piwik no script img

Hamburgs Bürgermeister Beust"Die SPD wäre langweiliger"

Hamburgs Bürgermeister Beust will seiner Partei mit der schwarz-grünen Koalition kein Vorbild sein, sagt er im taz-Interview. Viele CDU-Politiker fänden es "irre", was er mache.

"Die Grünen entsprachen mehr dem Klischee strickender Ökos": Ole von Beust (CDU) : rtr

taz: Herr von Beust, als die Grün-Alternative Liste 1982 erstmals in die Hamburger Bürgerschaft einzog, waren Sie schon vier Jahre Abgeordneter. Was haben Sie damals gedacht?

Ole von Beust: "Was wollen die eigentlich hier?" Ich war schon lange in der Jungen Union und hatte mein festes Weltbild. Damals war man noch etwas ideologischer, und die Grünen entsprachen noch mehr dem Klischee von den strickenden Ökos.

Hätten Sie sich vorstellen können, mit diesen Leuten jemals eine Koalition zu bilden?

Damals nicht. Als ich 1993 Fraktionsvorsitzender wurde, habe ich allerdings spielerisch die Frage gestellt: Warum eigentlich nicht mit den Grünen? Ein Jahr später ging die damalige GAL-Fraktionsvorsitzende Krista Sager nach Bonn und ich schenkte ihr zum Abschied einen Holz-Bagger. Weil sie gesagt hatte, ich hätte sie angebaggert.

Dabei standen Sie nicht allein. Anfang der Neunziger wurde auch andernorts viel über Schwarz-Grün spekuliert.

Das stimmt. Dann hat es noch ganz schön lange gedauert, bis es auch tatsächlich geklappt hat.

Bis die grünen Bürgerkinder in den Schoß der CDU zurückkehrten?

Das wäre wohl zu einfach. Die Soziologie der Grünen kenne ich nicht so genau. Was es gibt, ist eine gemeinsame Idee von Subsidiarität. Dass Probleme aus der Gesellschaft heraus gelöst werden sollen, wo nötig mit Hilfe des Staates, aber nicht durch dirigistisches Durchgreifen von oben. Da gibt es eine Nähe zwischen CDU und Grünen - und eine deutliche Distanz zur SPD und mehr noch zur Linkspartei.

Kommentatoren sprechen von einer Koalition der Opernbesucher.

Ohne mich damit brüsten zu wollen: Die Opernbesuche in meinem Leben kann ich an einer Hand abzählen. Zuletzt war ich in einer Barockoper, glaube ich. Sie war jedenfalls ziemlich lang.

Gut, für Oper interessieren Sie sich also nicht. Für die Nöte der kleinen Leute fehlt Schwarz-Grün trotzdem das Sensorium?

Das wird nicht richtiger, bloß weil es Linke und SPD ständig behaupten. Werfen Sie einen Blick in den Koalitionsvertrag. Kleinere Klassen in den Grundschulen helfen nicht nur den körperlich Kleinen, sondern vor allem denjenigen, die von zu Hause nicht so gute Startbedingungen haben. Ähnlich ist es mit der Vorschule, der Integrationspolitik, der Arbeitsmarktpolitik. Auch hier gilt: Hilfe zur Selbsthilfe ist besser als staatliche Transferzahlungen.

In Ihrer eigenen Partei sorgt die Bildungspolitik für großen Unmut.

Der Parteitag hat den Koalitionsvertrag einstimmig verabschiedet, im Parlament habe ich alle CDU-Stimmen bekommen. So schlimm kann der Unmut offenbar nicht sein.

Trotzdem: Die sechsjährige Gemeinschaftsschule wirft alle CDU-Prinzipien über den Haufen, schon wird ein Volksbegehren vorbereitet.

Zugegeben, Gegrummel gibt es schon. Aber man muss als Christdemokrat konstatieren, dass in ganz Europa nur Österreich und Deutschland die Schüler nach der vierten Klasse trennen. Allzu revolutionär ist es also nicht, wenn ich sage: Ich akzeptiere, dass die Kinder wie überall in Europa länger gemeinsam lernen. Danach gibt es dann zwei Schulformen, die je nach Begabung auch zum Abitur führen können. Das kann ein Kompromiss sein, der endlich Schulfrieden bringt.

