die wahrheit: warnhinweise auf warner
Der japanische Autobauer Honda hat kürzlich eine Weltneuheit vorgestellt. Honda hat eine Funktion im Navigationssystem entwickelt, die den Fahrer warnt, wenn er sich mit dem Auto einer Gegend mit hoher Kriminalitätsrate nähert ...
Dazu füttert Honda nach eigenen Angaben das Navigationssystem mit Informationen der Polizei. Wie muss man sich das vorstellen? "Achtung, Achtung! Umfahren Sie bitte weiträumig Kreuzberg. Sie gelangen sonst in einen vernebelten Kifferbezirk."
So weit ist die Technik noch nicht. Interpretationen der Kriminalitätsstatistik sind eine Kunst für sich, an der selbst mancher Sicherheitsexperte scheitert. Das vor dem Verbrechen warnende Navigationsgerät wird sich an den nackten Zahlen der Statistik orientieren. Was allerdings ein Problem schafft. Denn die höchsten Kriminalitätsraten gibt es nicht in sogenannten Problemvierteln, sondern eher in besseren Gegenden, wo am meisten gestohlen und eingebrochen wird. Diebe und Räuber schlagen dort zu, wo es sich lohnt, und handeln nach der uralten Devise: "Man scheißt nicht dorthin, wo man isst!"
Entweder wird der Honda-Besitzer also dort hinfahren, wo es wehtut: in das Zentrum des Bösen, in die Brutstätte des Verbrechens, wo die Schurken zu Hause sind. Oder es kommt alles noch viel schlimmer: Der Warnhinweis löst einen zutiefst menschlichen Reflex aus. Warnungen vor Gefahren reizen Menschen, sich erst recht in Gefahr zu begeben. Dann wird der arme um sein Auto besorgte Fahrer ausgerechnet das Viertel mit der höchsten Diebstahlsquote ansteuern, sein Wagen wird gestohlen, und er wird die schönen Seiten der Stadt nicht mehr zu Gesicht bekommen. Jedenfalls nicht mehr vom Steuer seines Warnmobils aus.
Der Sinn fürs Schöne geht auch einer anderen internationalen Spitzenkraft des Mahn-und-Warn-Gewerbes ab. Am Mittwoch dieser Woche forderte der Präsident des Deutschen Kinderschutzbunds, dass auf Spirituosen spezielle Warnhinweise angebracht werden. Wie auf Zigaretten sollten solche Etiketten "die Jugend vor Alkoholmissbrauch schützen", so der oberste Kinderschützer Heinz Hilgers. Nun schütten Jugendliche, unerfahren wie sie sind, nur Dreck in sich hinein: billigen Schnaps oder gruselige Mixgetränke mit hoher Umdrehungszahl. Aus Gründen der Produktgerechtigkeit müssten aber alle Arten geistiger Getränke mit einem Warnhinweis versehen werden. Dann müsste zum Beispiel auch einer eleganten Flasche Gran Duque dAlba ein scheußliches Schild aufgepappt werden. Oder auf einem Hennessy, einem Jameson oder einem Appleton Estate würde, wie schon jetzt auf Zigarettenschachteln, ein brutaler Dumpfsatz prangen. Die manchmal Jahrhunderte alten Formen und Schriftzüge edler Markenflaschen, die nicht wie Zigaretten auf die Schnelle wegkonsumiert werden, wären völlig verschandelt. Eine ästhetische Diktatur nur wegen doofer Jugendlicher im Selbstfindungsrausch. Kindern schmeckt ja bekanntlich Alkohol sowieso nicht.
Wann gibt es endlich Warnhinweise für Warner? Schön fett schwarz auf weiß auf der Stirn von Heinz Hilgers: "Warnen macht Dumme dümmer und Kluge nicht klüger."
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