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Bewusste Grenzüberschreitung"Dummy" soll "Neger" heißen

Die nächste Ausgabe des Magazins "Dummy" soll "Neger" heißen. Provokant oder daneben? Im Netz diskutieren Leser und Redaktion über den Titel.

Politisch unkorrekt sein, das mögen die bei Dummy. Bild: screenshot dummy-magazin.de

Das Berliner Gesellschaftsmagazin Dummy provoziert gerne. Als die Zweimannredaktion sich für ihre stets monothematischen Hefte das Thema "Türken" vornahm, zierte das Cover die Nahaufnahme eines Fladenbrots von oben, die Rückseite zeigte seine Unterseite. Auf den inneren Umschlagseiten verzichtete man zugunsten von Dönerfleisch, Salat und Sauce sogar auf Anzeigen. In der Ausgabe "Tiere" hat ein Autor eine Tiersexparty besucht, auf der sich Schäferhund Billy und Frauchen Doris SEHR nah kamen.

Die nächste Ausgabe von Dummy soll "Neger" heißen - nicht Schwarzer, Afroamerikaner, Maximalpigmentierter, sondern Neger. Als das geplante Thema publik wurde, ging eine Diskussion los, von der Chefredakteur Oliver Gehrs im Redaktionsblog schreibt: "Wir wollen mal nicht so tun, als hätten wir es nicht kommen sehen" - vielmehr hat Gehrs damit sein Ziel erreicht: "Der Titel soll eine Diskussion anstoßen", sagte er der taz. Im Redaktionsblog freut er sich "auf eine anregende Debatte fern der politischen Korrektheit."

Dort präzisiert Gehrs auch mögliche Themen: "Ein Magazin voller Geschichten über Schwarze, über black culture, Malcolm X, Obama, HipHop, Roberto Blanco, den Sarotti-Mohr, über Rassismus und Afrika. 138 Seiten black power." Wenn das alles ist, ist es sehr wenig, doch in der Regel besteht die Wundertüte Dummy aus solch erwartbaren, aber auch ungewöhnlichen Zugängen. "Wir haben auch einen Ruf zu verlieren und wollen mit dem Thema nicht zu zaghaft umgehen", verspricht Gehrs.

Derzeit sind die Leser per Blog aufgerufen, mit der Dummy-Redaktion darüber zu diskutieren, ob ein Magazin "Neger" heißen darf und - wenn nicht - wie es dann genannt werden soll. Für Gehrs ist der Blog "ein Medium zur Rückversicherung, ein Lackmustest". Denn Gehrs kann es sich weder leisten, Leser zu vergraulen noch Anzeigenkunden. Ganz sicher, ob der Titel auch wirklich eine gute Idee war, scheinen sich also auch die Macher nicht zu sein.

Im Internet ist die Stimmung zwiegespalten, einige Nutzer finden kontroverse Titel klasse, andere warnen vor der diskriminierenden Konnotation. Benutzer "Knut" schätzt zum Beispiel den mutigen Esprit daran, "Jan" hält die gängige Political Correctness sowieso für einen Irrweg. Andere User lehnen das Wort "Neger" im Titel strikt ab, "weil es nun mal eine Geschichte der Diskriminierung in sich birgt."

Gehrs hat seinen Favoriten unter den Empfehlungen bereits gefunden: Auf der Titelseite soll das Wort "Neger" in schwarzer, abgehobener Schrift auf schwarzem Grund stehen, denn das würde "die Dialektik daran sehr schön widerspiegeln".

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19 Kommentare

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  • M
    moon

    Schade, dass die taz die Gelegenheit nicht wahrgenommen hat, hier ein klares Zeichen zu setzen, dass das Wort "Neger" absolut unzulaessig ist. Sondern wohlwollend-locker darueber berichtet. Wie der Artikeltitel schon sagt: "Bewusste Grenzueberschreitung". Wieso wird dies dann nicht als solche im Text beurteilt?