Warum sehen das Ihre Parteifreunde in anderen Bundesländern nicht ein?

Weil sich jeder mit Veränderungen schwertut. Das ist nun mal eine menschliche Eigenschaft, ich nehme mich da nicht aus.

Was würden Sie anders machen, wenn Sie allein regieren könnten?

Dann könnte ich mir zum Beispiel vorstellen, ein Kohlekraftwerk zu genehmigen, wenn es möglich wäre. Das geht mit den Grünen nicht - vermutlich nicht, doch das ist ja in erster Linie eine rechtliche Frage. Aber ich regiere nicht mehr alleine.

Das Kohlekraftwerk hätten Sie mit der SPD wohl bauen können. Wäre eine große Koalition einfacher gewesen?

Aber langweiliger und vor allem weniger beständig. In großen Koalitionen lauert der kleinere Partner doch nur darauf, selbst wieder den Regierungschef zu stellen. Dass führt dazu, dass es spätestens in der Mitte der Wahlperiode eine Krise gibt.

Und warum langweiliger?

Es ist spannender, mal etwas Neues zu versuchen. Bei Schwarz-Grün reizt doch, die Etikettierung zu überwinden: Die einen machen Ökonomie, die anderen kümmern sich um die Ökologie. Vielleicht gelingt es mal, die Begriffe Leistung und Chancengerechtigkeit zusammenzubringen.

Ist Schwarz-Grün für Sie ein Projekt?

Mit einem Projekt hat das nichts zu tun. Es muss doch möglich sein, die Realitäten zur Kenntnis zu nehmen, ohne deshalb gleich als Umfaller zu gelten. Zum Beispiel diskutieren manche in der CDU: Sind wir ein Einwanderungsland oder nicht? Um bloß nicht als Umfaller dazustehen, sprechen wir in unserem neuen Grundsatzprogramm vom Integrationsland. Was aber nichts anderes heißt, als dass viele eingewandert sind. Sonst bräuchte man ja keine Integration.

Es handelt sich auch um Nachhilfe für die eigene Partei?

Ich bin nicht der Oberlehrer. Schwarz-Grün ist der richtige Weg für Hamburg. Was die Leute in Baden-Württemberg reizt oder in Hessen, das müssen sie dort selbst wissen.

Sie hatten während der Koalitionsverhandlungen nie das Gefühl, die christdemokratische Schmerzgrenze zu überschreiten?

Es gibt ein evangelisches Kirchenlied: Herr, ich will über meinen Schatten springen. Das ist ein zutiefst christdemokratischer Anspruch.

Am deutlichsten ist der Schwenk in der Innen- und Justizpolitik. Da waren Sie erst auf der Linie des Rechtspopulisten Ronald Schill, jetzt vertreten Sie plötzlich einen grünen Bürgerrechtskurs.

In der Koalitionsvereinbarung steht: Die Stadt soll sicher sein, und ihre Menschen wollen im Gefühl dieser Sicherheit leben. Das würde jeder Christdemokrat genauso formulieren. Auch die Grünen wollen keine Strafgefangenen entlassen, die sich hinterher wieder an Kindern vergehen oder Einbruchsfeldzüge machen.

Für wen haben Sie sich mehr verbogen: für Schill oder für die Grünen?

Hier geht es nicht ums Verbiegen. Schill hat damals 20 Prozent bekommen, weil es eine riesige Unzufriedenheit mit der Situation der inneren Sicherheit gab, von Teilen der Presse mit forciert. Inzwischen haben wir in diesem Bereich eine stabile Situation, da stellen sich andere politische Prioritäten.

Ist Ihre Partei liberaler geworden, weil sich durch die Landtagswahlen der letzten Jahre die Gewichte nach Norden verschoben haben?

