press-schlag: Tolle Spiele – tolle Kerle
Zum Ende des Jahres rechnet der DFB-Chef die Nationalmannschaft schön, der Manager ist einfach nur glücklich und der Trainer will immer noch Weltmeister werden
Gerhard Mayer-Vorfelder sah übernächtigt aus, als er am Sonntagmorgen zur Bilanzpressekonferenz taperte. Er gab denn auch ohne Umschweife zu, dass es sehr spät geworden sei nach dem Länderspiel. Nun möchte man vermuten, der Präsident des DFB habe gewisse Getränke konsumiert und, launige Gespräche führend, sich die Nacht um die Ohren geschlagen. Weit gefehlt. MV war mit Rechenaufgaben befasst. Nach dem letzten DFB-Kick des Jahres waren seine buchhalterischen Fähigkeiten gefragt. Es habe 15 Spiele in diesem Jahr gegeben, verriet der Präsident im Pariser Hotel Concorde La Fayette. Sieben gewonnen. Fünf unentschieden. Drei verloren.
Exakt hatte MV Ergebnisse aus Ereignissen destilliert, in mühevoller Kleinarbeit, von A wie Argentinien bis F wie Frankreich. Damit nicht genug, präsentierte er auch noch die „Durchschnittspunktzahl“. Die betrage 1,7. Pro Partie, versteht sich. Umgerechnet auf ein Bundesligajahr ergebe sich ein Spitzenwert von fast 60 Punkten. MV: „Damit ist man relativ weit oben.“ Und behaupte noch einer, Deutschland könne gegen „die Großen“ nicht gewinnen. MV konnte ein weit verbreitetes Missverständnis aus dem Weg räumen. Man habe nämlich in den vergangenen zwölf Monaten durchaus einen Großen besiegt: Mexiko. „Die rechne ich dazu.“ Und außerdem: „Wenn man sagt, man gewinnt nicht gegen die Großen, muss man auch sagen: Man verliert auch nicht gegen die Großen.“ Brasilien mal ausgenommen.
Ach, wie präsentierte sich „der Stab“ doch einmütig, positiv und zukunftsfroh. Joachim Löw lobte „die taktische Flexibilität des Mittelfelds“. Oliver Bierhoff durfte sagen, er sei „überglücklich“ über dieses Jahr: „Das ist ’ne tolle Sache, wie die junge Mannschaft sich entwickelt hat.“ Bei der WM erwarte er, der Manager des Stabs, „tolle Spiele von tollen Kerlen“. Auch hat sich der Stab, einmütig wie er ist, nicht aus der Ruhe bringen lassen, „trotz der Unruhen, die von außen reingetragen wurden“. Von den Medien natürlich, den kritischen, den skeptischen. Jetzt können die Unruhestifter wenigstens nicht über Gebühr maulen.
Das 0:0 samt respektabler Leistung mesmerisiert die Medienunholde, sehr zur Freude von Jürgen Klinsmann, der nun wieder munter seine Mission vom WM-Sieg unters Volk bringen kann. Das Höchste zu wollen von „der Elite des deutschen Fußballs“ sei das Natürlichste von der Welt, sagte er, außerdem könne er seinen Spielern nicht erst einen Monat vorm Großereignis eröffnen, was er mit ihnen vorhabe, denn „dann sehen sie den Kilimandscharo vor sich“. Was ganz schlecht gewesen wäre, denn der Kilimandscharo, jener Vulkankegel in Tansania, ist 5.895 Meter hoch. So ein Klotz kann die besten Aussichten verstellen.
Aber ein Klinsmann, Cleverle, das er ist, hat seinen Männern und der deutschen Öffentlichkeit das Reiseziel früh genug verraten. Man macht sich im Lande des dreimaligen Weltmeisters deswegen seit geraumer Zeit in einem gemeinschaftlichen Kraftakt an den Anstieg, großkoalitionär sozusagen. Und wen der Berg nicht ruft, der hat nichts verstanden von der Einmaligkeit dieser Chance – und vom Dienst am Vaterland gleich gar nicht.
Jürgen Klinsmann sagte nun in Paris zum aktuellen Stand des Gipfelsturms: „Wir sind im Soll.“ Dünn wird die Luft erst bei der WM im Juni und Juli. Aber hoch droben hat Klinsmann ja noch den MV an seiner Seite. Und der sagte am Sonntag altersmilde: „Auch ein Viertelfinale ist ein Erfolg, ich hab die Hybris nie verstanden, immer den Titel zu verlangen.“ Vielleicht sollte er sich noch einmal genau mit seinem Bundestrainer unterhalten.
MARKUS VÖLKER
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