3 Jahre Holocaust-Mahnmal: Musik der Erinnerung

Zum dritten Jahrestag der Eröffnung des Holocaust-Mahnmals führen Musiker eine 17-minütige Klanginstallation auf. Sie spielen zwischen den Stelen - direkt neben den mehr als 2.000 Zuschauern

Klassische Töne im Stelenfeld: Musiker der Kammersymphonie Berlin geben im Holocaust-Denkmal ein Konzert. Bild: AP

Lange Schatten werfen die Stelen des Holocaust-Mahnmals an diesem Freitagabend. Zwischen den Betonblöcken, fast gänzlich von den Schatten verschluckt, warten mehr als 2.000 Menschen, verteilt auf die vielen schmalen Gänge des Denkmals. Zwischen ihnen sitzen 23 Musiker der Kammersymphonie Berlin. Plötzlich erklingt die erste Klarinette. Ein Raunen geht durch die Reihen. "Pssst!", sagt eine Mutter und ruft ihr Kind zu Ordnung.

Von jeder Stelle im Denkmal aus klingt die Musik anders. Laute Instrumente wie Trompete oder Pauke stehen am Rand des Stelenfeldes, aus seiner Mitte erklingen Klarinetten. Dirigent Lothar Zagrosek leitet die Musiker vom Zentrum aus. Gespannt stehen die größtenteils älteren Besucher, blicken konzentriert zum Himmel und lauschen andächtig der elegischen, getragenen Melodie. Extra für das Konzert wurden die umliegenden Straßen gesperrt, um die nötige Ruhe zu garantieren.

Die Musik wurde eigens für diesen Anlass komponiert. Mit dem Konzert unter freiem Himmel zwischen den Stelen wird am Freitagabend der dritte Jahrestag der Einweihung des Holocaust-Mahnmals begangen. Das Stück mit dem Namen "Vor dem Verstummen" soll die Betroffenheit ausdrücken, die die Menschen überfällt, wenn sie an die Verbrechen des Holocaust denken. "In dem wir an die ermordeten Juden Deutschlands erinnern, verpflichten wir uns dazu, alles dafür zu tun, dass so etwas nie wieder passiert", sagt Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) zu Beginn der Veranstaltung. Zusammen mit Lea Rosh, Vorsitzender des Förderkreises des Denkmals, stimmt er auf das Konzert ein. Die Idee zu dieser ungewöhnlichen Geburtstagsfeier hatte Jan-Daniel Girl, Mitglied des Förderkreises. "Ich hoffe, dass man junge Leute mit etwas Modernem wie einem Konzert dazu bringen kann, sich mehr mit der Geschichte auseinanderzusetzen", sagt der 27-Jährige vor dem Konzert. Nicht alle Zuschauer glauben daran: "Es gibt Menschen, die interessieren sich für die Geschichte, und andere tun das eben nicht, aber nur wegen der Musik kommt doch hier keiner", sagt eine Besucherin aus Kreuzberg.

Die Musik ist ruhig, immer wieder verstummen die Instrumente. Nach etwa zehn Minuten ertönt die Stimme einer Mezzosopranistin, die dann von lautem, Unheil kündendem Paukenwirbel unterbrochen wird.

Nach 17 Minuten ist das Konzert vorbei. Wie aus dem Nichts strömen plötzlich Massen von Menschen aus dem Denkmal. Sie gehen langsam und flüstern. Einige haben das Konzert auch von außerhalb der Stelen verfolgt. "Ich finde es unglaublich faszinierend. Von hier draußen sieht man gar nichts, und plötzlich kommt aus dem Stelenfeld Musik. Es muss eine große logistische Herausforderung gewesen sein, die Musiker richtig zu platzieren", sagt Annett Heyer aus Pankow, die das Konzert zusammen mit einer Freundin verfolgt hat. Das Denkmal selbst gefällt ihr nicht: "Aber zusammen mit der Musik ist es auf einmal nicht mehr so ein toter Raum."

Nach dem Konzert rezitiert eine Schauspielerin Gedichte von Selma Meerbaum-Eisinger, die 1942 im Arbeitslager Michailowska starb. Danach spielen die Musiker das Stück noch ein zweites Mal an diesem Abend.

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