Mit dem Norden hat das nichts zu tun. Wenn Sie das neue Grundsatzprogramm mit dem vor zwanzig Jahren vergleichen, dann ist es in vielen Punkten einfach an der Lebenswirklichkeit der Großstadt orientiert. Das geht von der Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften über den Klimaschutz bis zu der Aussage, dass Menschen aus anderen Kulturen unser Land bereichern. Die CDU ist heute eine andere Partei.

Gilt das auch für konservative Landesverbände wie etwa in Hessen?

Frankfurt ist doch eine Großstadt. In früheren Jahrhunderten prägten die Bischofssitze die Kultur eines Landes, heute sind es die Großstädte. Hier fokussieren sich gesellschaftliche Prozesse schneller als in dünn besiedelten Gegenden. Im Übrigen gibt es inzwischen sehr liberale Signale aus der hessischen CDU, und zwar nicht erst seit der Wahl dort.

Im Wiesbadener Landtag liegt zurzeit ein Gesetzentwurf der Grünen zur landesrechtlichen Besserstellung der Homo-Ehe. Glauben Sie, dass Roland Koch diesem Antrag zustimmen wird?

Das müssen Sie ihn selber fragen. Hier in Hamburg haben wir jedenfalls eine Besserstellung vereinbart, sofern es landesrechtlich möglich ist. Dahinter steht doch auch ein sehr konservativer Gedanke - füreinander Verantwortung zu übernehmen und nicht zu sagen: "Der Staat soll sich kümmern."

Gibt es noch CDU-Landespolitiker, die ganz grundsätzlich nicht mit den Grünen koalieren könnten?

Ich habe nicht das Gefühl, dass die Kollegen in Hamburg ein Modell sehen. Sie finden es irgendwie irre, was hier passiert. Und sehen es mit einer Mischung aus Respekt und der Sorge, dass das eigene Profil verflachen könnte. Den Grünen geht es genauso. Deshalb müssen beide Seiten hier zeigen, was möglich ist, ohne die eigenen Grundsätze aufzugeben. Richtig ist sicher: Wir werden aufmerksam beobachtet.

Ende 2011 werden Sie so lange als Hamburger Bürgermeister im Amt sein wie keiner Ihrer Vorgänger seit dem Krieg. Können Sie dann sagen: Da hat einer die rote Hochburg im Norden wirklich erobert?

Ich habe schon den Ehrgeiz zu zeigen, dass die CDU in einer Großstadt auf gleicher Augenhöhe mit der SPD agieren kann. Ich sage ganz ehrlich: Diesem Ziel wäre es abträglich gewesen, die Sozialdemokraten gleich wieder in die Regierung hineinzuholen, angesichts der tiefen Verankerung, die sie in der Stadt und in den Behörden immer noch haben. Auch das war ein Beweggrund, warum ich Schwarz-Grün probieren möchte.

Sie wurden sehr dafür bewundert, wie Sie seinerzeit Ihren Koalitionspartner Schill abserviert haben. Manchen Grünen könnte das bange Gefühl beschleichen: Was ist, wenn er uns nicht mehr braucht?

Das war damals eine außergewöhnliche Situation, die mit Politik nur bedingt zu tun hatte. Ich arbeite nicht mit jemandem zusammen, der mich persönlich erpresst, das ist der Punkt. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Grünen dazu neigen.

Nehmen wir an, Ihr Berliner Kollege Klaus Wowereit tritt 2013 als Kanzlerkandidat für ein rot-rotes Bündnis an. Reizt es Sie dann, aus Hamburg Schwarz-Grün dagegenzusetzen?

Nein.

Aber inhaltlich sind das die Alternativen, die sich dann stellen?

Die FDP gibt es doch auch noch. Wenn sie stark genug gewesen wäre, hätte ich mit ihr und nicht mit den Grünen koaliert. Das ist kein Geheimnis. Dass die CDU auf Bundesebene ein schwarz-gelbes Bündnis anstrebt, ist ebenfalls keine Frage. Im Fünfparteiensystem wird das allerdings nicht immer klappen.

INTERVIEW: RALPH BOLLMANN, JAN KAHLCKE UND SVEN-MICHAEL VEIT

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!