter ihre eigenen Biersorten aus.
Das ist sehr sympathisch, und im Endeffekt gibt das dem Euro-Schauplatz Basel zusätzliche Attraktivität. Wer will denn schon einen Korridor durch die Stadt mit nichts als den Produkten, deren Hersteller mit der Uefa einen Vertrag haben? Die größte Basler Fanmeile führt jedenfalls vom Schweizer bis zum Badischen Bahnhof, quer durch die Stadt, und es sind 430 mobile Toiletten entlang dem offiziellen Fanboulevard aufgestellt. Neben der Sicherheit steht der Schweizer nämlich auch sehr auf Sauberkeit.
Auf der Mittleren Brücke, dem ältesten noch erhaltenen Rheinübergang überhaupt, ist eine Großleinwand installiert. Wenn da nur keine Fans im Überschwang der Gefühle ins Wasser fallen. Der umtriebige Kunstorganisator Klaus Littmann will Teile der Fanmeile mit einem Baldachin aus farbigen Tüchern überspannen, die von internationalen Künstlern gestaltet wurden. Ein privates Sponsoring scheiterte nicht zuletzt an den Auflagen der Uefa, die keine anderen Werbeträger wünschte. Nun haben die Stadt und eine private Stiftung die Finanzierung dieses Spektakels übernommen.
„Basel. Mehr als neunzig Minuten“ lautet der offizielle Euro-Slogan dieser Stadt. Wenn es zu Verlängerungen aller Art kommt, dann ist immer noch der öffentliche Verkehr da, der sein Angebot bis weit in die Nacht hinein ausgebaut hat und auch die vielen Fan-Camps rund um Basel bedient. Wer für die Euro vor Ort Quartier sucht, kann es beispielsweise immer noch bei www.sleep-in.ch versuchen.
Neben dem Eröffnungsspiel finden in Basel noch die anderen beiden Gruppenspiele der Schweizer statt. Dazu gibt es im „Joggeli“ zwei Viertelfinals und ein Halbfinale. Vieles ist möglich. Die Euro-Begeisterung hier in Basel ist allerdings seit März durch die peinliche 0:4-Niederlage im „Joggeli“ gegen die Deutschen zusätzlich gedämpft worden. Fieberhaft versuchen die offiziellen Stellen seither, die Euphorie hochzufahren. Das wirkt dann alles etwas verkrampft. Denn dass die Basler feiern können, hat sich zuletzt wieder vor ein paar Wochen beim Pokalsieg gezeigt. Deswegen kann man nur einem rot-grünen Politiker zustimmen, der da schrieb: „Seit Wochen wird versucht, uns von oben herab Freude zu verordnen. Zum Glück lassen wir Schweizerinnen und Schweizer uns aber Freude und Begeisterung nicht verordnen, sondern sind gewohnt, selbstständig zu denken.“
Wenn dem so ist, dann ist ja alles gut. Nun muss die Schweizer Nationalmannschaft nur noch Europameister werden. Das Finale ist allerdings nicht in Basel.
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