    Langsam verliere ich mein Glauben an die taz. Nach "10 Nackte Redakteure", und "Onkel Obamas Huette" nun das. Diese Anti-Political-Correctness Haltung kotzt mich an. Seid mal lieber endlich wirklich links naemlich: Anti-Rassistisch. Statt auf euer Ach-So-Untergrund-Links-Cool-Und-Anti Position zu beharren.

     

    ----

    Urteil des Amtsgerichts Schwäbisch Hall vom 15. Juni 2000:

     

    Wer einen Schwarzen öffentlich als "Neger" bezeichnet, darf

    ungestraft "Rassist" genannt werden. So lautet ein Urteil des

    Amtsgerichts Schwäbisch Hall vom 15. Juni 2000.

     

    Gegen Ende des Urteils äußert die Richterin unter anderem, dass es für sie „schwer vorstellbar“ sei, dass dem Kläger (dem angeblich nicht bewusst gewesen ist, daß es sich dabei um ein Schimpfwort handelt) „der diffamierende Charakter des Ausdrucks „Neger“ nicht bekannt gewesen sein soll.

    Das Urteil trägt die Geschäftsnummer 6 C 154/ 00

  • A
    Andreas

    Ich glaube nirgends, ausser im tagesspiegel online, soviel dermassen blaeuaeugigen Rassimus wie in den Kommentarteilen von taz und dummy gelesen zu haben. Linke KOENNEN Rassisten sein, Linke KOENNEN es nicht einmal merken, in bester rassistischer Tradition. Das schoene an Rassisten ist ja, dass sie nicht einmal begreifen, dass es ihr Rassismus EXAKT IST, dasss sie ueber die Verletzungen, die anderen durch Leute ihres Schlages zugefuegt werden, hinweggehen zu koennen meinen, weil sie jene anderen nicht einmal wahrnehmen. Wirklich, weisse, insbesondere weisse Deutsche sollten einfach mal die Fresse halten wenn es um die Verletzungen von Juden oder Schwarzen geht, am besten ganz leise sein, in sich gehen und sich so verhalten, dass es fuer den kleinen Rest der aufgeklaerten Deutschen gegenueber dem Rest der Welt nicht allzu peinlich ist. Vielen Dank, Andre.

  • V
    vic

    Wusste bislang noch nicht mal von der Existenz dieses sicher total hippen Dumpfbackenheftchens.

    trotzdem eine Empfehlung für eine der folgenden Ausgaben. Wie wär´s mit "Dummyleser" ?

  • A
    anke

    Provokation? Ja, sicher doch. Und wir sind alle miteinander auch prompt drauf eingestiegen. Und wer hat letztlich was davon gehabt? Die auf ihren guten Ruf bedachte 2-Mann-Redaktion eines selbsternannten "Gesellschaftsmagazins". Die hat nun das gute Gefühl, sie hätte Recht gehabt mit ihrer These, nichts sei so wirksam, wie eine (eingebildete) Provokation. Schön für Oliver Gehrs, dass er die Gesellschaft so genau kennt. Ist doch gut fürs Selbstbewusstsein, wenn man "es" immer und überall "kommen sehen" kann, nicht wahr? Worüber also regen wir uns auf?

     

    Übrigens: Leute, die mich öffentlich eine Minimalpigmentierte nennen würden, müssten damit rechnen, sich meinen Unmut zuzuziehen. Vor allem im Sommer. Es gibt schließlich vieles, was ich NICHT bin. Ein Freund dämlicher K®ampfausdrücke zum Beispiel.

  • HO
    Horst Ostendorf

    Zitat taz: "Bewusste Grenzüberschreitung"

     

    - das ist angesichts der zeitgeistlichen Bewußtseinsschwäche wohl der blödsinnigste Teil des Kommunikationsmülls dieses Artikels!?

