Kommentar Koalitionspläne der FDP: Antennen gen Jamaika

Westerwelle begreift die Schwäche der SPD offenbar als Chance für ein neu formuliertes schwarz-gelbes Bündnis - mit grünem Schleifchen.

Zwei kleine Parteien dürften im kommenden Jahr um den Titel "Königsmacher" konkurrieren: die Grünen und die FDP. Von diesen beiden Parteien wird es abhängen, ob bei der Bundestagswahl 2009 etwas anderes als eine große Koalition herauskommt. Geht die FDP mit SPD und Grünen zusammen, gibt es eine rot-gelb-grüne Ampelkoalition - vorausgesetzt, die SPD kommt aus ihrem 21-Prozent-Loch. Gehen die Grünen mit CDU und FDP ein Bündnis ein, gibt es eine schwarz-gelb-grüne Jamaika-Koalition.

Doch hat der Parteitag der FDP am Wochenende klar gezeigt, dass die Liberalen bei weitem nicht so biegsam sind wie die Grünen. Daran ändert auch die wiederholte Verwendung des Wortes "Nächstenliebe" durch den Vorsitzenden Guido Westerwelle nichts. Im Gegenteil, angesichts der prekären Lage der Sozialdemokraten braucht die FDP sich gar keine große Flexibilität abzuverlangen. Westerwelle begreift die Schwäche der SPD offenbar als Chance für ein neu formuliertes schwarz-gelbes Bündnis - mit grünem Schleifchen. Dafür gäbe man den Grünen dann zum Beispiel das Umwelt- und möglicherweise noch das Entwicklungsministerium, während Union und Liberale sich unter dem Vorzeichen einer verschärften Gerechtigkeitsdebatte neu miteinander einrichten.

Die FDP sähe der Union ihre seit 2005 entdeckten sozialdemokratischen Neigungen nach und gestünde ihrerseits zu, dass Schwachen geholfen werden muss. Den Grünen erleichterte man den Eintritt in eine solche neorechtsliberale Koalition, indem man sie ganz viele Gemeinsamkeiten mit der FDP in Bürgerrechtsfragen finden ließe. Auch der sozialpolitische Graben ist überbrückbar - dank der Energiefrage. Macht man angesichts stetig steigender Öl- und Gaspreise Ressourcenschonung zum Top-Sozialthema, braucht kein Grüner mehr über komplexe Änderungen am Gesundheits- oder Rentensystem zu reden.

Westerwelle hat es gut: Solange es der SPD so jämmerlich geht, kann er sich Kurt Becks Werben für eine Ampelkoalition schadlos anhören. Die Funksignale ins andere politische Lager aber dürften vor allem dazu dienen, die Grünen für eine Jamaika-Koalition einzukaufen.

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Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

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