Rechte Parolen bei EM-Spiel: Neonazis hetzten gegen Polen

Am Rande des EM-Spiels Deutschland gegen Polen gab es Ausschreitungen von Neonazis. Sie skandierten Sätze wie "Alle Polen müssen einen gelben Stern tragen".

"Wie sie hereingekommen sind, wissen wir noch nicht": Hooligan-Festnahme in Klagenfurt Bild: dpa

Kärntens Polizeidirektor Wolfgang Rauchegger hatte zunächst keine Erklärung für den Klagenfurter Aufruhr. "Wie sie hereingekommen sind, wissen wir noch nicht", sagte er dem Standard. Gemeint waren die rund 160 deutschen Fans, die Sonntag durch Gewaltbereitschaft und laut Nachrichtenagentur APA durch antisemitische Schmähungen aufgefallen waren.

Das Rätselraten ist groß, denn die Sicherheitsmaßnahmen vor dem Spiel der DFB-Auswahl gegen Polen hätten intensiver kaum sein können. Grenzkontrollen wurden wieder eingeführt, rund 400 deutsche Polizisten unterstützten 2.000 österreichischen Kräfte, darunter szenekundige Beamte, auch Konfliktmanager und Fanbetreuer waren im Einsatz. "Eine kleine Gruppe hat die friedliche Mehrheit leider wieder in Misskredit gebracht", sagt Helmut Spahn, Sicherheitsbeauftragter des DFB.

Vor diesem Hintergrund liegt die Vermutung nahe, dass die Gruppierungen ihren Auftritt gut geplant haben. Polizeidirektor Rauchegger geht davon aus, dass jene Fans bereits vor Aussetzen des Schengen-Abkommens eingereist waren. Die meisten von ihnen, lässt die Polizei mitteilen, waren unauffällig gekleidet, eine Gruppe von 60 Neonazis soll Sprüche skandiert haben wie "Alle Polen müssen einen gelben Stern tragen" oder "Deutsche wehrt euch. Kauft nicht bei Polen!"

Es kam zu Rangeleien, die Polizei verhinderte schwere Ausschreitungen. Auch Michael Gabriel, Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) und in Klagenfurt als Fanbetreuer vor Ort, nahm das Gewaltpotenzial wahr: "Gemessen an den schlimmen Erwartungen vieler Medien blieb die Stimmung aber vergleichsweise friedlich." Tausende Fans feierten bis in den frühen Morgen. 144 Deutsche wurden widerstandslos festgenommen, außerdem zehn Polen, zwei Österreicher und ein Slowene. Sechs von ihnen werden gemäß Strafprozessordnung angezeigt.

Noch sind Herkunft und Motivation der Neonazis nicht geklärt, allerdings scheinen sie einem Muster zu folgen, das Polizei und DFB vor Herausforderungen stellt. Zehn Jahre ist es her, dass deutsche Fans in Lens während der WM den Gendarm Daniel Nivel fast zu Tode prügelten. Seither sind Krawalle im Umfeld von Länderspielen zurückgegangen und subtileren Formen gewichen, die auf Rassismus, Antisemitismus oder Homophobie fußen und eingesetzt werden, um andere zu erniedrigen. Vor allem Länderspiele in Osteuropa, wo Sicherheitsstandards und Polizeistrategien weniger ausgefeilt sind, nutzen Neonazis als Bühnen. Dass sie nun auch während der EM in der Festung Klagenfurt zum Zuge kamen, ist umso erschreckender. Die Polizei will ihren Sicherheitsapparat vor dem Spiel der Deutschen gegen Kroatien überprüfen.

Die Ereignisse machen deutlich, wie wichtig vorbeugende Maßnahmen sind. Vor wenigen Tagen hatte die Uefa gemeinsam mit Fare, dem europäischen Netzwerk gegen Rassismus im Fußball, eine Absichtserklärung unterzeichnet. Vor den Halbfinals werden die Teamkapitäne Erklärungen verlesen. Auch mit Hilfe des Fußballs wollen sich Neonazis, die kaum noch im martialischen Skinheadlook auftreten, "in der Mitte der Gesellschaft platzieren", sagt der Sportsoziologe Gunter A. Pilz. Ob ihnen die Tiraden in Klagenfurt geholfen haben? Zumindest haben sie wieder einmal auf sich aufmerksam gemacht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.