  • C
    CLCWM

    Bringt es auf den Punkt. Die herrschende Unsicherheit darüber, wie der Titel zu benennen wäre, spiegelt die Vielfalt der Theorien wieder, welche um den korrekten Ausdruck konkurrieren. Dies ist wiederum - gemessen an den jeweils an solchen Theorien im weiteren Sinne Interessierten - letztendlich ein Ausdruck des Maßes, in dem der Diskussionspunkt ernsthaft diskutiert wird (IMHO ist diese Vielfalt ein positives Anzeichen) . Eine ähnliche Vielfalt findet sich übrigens in der Unsicherheit beim Benennen von Immigranten, Roma, etc. Aus der Perspektive der Betroffenen wird diese Vielfalt von einer Reihe von Bewegungen getragen, die jeweils miteinander rivalisieren, eben auch sprachlich. "...until the color of a human skin is of no more significance than the color of his eyes" ("War", B. Marley): Möglicherweise das einzig Gültige, was zu dem Thema gesagt wurde. Es obliegt ausschließlich den Medien, darüber im Sinne dieses Kampfes objektiv Stellung zu beziehen. Für Personen, die sich für diesen Kampf interessieren, ist die Titelgebung akzeptabel und pragmatisch gerechtfertigt. Hoffen wir, dass der Inhalt der Ausgabe dieses Versprechen einlöst. Wer sich jedoch bereits an dem Titel aufreiben möchte, hat das Problem im Kern nicht verstanden.

  • R
    riri

    ich kannte dummy-magazine bisher garnicht, habe mir jetzt mal die seite angesehen und etwas "angelesen". klingt eigentlich ganz vernünftig und interessant. aber die anderen hefte tragen ja auch titel wie "juden", "türken" oder "frauen" und nicht "saujud", "kanaken" oder "weiber". warum denn dann "neger"??? das ist doch total hinterwäldlerisch und hat seinen ursprung ganz klar im rassismus - das ist auch nicht durch pseudointellektuelle kommentare weg zu diskutieren.

  • M
    Manuela

    Meine Güte, das sind die Kommentare von taz-LeserInnen?! Und der Artikel hat ja auch die großartige Chance verpasst, eine fundierte Kritik zu der dumpfbackigsten Idee aller Zeiten zu liefern. Da bin ich ja froh, dass ich mein Abo wg. zeitweisen Auslandsaufenthalts gekündigt hatte und nun meine Entscheidung bekräftigt sehe, es nicht wiederaufleben zu lassen!

  • A
    Andre

    Geht's noch? Meine Frau ist aus Afrika und Schwarze. Meine Tochter entsprechend ein gemischtes Kind. Und ich wünsche mir wirklich, dass das Wort "Neger" einfach verschwindet aus dem aktiven und passiven Sprachgebrauch und mit dem Aussterben der nächsten Generation mit ihr das Zeitliche segnet.

     

    Wer das nicht versteht, der soll das enttäuschte und niedergeschlagene Gesicht meiner Frau sehen, wenn mal wieder jemandem das Wort "rausrutscht" oder zu unserer Tochter "süßes Negerpüppchen" oder "goldige Neger-Löckchen" sagt. Sie ist so fertig, dass Sie für eine Woche keine Lust mehr hat auf die Straße zu gehen und sich nur noch nach Hause wünscht (nicht falsch verstehen; sie ist keine importierte Hausfrau und Mutter, sondern hat einen Master und guten Job).

     

    Wir "caucasians" brauchen darüber weder diskutieren noch sprechen, da wir nicht in der Haut stecken, sondern einfach mal die Klappe halten.

  • H
    haatee

    Ich finde Neger ist kein Schimpfwort und die politische Korrektheit von Worten nervt und langweilt. Dabei kommt das doch einfach immer auf den Zusammenhang an. Blondine ist ja an sich auch kein Schimpfwort, aber wenn man es im richtigen Zshg. verwendet schon. Ich finde, man muss da schon ein bisschen was vertragen können, sonst hat man echt ein Problem und DAS kann man wohl kaum auf Religion, Herkunft oder sonst was schieben, sondern eher auf mangelndes Selbstbewusstsein...

  • D
    dieder

    Ihren Kommentar hier eingeben @Yadgar: schau Dir doch mal die DUMMY Juden Ausgabe an:

    http://www.dummy-magazin.de/?iss_id=8

    Ich habe sie gelesen und wenn das nächste DUMMY ähnlich ausfällt ist doch gut gemacht ...

