Koalitionsstreit um Mindestlohn: Merkel zwischen den Stühlen

Die Kanzlerin hat Gesetzesentwürfe abgenickt. Doch jetzt rebelliert der CDU-Wirtschaftsflügel. Strittig ist vor allem, ob Mindestlöhne andere Tarifverträge verdrängen können.

Arm trotz Arbeit - das gibt es auch mit Tarifvertrag. Bild: dpa

BERLIN taz In der Union organisiert sich erneut Widerstand gegen Mindestlöhne - obwohl das Kabinett sich mit den nötigen Gesetzesentwürfen bereits auf der Zielgeraden befindet. Die Entwürfe seien an zentralen Punkten nicht mit den Vorstellungen der Union vereinbar, betonte am Dienstag Norbert Röttgen, der parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion. Strittig ist vor allem eine Frage, die für die Schlagkraft der Gesetze entscheidend ist: Dürfen Mindestlöhne andere Tarifverträge mit niedrigeren Gehältern verdrängen?

Für den Wirtschaftsflügel der Union wäre ein "Ja" ein Sündenfall: "Wenn bei konkurrierenden Tarifverträgen keine vernünftige Regelung gefunden wird, stimme ich dem nicht zu", hatte vorab bereits der Chef des Mittelstandskreises, Michael Fuchs, gedroht. Der Streit entzündet sich am Entwurf für das Entsendegesetz, den Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) am Montag vorlegte. Demnach würde der Tarifvertrag den Mindestlohn vorgeben, der am meisten Beschäftigte und Gewerkschaftsmitglieder umfasst. Und: Er würde alle Verträge verdrängen, die niedrigere Löhne vorsehen. Verträge mit höheren Löhnen blieben in Kraft.

Die Absicht des SPD-Ministers ist klar: Er will Tarifverträge mit Dumpinglöhnen bekämpfen, die meist kleine, christliche Gewerkschaften unterschreiben. Dies würde die Gehälter in Niedriglohn-Branchen, etwa bei Wachschützern, deutlich anheben. Mindestlohngegner wie Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) wollen bei konkurrierenden Verträgen nur den niedrigsten Mindestlohn dulden. CDU-Mann Fuchs argumentiert, Tarifverträge mit kleinen Gewerkschaften dürften nicht ausgehebelt werden. "Wir Politiker müssen uns aus der Tarifpolitik raushalten. Das ist Sache der Arbeitgeber und Gewerkschaften."

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel bedeutet der neu aufflackernde Streit ein handfestes Problem. Denn im bisherigen Verfahren stützte sie den Gesetzentwurf des SPD-Ministers, auch wenn sie sich öffentlich ausschwieg. Das Papier, in dem die SPD-Handschrift unverkennbar ist, ist eng mit dem Kanzleramt abgestimmt. Gleichzeitig ließ sie offenbar Einwände des CSU-Wirtschaftsministers außen vor. Das Kanzleramt habe die Entwürfe an Glos vorbei mit Scholz abgestimmt, kritisierte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer. "Wenn man Michael Glos links liegen lässt, macht man die Dinge nicht unbedingt besser. Wir werden den Teufel tun und das so beschließen." Glos will keinesfalls nachgeben: "Wir halten an unserer Position fest", hieß es im Wirtschaftsministerium.

Dumm für Merkel - einerseits vergrätzt sie weiter den Wirtschaftsflügel ihrer Partei, andererseits gibt sich die Schwesterpartei beleidigt. Entsprechend musste sich Kanzleramtschef Thomas de Maizière gestern wohl viel Kritik anhören. Er stellte die Details in der Fraktionssitzung vor. Merkel muss die Kritiker schnell befrieden - schon im Juli will die Regierung fertige Gesetzesentwürfe vorlegen.

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