  • D
    digitus

    Liebe Leute, haltet den Ball mal hübsch flach. Seit der ersten Ausgabe lese ich Dummy, und abgesehen vom Revolutions-Heft (#7) gab es keinen Ausfall. Die Artikel sind allesamt lesenswert und differenziert ... Titel und Bebilderung haben schon oft provoziert. Dahingehend gibt es sogar eine Seelenverwandtschaft zwischen taz und dummy. Und wenn es stimmt, dass Gehrs mal bei der taz war, macht mir das Dummy nur sympathischer. Dummy ist eine Bereicherung für den deutschen Blätterwald.

     

    @Yadgar: Das "Juden-Dummy" gab es schon ... http://www.dummy-magazin.de/?iss_id=8

  • MS
    Marco S.

    Was ist denn schlimm daran? Selbst "Schwuler-Moslem-Neger" würde bei meinen schwulen Bekannten afrikanischer/moslemischer Herkunft ein strahlend weißes lächeln produzieren. Wie wäre es denn, wenn die Gesellschaft endlich in der Gesellschaft ankommen würde, um ihre eigene Unzulänglichkeit hinsichtlich des Zusammenlebens verschiedener Ethnien zu plakatieren. Fände ich interessant.

  • W
    Watchman

    Vielleicht hättet Ihr Schreiben sollen, dass der Chefredakteur, der diesen rassistischen Humbug zu verantworten hat, früher bei der taz war. Wäre doch eine ganz interessante Info, oder?

     

    Ein Freund der taz

  • BW
    Bark Wind

    Es gibt kein einziges Wort oder sonstiges Zeichen, das nicht durch beleidigende oder sonst diskriminierende Bedeutung problematisch werden könnte,

     

    und vor einigen Jahrzehnten gab es anscheinend noch eine Möglichkeit, das Wort "Neger" im Deutschen - im Unterschied zu dem schon immer fast zu 100% beleidigenden Wort "Nigger" - nicht rassistischer zu verwenden, als es z.B. auch das Wort "Weißer" gewesen wäre - z.B. in einer Übersetzung eines Textes ca. aus den 1950ern ist mir das über den Weg gelaufen, der offenbar nichts mit Rassismus am Hut hatte, im Gegenteil sogar anti-rassistisch war, wenn er nicht völlig gegen die evidente Autorintention gelesen wurde;

     

    aber wenn ein Wort nun mal dermaßen problematisch geworden ist wie das Wort "Neger", ist das nicht einfach wieder wegzuwischen wie ein bisschen Staub auf dem Regal. Freilich werden Menschen mit mangelhaftem Sprachgefühl das nicht verstehen

    (aber Sprachgefühl und andere Sensibilitäten lassen sich ja z.T. trainieren - daher ist auch für entsprechende Dummies nicht alle Hoffnung aufzugeben).

  • Y
    Yadgar

    ...und säße die Redaktion von "Dummy" in Tel Aviv (aber nur dann!), dürften sie von mir aus auch eine Ausgabe "Juden" machen...

  • J
    J.M.

    Interessant diese Aufregung. Noch interessanter dürfte sein, von wem sie kommt. Es ist ja nichts Neues, Begriffe neu zu besetzen und so die Deutungshoheit wieder zu erlangen. Man schaue sich nur mal den Hip Hop an oder befasse sich mit dem trockeneren Teil, den Texten von Althusser, Butler und Austin zur Performativität der Sprache. Ohne Tabubruch dürfte es schwierig werden, eine ernstzunehmende Debatte zu führen. Ich werde mir die Ausgabe sicher kaufen, zumal mir die beiden bisher gekauften Ausgaben ausgesprochen gut gefallen haben.

  • M
    Marin

    Ist doch prima, nach Onkel Obaracks Hütte jetzt eben Neger. Was ist dabei? Ich kauf mir ja auch noch in der Bäckerei Negerbrötchen und hab nichts dagegen das ich von Ausländern als Kartoffel bezeichnet werde.

  • F
    flo

    Oweia. Ich mag ja Dummy an sich sehr gerne, aber damit übertreiben sie's möglicherweise doch.